Traktor sprüht Pestizide auf ein Feld
Getty Images/iStockphoto/fotokostic
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Greenwashing: Auch regional ist nicht immer nachhaltig

Regionale Produkte werden häufig mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Kurze Transportwege können beispielsweise helfen, das Klima zu schützen. Experten zufolge sind Warenlieferungen aber nicht der einzige Faktor, wenn es um die CO2-Bilanz geht. Auch lokale Unternehmen können Greenwashing betreiben und geben sich manchmal umweltfreundlicher als sie sind.

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Die Erdölindustrie scheint ihr grünes Gewissen entdeckt zu haben. Die Umwelt könne man heute sogar an der Zapfsäule schützen, erklärt beispielsweise der Erdölgigant Shell. Pro getanktem Liter werde nämlich ein Cent in Wiederaufforstung investiert. Tatsächlich wurde innerhalb eines Jahres das CO2-Äquivalent von 28 Millionen Liter Treibstoff von Shell durch das Pflanzen neuer Bäume kompensiert, sagt der Umweltexperte Raphael Fink vom Verein für Konsumenteninformation (VKI).

Experte: Umweltfreundliches Tanken ist eine Illusion

Man müsse aber bedenken, dass Shell täglich 600 Millionen Liter Rohöl fördert. Innerhalb eines Jahres wurden also nur fünf Prozent der täglichen Fördermenge ausgeglichen. Wenn hier suggeriert werde, dass das Erdölunternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, sei das ein klarer Fall von Greenwashing, so Fink.

Raphael Fink ist Projektleiter des VKI-Greenwashing-Checks und unter anderem für das österreichische und das europäische Umweltzeichen zuständig. Mit diesem Siegel sollen nachhaltige Produkte kenntlich gemacht werden. Ein Jahr lang hat sich Fink mit Unternehmen beschäftigt, die mittels Marketing ihr Nachhaltigkeits-Image aufpolieren wollen.

Kritik an Umweltkampagne der Betonwirtschaft

Auch österreichische Unternehmen gerieten dabei ins Visier. Etwa die Kampagne der Betonwirtschaft. Beton sei ein regionales Produkt und umweltfreundlich, verspricht die Werbung. Tatsächlich ist Beton ein langlebiger Baustoff, man kann hohe Gebäude errichten, was der Zersiedelung und der damit verbundenen Bodenversiegelung entgegenwirken kann. Die Zementproduktion ist allerdings extrem energieaufwändig, und es wird dabei viel CO2 freigesetzt, was die Umweltbilanz merklich trübt.

So gesehen sei Beton keineswegs nachhaltig. Nur weil ein Werkstoff etwas geringere negative Umweltauswirkungen habe als andere Produkte, könne man ihn nicht sofort als umweltfreundlich klassifizieren. Doch genau damit argumentiere die Betonwirtschaft, was auch viele Konsumentinnen und Konsumenten verärgert habe, so Fink.

Regionales Greenwashing

Wenn von Umwelt- und Klimaschutz die Rede ist, wird häufig der Begriff „Regionalität“ bemüht. Wer heimische Produkte bevorzugt schütze die Umwelt, weil lange Transportwege gespart würden, wird suggeriert. Kann sein, muss es aber nicht, sagt Fink. Wenn ein heimischer Landwirt beispielsweise Schweinefleisch produziert und dabei für die Aufzucht der Tiere Soja aus Südamerika einsetzt, müsse dies ebenso als Greenwashing angesehen werden.

Selbst wenn ausschließlich heimische Rohstoffe zum Einsatz kommen, sei regional nicht zwangsläufig die klimafreundliche Lösung. Im Winter können aus Spanien oder Italien importierte Tomaten beispielsweise eine bessere Klimabilanz aufweisen als heimische Produkte, weil der Energieaufwand für die Aufzucht von Glashaustomaten beträchtlich sei, sagt Fink. Die Treibhausemissionen, die beim Warentransport entstehen, seien im Vergleich dazu gering, so der Experte.

„Auch Biofleisch belastet das Klima“

Auch diese Faktoren sollten Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkauf beachten und zu Obst und Gemüse greifen, das der Jahreszeit entsprechend verfügbar ist. Das österreichische Umweltzeichen kann bei der Auswahl hilfreich sein. Gänzlich ausschließen könne man negative Umweltauswirkungen aber auch nicht bei Produkten, die mit Biozeichen und anderen Ökozeichen versehen sind.

Zwar sei es beispielsweise besser, zu Biofleisch zu greifen als die Massentierhaltung zu unterstützen, das ändere letztlich aber nichts daran, dass die Fleischproduktion einen beträchtlichen Einfluss auf den Klimawandel hat und der Fleischkonsum in Österreich generell zu hoch sei, so Fink.

Nachhaltiger Konsum nur schwer möglich

Heutzutage sei es generell sehr schwierig, ein Produkt herzustellen, das überhaupt keine negativen Folgen für das Ökosystem hat. Wer auf Gütesiegel wie das Umweltzeichen achtet, könne aber zumindest sicher sein, dass das Produkt oder die Dienstleistung, die man in Anspruch nimmt, „einen eher geringen Umweltabdruck“ hinterlässt, so der VKI-Experte.

Umweltbewegungen wie Fridays for Future fordern generell eine Abkehr vom kapitalistischen Wirtschaftssystem und der damit verbundenen Konsumgesellschaft. Stichwort: „System Change statt Climate Change“. Auch Raphael Fink ist der Ansicht, dass wir ein maßvolleres Leben führen müssen. Allein durch nachhaltigen Konsum werde man etwa die Klimakrise nicht bewältigen können. Von daher sei der Slogan der Fridays for Future-Bewegung absolut zu unterstützen, so Fink. Ohne einen Wandel im System werde eine Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft nur schwer möglich sein.