Hand einer älteren Frau auf Tastatur
AFP/GEORGES GOBET
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Altersdiskriminierung: Fahrscheine via App günstiger

Seit zwei Jahren melden sich vermehrt Pensionistinnen und Pensionisten bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, die beklagen, dass Tickets für öffentliche Verkehrsmittel über Smartphones deutlich günstiger zu erhalten sind. Und auch bei den ÖBB sind die meisten Sparschiene-Tickets nur übers Internet zu haben. Die Antidiskriminierungsstelle verortet bei beiden Unternehmen Altersdiskriminierung.

Vor einigen Jahren erwarb ein 73-jähriger Grazer sein erstes Smartphone, um auf dem neuesten Stand zu bleiben und im Internet die Nachrichten verfolgen zu können. Außer zu telefonieren, gelang ihm anfangs nichts. Wiederholte Versuche, sich selbst etwas am Handy beizubringen, scheiterten. „Ich bin hinten und vorne angestanden“, so der Grazer.

Viele Vorteile nur via Internet

Bei vielen Gelegenheiten müsse er auf Vorteile verzichten, die er hätte, wenn er mit seinem Smartphone umgehen könnte, so der Pensionist: beim Vereinbaren von Arztterminen, bei der Bank, dem Finanzamt, beim Buchen von Zimmern etwa. Aber auch, wenn es nur darum geht, einen Fahrschein für die öffentlichen Verkehrsmittel zu kaufen. So kann man in Graz seit zwei Jahren im Bus beim Fahrer kein Ticket mehr kaufen.

Ein Freund teilte dem Grazer mit, dass er via App seine Bus- und Straßenbahntickets günstiger erhalten würde. Das verärgerte den Pensionisten so sehr, dass er sich an die Antidiskriminierungsstelle Steiermark wandte.

Fahrschein in Trafik teurer

Dort ist er kein Einzelfall. In den vergangenen zwei Jahren mehren sich Beschwerden wie diese, sagt Leiterin Daniela Grabovac. Die Juristin und ihr Team haben die Ticketpreise bei öffentlichen Verkehrsmitteln überprüft und dabei herausgefunden: Tatsächlich fahren Fahrgäste, die via App oder Internet buchen, günstiger. Bei den Graz Linien etwa kostet derzeit eine Stundenkarte in der Trafik oder beim Automaten 2,50 Euro, in der GrazMobil-App nur 2,30 Euro. Für ein 24-Stunden-Ticket bezahlt man am Schalter 5,60 Euro, in der App nur 5,10 Euro.

Daniela Grabovac, die sich den Preisunterschied nicht erklären konnte, erkundigte sich bei den Graz Linien. Dort teilte man ihr mit, dass man mit Verkäufen via App Papier- und Personalkosten spare.
Zahlreiche Beschwerden erreichten die Antidiskriminierungsstelle auch zu den ÖBB. Die dortigen Sparschiene-Tickets, die zum Teil mehr als die Hälfte billiger sind als der Normalpreis, können – bis auf internationale und Nachtzugreisen – ausschließlich via App oder Internet gebucht werden.

Diskriminierung älterer Menschen

Grabovac verortet bei beiden Unternehmen sowohl Altersdiskriminierung als auch Diskriminierung aufgrund des sozialen Status. „Weil Menschen, die älter sind, aufgrund ihres Ruhestandes weniger von der digitalen Arbeitswelt mitbekommen, und damit in der Gesellschaft ausgeschlossener werden“, so Grabovac.

Zudem liege eine soziale Diskriminierung vor, da Menschen, die wenig Geld haben, sich keine Smartphones und auch nicht unbedingt einen Internetzugang leisten könnten. Beide Diskriminierungsgründe seien rechtlich aber nicht einklagbar, so die Juristin.

Graz Linien gleicht Preis mit 1. Juli an

Was es jedoch bereits gäbe, sei eine Empfehlung auf EU-Ratsebene aus dem Jahr 2020, die auf die Rechte von älteren Menschen im digitalisierten Zeitalter abzielt: Im Verwaltungs- und im Gesundheitswesen sei darauf zu achten, niemanden auszuschließen. Die Digitalisierung sei zwar voranzutreiben, aber auch der analoge Weg sei weiterhin zur Verfügung zu stellen, fasst Grabovac den Gesetzestext zusammen.

Die ÖBB teilten uns auf Anfrage mit, dass bei Bedarf spezialisierte Teams beim Ticketkauf via App und am Automaten helfen würden. Außerdem kündigt man an, ab Herbst wieder ein Seniorenticket anzubieten. Zum Vorwurf der Diskriminierung äußerten sich die ÖBB nicht.

Anders die Graz Linien: Hier distanziert man sich von jeder Art von Diskriminierung. Der kritisierte Preisunterschied würde mit 1. Juli fallen. Auch werde man ab Dezember in allen Bussen Ticketautomaten installieren.