Rolling-Stones-Ticket-Auswahl bei Viagogo
Screenshot Viagogo
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Via-No-Go

Weiter Ärger über Ticketpreise bei Viagogo

Der Online-Ticketmarktplatz Viagogo erzürnt weiterhin Kunden, Veranstalter und Künstler. Eintrittskarten für Konzerte und Fußballspiele werden um ein Vielfaches des ursprünglichen Ticketpreises angeboten, der Originalpreis wird verschwiegen. Ein solcher Kauf ist nicht rechtswirksam, urteilten bereits mehrere Gerichte. Doch die Firma mit Sitz in der Schweiz ignoriert die Urteile und macht weiter.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Ein Wiener wollte einem Freund eine ganz besondere Überraschung zum Geburtstag bereiten: Karten für das Rolling Stones Konzert am 15. Juli in Wien. Er googelte, klickte auf den ersten Treffer und landete so auf der Website von Viagogo, die als bezahlte Anzeige ganz oben gelistet wurde.

„546 Personen haben sich Rolling Stones Veranstaltungen in der letzten Stunde angesehen“ wurde in roten Lettern auf der Viagogo-Website angezeigt.

Meldung beim Aufrufen einer Veranstaltung auf Viagogo
Screenshot Viagogo

Der Wiener dachte sich, er müsse schnell zuschlagen, schließlich wollte er unbedingt Karten haben. Der Preis spielte nur eine untergeordnete Rolle, wichtiger war es ihm besonders gute Plätze zu bekommen. Er entschied sich für vier Karten zum Preis von 480 Euro pro Stück (insgesamt 1.925 Euro) und dachte, er habe Glück gehabt, überhaupt noch und dann sogar so gute Tickets zu ergattern.

Zum Vierfachen des Originalpreises gekauft

Kurze Zeit später kamen die Karten per Post, doch statt Freude folgte eine Enttäuschung. Der Aufdruck auf den Tickets verriet den Originalpreis und der lag gerade einmal bei 130 Euro. Statt wie angenommen die beste Ticketkategorie hatte er die billigste – zum beinahe Vierfachen des Originalpreises gekauft. Und das Konzert ist noch nicht einmal ausverkauft. Beim offiziellen Tickethändler Oeticket sind Rolling Stones Karten dieser Kategorie noch immer zum Normalpreis von 130 Euro zu haben.

Übersicht der Karten-Kategorien und Preise bei Oeticket
Screenshot Oeticket
Beim offiziellen Ticketverkauf auf Oeticket gibt es immer noch Karten zum Normaltarif

Viele Fälle in Österreich, Deutschland, Schweiz

Für Bettina Schrittwieser, Leiterin der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer Steiermark, nur ein Fall von vielen. Seit Jahren beschweren sich Konsumentinnen und Konsumenten über überhöhte Preise, mangelnde Transparenz und irreführende Geschäftspraktiken bei Viagogo.

„Dieses Problem beschäftigt sehr viele Verbraucherschutzeinrichtungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz“, so Schrittwieser. Nicht nur Verbraucherschützer, auch Künstlerinnen und Künstler und Veranstalter sind mit dieser Ticket-Plattform sehr unzufrieden und versuchen mit rechtlichen Mitteln dagegen vorzugehen, dass ihre Karten zu einem derart überteuerten Preis weiterverkauft werden.

Viagogo: „Preise unter oder über dem Marktpreis“

Bisher wurden Help.ORF.at-Aufforderungen zur Stellungnahme von Viagogo ignoriert. Seit kurzem beschäftigt die Firma eine deutsche PR-Firma, die nun im Namen des Unternehmens recht allgemein gehaltene Antworten gibt. So heißt es uns gegenüber: Nicht man selbst lege die Preise fest, sondern die einzelnen Weiterverkäufer der Tickets. Diese Preise könnten unter oder über dem Marktpreis liegen.

Von Schnäppchen auf der Plattform sei ihr nichts bekannt, so die Konsumentenschützerin der Arbeiterkammer. Im Gegenteil, sie habe sehr viele Berichte, bei denen Leute viel zu viel gezahlt hätten.

Keinerlei Infos zu Vertragspartner

Laut Viagogos PR-Firma erhielten Käufer vor dem Kauf „umfassende und transparente Informationen“ über die Tickets. Auch das sehen Konsumentenschützer anders: Es sei keineswegs ersichtlich was die Tickets tatsächlich gekostet haben. Auch wer eigentlich der Verkäufer und damit Vertragspartner ist, erfahre der Kunde nicht.

Warnmeldung im Bestellprozess bei Viagogo
Screenshot Viagogo
Viagogo blendet beim Bezahlvorgang eine Uhr ein, auf der ein Countdown von zehn Minuten herunterläuft

Recht auf Geld zurück

Die Rechtslage ist klar. „Wenn der Kartenpreise mehr als doppelt so hoch ist, wie am Ticket angegeben, dann ist es rechtlich eindeutig so, dass das Geschäft nicht rechtswirksam ist“, so Schrittwieser. Aufgrund dieser im juristischen Fachjargon genannten „laesio enormis“ könnte man den übersteigenden Preis also zurückverlangen oder auch überhaupt vom Vertrag zurücktreten.

Freiwillig zahlte das Unternehmen bisher allerdings nichts zurück. Selbst Gerichtsurteile wurden von Viagogo ignoriert. Der Firmensitz liegt in der Schweiz, das Inkasso ist entsprechend langwierig und teuer. So musste die AK Steiermark mehr als 3.000 Euro an Exekutionsgebühren zahlen, um Ticketkosten in Höhe von rund 800 Euro für einen Konsumenten wiederzubekommen.

Viagogo ignoriert Gerichtsurteile

Und auch weitere Urteile werden von Viagogo nicht beachtet. So entschied das Landesgericht Linz bereits im Jahr 2019, Viagogo müsse künftig die Original-Ticketpreise sowie die Identität der Verkäuferinnen und Verkäufer offenlegen. Das macht die Firma bis heute nicht.

Warum Urteile ignoriert werden, wollte Viagogos PR-Beauftragter uns gegenüber nicht kommentieren. Help.ORF.at hat ihn auch gefragt, was der Wiener Rolling-Stones-Fan nun tun müsste, um das Geld, das er für seine vier Tickets zu viel bezahlt hat, wieder zu bekommen.

„Nur weil man selbst abkassiert wurde, darf man andere nicht auch abkassieren“

Die Antwort: Käufer könnten ihr Ticket gerne auf viagogo erneut anbieten, um ihr Geld zurückzubekommen und jemand anderem die Möglichkeit zu geben, das Ticket zu nutzen.

Das Ticket zu diesem überhöhten rechtlich nicht richtigen Preis anzubieten, dazu könne sie überhaupt nicht raten, so Konsumentenschützerin Schrittwieser. Wenn, dann könne man das Ticket nur zu einem Preis anbieten, der auch dem Vertragsrecht entspreche. „Nur weil man selbst abkassiert wurde, darf man andere Leute nicht auch abkassieren.“