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Vor 25 Jahren wurde der Marine-Stewardship-Council (MSC) gegründet. Gründungsmitglieder waren der britische Konsumgüterkonzern Unilever und der World Wide Fund for Nature (WWF). Eine Partnerschaft aus Handelskonzern und Umweltschutzorganisation, die für das Wesen des MSC bis heute prägend ist
Überfischung nimmt weltweit zu
Etwa 30 Prozent des weltweiten Meeresfischbestands gilt heute als überfischt, weitere 60 Prozent sind bis an die Grenze des Möglichen ausgereizt. Das MSC-Siegel soll diesem Trend entgegenwirken und Meeresfisch kennzeichnen, der entweder aus nachhaltiger Fischzucht stammt oder von Betrieben kommt, die zugesagt haben, ihre Fangmethoden zum Schutz der Ozeane nachhaltiger aufzustellen.
Die Anzahl der Bestände, die zu stark befischt werden, nimmt zu, sagt Gerlinde Geltinger, sie ist PR-Managerin beim MSC. Gerade deswegen sei es wichtig, nach Wegen zu suchen, um diese Bestände nachhaltig zu bewirtschaften.
MSC will Anreize bieten, um nachhaltiger zu werden
Die Vorgaben, die der MSC an Fischereien stellt, sind zunächst nicht allzu streng. Auch Fischereibetriebe, die ökologisch bedenkliche Fangmethoden wie Grundschleppnetze oder Langleinen anwenden, können zertifiziert werden. Schließlich möchte man potenzielle Kandidaten nicht abschrecken, sondern auch Anreize bieten, die es den Betrieben ermöglichen sollen, an dem Programm teilzunehmen und mittelfristig nachhaltiger zu arbeiten.
Grundschleppnetze „zerstören einfach alles“
Grundschleppnetze führen aber dazu, dass neben den erwünschten Fischen auch zahlreiche weitere Meerestiere als Beifang im Netz hängen bleiben, kritisiert Ursula Bittner, sie ist Wirtschaftsexpertin bei Greenpeace Österreich. Greenpeace zählt zu den schärfsten Kritikern des MSC. Grundschleppnetze und andere industrielle Fangmethoden verursachen tendenziell eine sehr große Menge an Beifang: „Mit Grundschleppnetzen fährt man am Meeresboden entlang und zerstört eigentlich alles“, sagt Bittner.
MSC: Betriebe werden jährlich kontrolliert
Fischereibetriebe, die ökologisch-bedenkliche Praktiken anwenden, müssen dem MSC gegenüber zusichern, ihre Methoden zu verbessern und nachhaltiger zu werden. Die Fortschritte würden jedes Jahr von ausgesuchten und unabhängigen Kontrolloren überprüft, die auch die Einhaltung der MSC-Kriterien überwachen, so MSC-Sprecherin Geltinger. Die Ergebnisse würden außerdem von weiteren Experten kontrolliert, und auch Umweltverbände seien in solche Prüfungen eingebunden, so Geltiner.
Greenpeace zweifelt an Unabhängigkeit der Prüfer
Greenpeace zweifelt die Unabhängigkeit der Gutachter an, diese werden nämlich von den Fischereibetrieben bezahlt. Der MSC argumentiert, dass auch Automobilclubs, die Pickerl-Überprüfungen anbieten, von Autofahrern und Autofahrerinnen finanziert werden, ohne dass man Zweifel an den Prüfergebnissen haben müsse. Zu Interessenskonflikten könne es zwar kommen, diese würden aber durch die internen Kontrollmechanismen begrenzt, so Geltinger.
Neuer MSC-Standard wird kommende Woche präsentiert
Die MSC-Standards werden regelmäßig überarbeitet, sie sollen schrittweise strenger werden. Kommende Woche wird im MSC-Vorstand eine neue Fassung präsentiert. In dieser will man beispielsweise dem so genannten Hai-Finning den Kampf ansagen. Dabei wird Haien die Rückenflosse bei lebendigem Leib abgeschnitten.
Hai-Finning sei beim MSC zwar bereits jetzt grundsätzlich verboten, die Verarbeitung eines Hais an Bord des Schiffes sei allerdings zulässig gewesen. Ab nun sei untersagt, dass „Haie und Flossen getrennt angelandet werden dürfen“, so Geltinger. Der Hai muss das Ufer also in einem Stück erreichen. Auf diese Weise werde das Risiko, dass unerlaubtes Hai-Finning stattfindet, erheblich reduziert, meint Geltinger.
Greenpeace kritisiert mangelnde Kontrollen an Bord
Greenpeace verweist in diesem Zusammenhang auf die mangelnden Kontrollen auf dem Meer. In der Praxis würde den Haien die Flosse noch auf hoher See abgetrennt, berichten beispielsweise die Tierschützer des „Shark-Project“. Nach dieser Prozedur würden die Tiere über Bord geworfen. Die Flossen können im Anschluss teuer verkauft werden.
Ohne ausreichende Kontrollen auf dem Meer könne man also nicht ausschließen, dass eine Fischerei Hai-Finning betreibt, ohne dabei erwischt zu werden, sagt Greenpeace-Expertin Bittner. In einem ursprünglichen Entwurf des neuen MSC-Standards war vorgesehen, dass bis zu 65 Prozent der MSC-zertifizierten Fänge direkt an Bord des Schiffes von unabhängiger Seite kontrolliert werden sollen.
