Eine Person arbeitet am Laptop
APA/AFP/Chris DELMAS
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Novelle

Was das neue Gewährleistungsrecht bringt

Ab 1. Jänner gilt in Österreich ein neues Gewährleistungsrecht. Kritik für die Novellierung gab es, weil die Rechtslage für Konsumenten komplizierter wird. Gleichzeitig kommt es zu Verbesserungen: Künftig soll es leichter werden, Mängel von Produkten zu beanstanden, und es gibt neue Regelungen für digitale Services, wie Software-Updates.

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Wenn der Fernseher, der nicht einmal ein Jahr alt ist, zu flackern beginnt, auf der Tastatur des Laptops einige Buchstaben hängen oder bei der fast neuen Waschmaschine der Abwasserschlauch leckt, liegt wahrscheinlich ein Gewährleistungsfall vor. War der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden, gilt das Recht auf Gewährleistung. Der Händler ist gesetzlich dazu verpflichtet, ein mangelhaftes Produkt zu reparieren, umzutauschen oder den Kaufpreis zu erstatten.

Beweislast länger beim Verkäufer

Und hier komme die sogenannte Vermutungsfrist ins Spiel, sagt der Jurist Martin Spitzer, Professor für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. „Wenn ein Mangel hervorkommt bei einer Sache, dann vermutet das Gesetz eine bestimmte Frist lang, dass dieser Mangel schon in der Übergabe vorgelegen ist und das ist deshalb so wichtig, weil nur Mängel, die im Zeitpunkt der Übergabe schon da waren, zu Gewährleistung berechtigen“, so Spitzer.

Bisher lag diese Vermutungsfrist bei sechs Monaten. Tauchte der Mangel also innerhalb der ersten sechs Monate nach Übergabe auf, lag die Beweislast beim Verkäufer. Jetzt sei die Lage komplizierter, so Spitzer. „Wir haben jetzt beim Kauf von beweglichen Sachen und beim Erwerb digitaler Leistungen eine Vermutungsfrist von einem Jahr, und wir haben beim Kauf unbeweglicher Sachen und beim Werkvertrag weiterhin eine Vermutungsfrist von sechs Monaten“, erklärt Spitzer. Die Rechtslage sei also zersplittert.

Mehr Zeit, um Ansprüche geltend zu machen

Nach diesen sechs bzw. zwölf Monaten greift die Gewährleistung noch immer, doch dann muss der Käufer beweisen, dass der Mangel bereits bei der Übergabe bestanden hat. Diese Gewährleistungs- und Verjährungsfristen wurden ebenfalls neu geregelt. „Im Gewährleistungsrecht hängen die Fristen davon ab, ob ich eine bewegliche Sache bekomme oder eine unbewegliche Sache, im Extrembeispiel wäre das der Kauf einer Wohnung bzw. der Kauf eines Autos“, so der Jurist.

Für bewegliche Sachen gelte eine zweijährige Frist, für unbewegliche Sachen eine dreijährige Frist. „Und dann habe ich nach Ende dieser Frist noch drei Monate Zeit, diesen Mangel geltend zu machen“, ergänzt Spitzer. Das heißt, man habe bei beweglichen Sachen zwei Jahre plus drei Monate Zeit, Ansprüche geltend zu machen, bei unbeweglichen Sachen drei Jahre plus drei Monate.

Gewährleistung auch im digitalen Bereich

Hier wird nun auch die digitale Sphäre erfasst: Bei digitalen Einzelleistungen, wie einem E-Book, beträgt die Gewährleistungsfrist zwei Jahre ab Übergabe. Bei Waren mit digitalen Elementen, wie Smartphone, Smartwatch oder Smart-TV, gilt sie über den gesamten Bereitstellungszeitraum, mindestens aber zwei Jahre ab Übergabe. Und bei fortlaufenden digitalen Leistungen, wie einem Streaming-Abo, umfasst die Gewährleistungsfrist den gesamten Bereitstellungszeitraum.

