Briefkasten mit Zeitungen und Flugblättern
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Ärger über unerwünschte Gratiszeitungen im Briefkasten

Täglich landen Flugblätter, Kataloge, Reklamen und Gratiszeitungen im Briefkasten – bis zu 100 Kilogramm Papier pro Jahr und Haushalt. Die Werbeflut lässt sich teilweise mithilfe von Werbeverzichtsaufklebern eindämmen. Unadressierte Gratiszeitungen werden aber trotzdem zugestellt – zum Ärger einiger Betroffener, die sich über überquellende Briefkästen beschweren.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Sie heißen „Bezirksblätter“, „Tips“ oder „Bezirksrundschau“ und werden – wie viele ähnliche Gratisblätter – in den Hausbriefkasten zugestellt. Egal, ob man das möchte oder nicht. Herr B. möchte das nicht und wandte sich an help.ORF.at, weil er die unerwünschten Zeitungen nicht abbestellen kann.

Empfänger können Zustellung nicht verhindern

„Die Zeitungsredaktionen verweisen auf die Post und die Post verweist auf einen Zustellauftrag, den sie nicht ändern kann“, so Herr B. Er als „Kunde“ habe keine Einflussmöglichkeit, lese diese Zeitungen nicht und wolle sie aus Gründen der Ressourceneffizienz und Abfallvermeidung nicht mehr zugestellt bekommen.

Frau Z. machte ähnliche Erfahrungen und wandte sich an die Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH (RTR) – die Aufsichtsbehörde der Postdienste – und an die Wirtschaftskammer (WKO). Um es kurz zu machen: Beide Stellen konnten ihr nicht wirklich weiterhelfen.

Aufkleber gilt nur für unadressierte Werbung

Die RTR ist nur für adressierte Postsendungen zuständig. Die WKO wies die Konsumentin zwar auf einen Aufkleber für den Briefkasten hin, schränkte aber gleich ein, dass dieser nur für unadressierte Werbung gilt und nicht für Zeitungen. Die Gratisblätter trudeln somit weiterhin ein. Frau Z. schleppt sie zum Altpapiercontainer und ärgert sich.

VKI kritisiert Graubereich

Beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) kennt man solche Beschwerden seit Jahren. „Das Problem ist, dass es sich um einen Graubereich handelt“, so Juristin Manuela Robinson. Diese Zeitungen würden nicht direkt als Werbung gesehen und fielen damit nicht unter den Werbeverzichtsaufkleber, der die Zustellung unadressierte Werbung verhindern soll.

Sich an die Post zu wenden, bringe nichts. Denn die Post könne nicht von sich aus beschließen, diese Gratisblätter nicht mehr zuzustellen. Der VKI rät, sich an die Zeitung zu wenden und nicht locker zu lassen. „Es wäre Aufgabe der Zeitung, das mit der Post zu klären“, so Robinson. Als letzter Ausweg bliebe nur eine Besitzstörungsklage – ein erheblicher Aufwand.

Regionalmedienverband pocht auf Meinungsfreiheit

Help.ORF.at fragte beim Verband der Regionalmedien Österreichs (VRM) nach, der rund 240 Zeitungen vertritt, wie das Problem gelöst werden könnte. Dort war man zunächst wenig erfreut über den Begriff „Gratisblätter“, dieser sei „abwertend“. Es handle sich vielmehr um „(kostenlose) Regionalzeitungen“ oder „regionale Wochenzeitungen“ und keinesfalls um Werbung.

Die Inhalte dieser Zeitungen – Informationen über das lokale Geschehen und Ereignisse in der näheren Umgebung – würden von einer großen Mehrheit sehr gerne gelesen. „Die Verbreitung von Zeitungen beruht – ebenso wie Ihre Sendung – auf dem Grundrecht der Meinungsfreiheit“, so der VRM. Eine Einschränkung der Verbreitung von Meinungen „wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, der nicht nur an den Grundwerten unserer Demokratie rütteln würde, sondern auch vollkommen unangemessen wäre“.

VRM empfiehlt eigenen Hinweis am Briefkasten

Weder Herr B. noch Frau Z. wollen die Verbreitung der Zeitungen oder gar die Meinungsfreiheit einschränken. Sie wollen diese Produkte, die sie ja nicht einmal bestellt haben, bloß nicht selbst zugeschickt bekommen.

Der VRM rät Betroffenen, die keine unadressierten Zeitungen erhalten wollen, selbst einen entsprechenden Hinweis direkt am Briefkasten anzubringen. Es sei dabei auch möglich, nach Titeln zu differenzieren, also eine unbestellte Zeitung quasi abzubestellen, eine andere aber zu behalten.

Der Wunsch eines einzelnen Haushalts, eine bestimmte Zeitung nicht zu erhalten, werde sowohl vom Zeitungsverlag als auch vom Zustellunternehmen sicher respektiert. „Bitte aber um eine geeignete diesbezügliche Willenskundgebung am Briefkasten.“

Post: „In der Praxis nicht durchführbar“

Für die Post ist dies jedoch nicht praktikabel. Gegenüber help.ORF.at heißt es, dass individuell angebrachte Hinweise am Briefkasten im operativen Tagesgeschäft nicht berücksichtigt werden könnten.

„In der Praxis würde das bedeuten, dass jede Zustellerin und jeder Zusteller vor dem Einlegen in den Briefkasten nochmal alle Sendungen händisch sortieren, durchschauen und gegebenenfalls sogar individuell bewerten müsste“, so der Postsprecher. Bei über vier Millionen Abgabestellen, an denen täglich zugestellt werde, wäre das „schlichtweg unmöglich durchzuführen“.

Der Auftraggeber sei dafür verantwortlich, wo eine Zeitung zugestellt wird. Die Lieferung an alle Haushalte sei ohnedies meist die Ausnahme. Oft sei vereinbart, dass die Zustellung nur dort erfolgt, wo es keinen Werbeverzichtshinweis gibt, so die Post.

VKI: Werbeverzichtskleber auch für Gratisblätter

Der VKI wünscht sich als Lösung, dass Werbeverzichtshinweise auf Briefkästen auch generell für Gratiszeitungen gelten sollten. Wer diese Blätter dann trotzdem möchte, müsse sie eben aktiv bestellen.

Dem kann der Verband der Regionalmedien nichts abgewinnen. Auch für einen eigenen Aufkleber, mit dem Gratiszeitungen quasi abbestellt werden, bestehe kein Bedarf.