Diese Quote wurde im nun vorliegenden Entwurf nach Rücksprache mit den Fischereibetrieben vom MSC gesenkt. Nun soll nur auf hoher See kontrolliert werden. Und zwar bis zu maximal 30 Prozent der Fänge. Die Kontrolldichte habe man reduzieren müssen, weil die ursprüngliche Quote für die betroffenen Betriebe nicht umsetzbar gewesen sei, sagt der MSC. Viele Betriebe, die beim MSC zertifiziert sind, sind große und industrielle Fischereien, was von Greenpeace auch häufig kritisiert werde, sagt Geltinger. Aber auch der MSC möchte kleine Fischereien fördern, und es seien vor allem Kleinbetriebe gewesen, für die die Kontrollen in größerem Ausmaß nicht finanzierbar gewesen wären, so Geltinger.
Über 80 Prozent fischen ohne MSC-Zertifikat
Derzeit sind etwa 14 Prozent der weltweit aktiven Fischereibetriebe mit dem MSC-Siegel ausgezeichnet. Diese Quote möchte man erhöhen, sagt MSC-Sprecherin Geltinger. Denn die nicht MSC-zertifizierten Fischereien, die über 80 Prozent der weltweiten Fangmenge verantworten, würden zweifelsohne mehr Verbesserungspotential aufweisen als die rund 400 MSC-zertifizierten Betriebe, die sich langwierigen und aufwendigen Bewertungen und jährlichen Kontrollen unterziehen, sagt Geltinger.
Kompromiss zwischen Marktwirtschaft und Umweltschutz
Das MSC-Siegel ist kein reines Ökosiegel. Anders als Greenpeace akzeptiert der MSC grundsätzlich, dass Meeresfisch als Konsumgut auf dem Markt zur Verfügung stehen soll. Es gehe darum, die Interessen der Betriebe, des Handels und der Umweltverbände unter einen Hut zu bringen, sagt dazu die Fischereiwissenschaftlerin Vivien Kudelka, die beim MSC für die Kommunikation mit den verschiedenen Interessensvertretern zuständig ist.
Man bewege sich in einem Spannungsfeld aus Umweltschutz und Umweltnutzung. Alle Anforderungen, die der MSC an Fischereien stellt, seien immer ein Ausgleich zwischen hohen Standards und Machbarkeit. Die Lösungen, die der MSC findet, sind immer auch ein Kompromiss, sagt Kudelka.
Greenpeace: Meeresfisch sollte nicht gegessen werden
Genau diesen Kompromiss aus Umweltschutz und Marktwirtschaft lehnt Greenpeace ab: „Brauchen wir wirklich Wildfisch auf unseren Tellern, ist das wirklich notwendig? Ich denke mir, wahrscheinlich eher nicht.“, sagt dazu Greenpeace-Expertin Ursula Bittner. Der MSC basiere nach wie vor auf einem Wachstumsmodell. Man müsse Fisch jedoch als Luxusgut begreifen und dürfe nicht zunehmend größere Mengen davon verzehren, so Bittner. Meeresfisch sollte grundsätzlich tabu sein, wenn schon, dann solle man zu heimischem Biofisch greifen und auch das maximal einmal pro Monat, fordert die Greenpeace-Expertin.
Greenpeace fordert Ende der Kompromisse
Man müsse auch aufhören, industrielle Fangmethoden wie Grundschleppnetze zuzulassen, die die Ozeane zerstören. Hier sollte auch der MSC keine Kompromisse mehr machen und diejenigen Fischereien aus dem Programm werfen, die das nach wie vor tun, fordert Bittner. Nur tatsächlich nachhaltige Fischereien sollten aus Sicht von Greenpeace künftig zertifiziert werden können.
Man finde es traurig, dass Greenpeace zwar fortwährend kritisiert, eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem MSC aber konsequent verweigert, sagt Gerlinde Geltinger. Andere Umweltverbände würden sich einbringen und dem MSC sowohl mit Verbesserungsvorschlägen als auch mit Kritik zur Seite stehen. An der Entwicklung des neuen MSC-Standards seien neben anderen Stakeholdern auch Umweltorganisationen beteiligt gewesen, so Geltinger.
MSC bedauert mangelnde Kooperation durch Greenpeace
Eine Zusammenarbeit mit dem MSC kommt für Greenpeace nicht in Frage. Greenpeace reformiere nicht mehr und helfe nicht mehr bei der Reform, so Bittner, denn „aus Sicht von Greenpeace ist das MSC-System gescheitert.“
Auch anderen Umwelt-NGOs gehen die Reformen im neuen MSC-Standard keineswegs weit genug. Darunter befindet sich auch der WWF, der den MSC im Jahr 1997 mitbegründet hat und nun um dessen Ruf fürchtet. Anders als Greenpeace möchte der WWF das Siegel aber erhalten und ausbauen. In einer Stellungnahme an help.ORF.at heißt es: „Sowohl für die Wirtschaft als auch für Konsumentinnen und Konsumenten ist das Siegel derzeit alternativlos, wobei die Standards laufend verbessert werden müssen. Daher steht der WWF im kritischen Dialog mit dem MSC, um Fortschritte in der Zertifizierung und dem Meeres-Schutz zu erwirken und nicht nachhaltige und zerstörerische Fischerei-Praktiken zu bekämpfen.“