Ein weitere Neuerung in diesem Bereich betrifft Software-Aktualisierungen. „Die Aktualisierungspflicht trifft ein Problem, das viele von uns kennen: Man kauft etwas und es ist wunderbar in Ordnung, aber damit man es weiter nutzen kann, braucht man in Wirklichkeit ein Update“, erläutert Spitzer. Das Gesetz verpflichte Unternehmer in Zukunft dazu, solche Updates auch zur Verfügung zu stellen. „Und zwar mindestens zwei Jahre oder, wenn das länger ist, die Frist, die man sinnvoller Weise erwarten kann“, so Spitzer weiter. Diese Aktualisierungspflicht gilt für digitale Leistungen und für Waren mit digitalen Elementen.

Update-Pflicht bringt Nachhaltigkeit

Das habe auch einen Nachhaltigkeitsaspekt, sagt Martin Spitzer. „Die Aktualisierungspflicht sorge dafür, dass man diese Geräte länger sinnvoll nutzen kann“, sagt der Jurist. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen das zur Verfügung gestellte Update wiederum in angemessener Frist installieren. Wenn nicht, haftet der Unternehmer nicht für Mängel, die allein darauf zurückzuführen sind. Die Unternehmen müssen die Verbraucher allerdings über das Update und mögliche Folgen einer Nicht-Installation informieren.

„Wenn ich das Update bekomme und durch das Update funktioniert dann etwas nicht mehr, dann ist das quasi ein neuer Gewährleistungsfall“, sagt Spitzer. Man müsse Updates nicht installieren bzw. Software aktualisieren, müsse dann aber auf die entsprechenden Funktionalitäten verzichten.

Gewährleistung und Garantie klarer abgegrenzt

Verkäufer müssen Konsumentinnen und Konsumenten ab 1. Jänner übrigens darauf aufmerksam machen, dass ihre Gewährleistungsansprüche durch eine Herstellergarantie nicht eingeschränkt werden. „Die Garantie ist ein Angebot des Herstellers zusätzlich zur Gewährleistung“, sagt Spitzer. Oft glaubten Verbraucher aber, dass es nur eine Garantie gebe. Doch sie hätten gegen ihren Vertragspartner, den Händler, immer ihre Gewährleistungsrechte. Das Gesetz verlangt nun von den Händlern explizit darauf hinzuweisen.

Eine positive Veränderung für die Händler betrifft die Auflösung von Verträgen bei Gewährleistungsfällen: Kann der Händler das mangelhafte Produkt nicht reparieren oder austauschen, wird der Vertrag aufgelöst und der Kaufpreis erstattet. „Von nun an muss der Unternehmer das Geld erst dann zurückgeben, wenn der Verbraucher die Ware retourniert hat bzw. einen Nachweis über die Rücksendung vorlegt“, so Spitzer. Was den Verbrauchern entgegenkomme sei, dass der Verkäufer das Geld genauso erstatten müsse, wie er es bekommen habe. „Das heißt, es muss dasselbe Zahlungsmittel verwendet werden, etwa eine Gutbuchung auf der Kreditkarte oder eben als Barzahlung“, so der Jurist weiter.

Rechtslage wesentlich komplizierter

Trotz dieser Verbesserungen bleibe festzuhalten, dass das Gewährleistungsrecht mit der Novellierung wesentlich komplizierter geworden sei, sagt Martin Spitzer. Jetzt müssten Konsumentinnen und Konsumenten genau darüber Bescheid wissen, welche Leistung sie erhalten haben und welches Gesetz deswegen zur Anwendung komme. „Je nachdem, was man erworben hat, kommen andere Gesetze zur Anwendung“, erläutert der Jurist. Bei einem Privatverkauf gilt nur das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Beim Erwerb beweglicher Sachen von einem Unternehmer, also beim klassischen Warenkauf oder beim Erwerb von digitalen Leistungen gilt das sogenannte Verbrauchergewährleistungsgesetz.

Beim Kauf unbeweglicher Sachen von einem Unternehmer oder einer Dienstleistung von einem Unternehmer gilt das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch mit Einsprengseln aus dem Konsumentenschutzgesetz. „Das heißt, es ist wirklich nicht mehr so einfach“, resümiert Spitzer. Und Verbraucherschützer kritisieren die ambitionslose Umsetzung des Gesetzes: Man erfülle gerade einmal die Mindestvorgaben der Europäischen Union – andere europäische Länder hätten, gerade mit Blick auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, deutlich längere Gewährleistungsfristen.