Rechnung, Geldscheine und ein Taschenrechner
APA/ROLAND SCHLAGER
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Große Nachfrage nach kostenloser Hilfe für Konsumenten

Das neue Handy ist kaputt, eine Reise wird abgesagt, die Versicherung will nicht zahlen oder die Fernwärmerechnung fällt höher aus als üblich – in all diesen Fällen können sich Konsumentinnen und Konsumenten Hilfe bei der Verbraucherschlichtung Austria holen. Das Service ist kostenlos, selbst wenn bei verzwickten Fällen Sachverständige hinzugezogen werden. Die Nachfrage nach Schlichtungsverfahren steigt stetig.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Die Beschwerden an die Schlichtungsstelle sind vielfältig: Probleme rund um die Schließung von Fitnesscentern; Möbelbestellungen, bei denen etwas schiefgegangen ist. Küchen etwa, die zu spät oder unvollständig geliefert wurden.

Handwerker, Reisen, Onlinekauf

„Ein klassisches Problem in den letzten zwei Jahren waren Beschwerden im Zusammenhang mit der Coronavirus Pandemie im Reisesektor“, sagt Simon Eder, Jurist und Geschäftsführer bei der Verbraucherschlichtung Austria. Reisen wurden abgesagt, und die Konsumentinnen und Konsumenten hätten das dafür bezahlte Geld nicht oder nur teilweise zurückerhalten.

„Leute haben einen Handwerker engagiert, ein gewisses Honorar vereinbart und am Ende wird weit mehr verlangt“, so Eder. Oder es sei gar kein genauer Preis vereinbart worden, und Kunden würden dann meinen, „für diese Dienstleistung kann doch nicht so viel verlangt werden“.

Ein Dauerbrenner bei den Beschwerden sind auch Elektrogeräte, die nach kurzer Zeit nicht mehr funktionieren; Onlinebestellungen, die nie eintreffen und Versicherungen, die den Schaden nicht abdecken wollen. Für all diese Fälle versucht die Verbraucherschlichtung, Lösungen zu finden. Voraussetzung ist, dass die Betroffen zumindest einen Versuch unternommen haben, sich selbst mit dem Unternehmen zu einigen.

Wie ein Verfahren abläuft

Das Vorgehen ist recht einfach: Die Konsumenten stellen eine Antrag – entweder direkt auf der Webseite oder per Brief – und teilen ihren Lösungswunsch mit. Die Schlichter laden dann das Unternehmen ein, freiwillig am Verfahren teilzunehmen. In 80 Prozent der Fälle geschieht dies auch.

Kommt es zu keiner Einigung, erarbeitet die Schlichtungsstelle eigene Vorschläge. „Wichtig dabei ist, dass wir eine neutrale Rolle haben, ähnlich einem Mediator“, so der Jurist. Die Schlichter stünden weder auf Konsumenten- noch auf Unternehmensseite.

Kostenlos zum Sachverständigengutachten

Sind die Fronten verhärtet, können seit dem Vorjahr auch Sachverständige mit einem Gutachten beauftragt werden. Sie klären dann, ob etwa bei einem defekten Handy tatsächlich ein Wasserschaden vorliegt; ob ein Auto fachgerecht repariert wurde, oder ob die Farbe des gelieferten Sofas wirklich jener des Ausstellungsstücks im Möbelhaus entspricht.

Weder den Konsumenten noch den Firmen entstehen dadurch Kosten. Diese werden aus dem Fördertopf beglichen, der größte Teil kommt vom Sozialministerium. Den Antrag auf eine Schlichtung kann jede Person mit Wohnsitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) stellen. Das Unternehmen muss eine Niederlassung in Österreich haben.

Lösung in zwei von drei Fällen

Im Vorjahr wurden mehr als 1.240 Schlichtungsverfahren durchgeführt. Seit der Gründung vor fünf Jahren steigt die Zahl der Fälle jährlich um rund 25 Prozent. Das Service hat sich vor allem in Ostösterreich schon herumgesprochen, von dort kommen die meisten Anfragen. Zwei Drittel der Verfahren enden mit einer Einigung. Damit ersparen sich die Beteiligten Geld und Gerichtsverfahren.

Beim Streitwert gibt es keine Grenzen. „Man kann mit einer Streitigkeit um einen Euro oder um 100.000 Euro zu uns kommen“, so Eder. Rein statistisch liege in zirka 80 Prozent der Fälle der Streitwert bei maximal 1.000 Euro. Mitunter gehe es Konsumenten auch um eine bloße Entschuldigung.

Die Verfahren dauern meist rund einen Monat, oft auch deutlich kürzer. In längstens 90 Tagen muss ein Verfahren gemäß Alternative-Streitbeilegung-Gesetz (AStG) abgeschlossen sein.

Wofür die Verbraucherschlichtung nicht zuständig ist

Die Verbraucherschlichtung ist aber nicht für alle Streitfälle zwischen Unternehmen und Konsumenten zuständig. Bei Problemen mit dem Strom- und Gasanbieter etwa muss man sich an eine andere Schlichtungsstelle, die der E-Control, wenden. Geht es aber um die Fernwärmeabrechnung, dann ist man bei der Verbraucherschlichtung richtig.

Für Probleme mit Banken ist etwa die Bankenschlichtungsstelle zuständig. Streitigkeiten mit einem Bahn-, Bus-, Schiffs- oder Flugunternehmen sind wiederum Sache der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf). Die Verbraucherschlichtung Austria bearbeitet jene Beschwerden, für die keine der anderen sieben staatlich anerkannten Schlichtungseinrichtungen zuständig ist.

Missverständnisse beim Kauf

Konsumentinnen und Konsumenten könnten selbst Einiges dazu beitragen, dass es erst gar nicht zu einem Schlichtungsverfahren kommt. „Es gibt einige Missverständnisse und Irrglauben, dass man gewisse Rechte hätte, die es aber gar nicht gibt“, so der Jurist.

Es besteht zum Beispiel kein generelles Rücktrittsrecht. Das gibt es in manchen Bereichen, zum Beispiel beim Onlinehandel. „Aber ich kann nicht davon ausgehen, wenn ich in einem Geschäft etwas kaufe, dass ich das jedenfalls zurückgeben kann und mein Geld zurückbekomme.“ Noch ein Klassiker: Verträge werden unterschrieben, ohne sie vorher durchzulesen.

„Freundlichkeit bringt bei Beschwerden mehr“

Gibt es doch Ärger mit einer Firma sollte man mit der Klärung nicht zu lange zuwarten, sich bei Beratungsstellen informieren und das Gespräch suchen. „Bleiben Sie dabei auch sachlich. Es bringt nichts, sarkastisch zu sein, auch wenn ich oft verstehe, dass man emotional vielleicht in einem Thema sehr drin ist und sich aufregt“, so Eder. Jemanden zu beschimpfen führe eher weg von der Lösung.

Dass gewisse Sparten oder Unternehmen öfter bei den Schlichtungsverfahren auftauchen, bewertet der Experte nicht negativ. Diese Firmen und Branchen seien nur besonders an einer außergerichtlichen Streitbeilegung interessiert. Das treffe vor allem auf Versicherungen und den Heizungssektor zu.