Eine Raucherin zündet sich eine Zigarette an.
APA/dpa-Zentralbild/Arno Burgi
APA/dpa-Zentralbild/Arno Burgi

Geruchsbelästigung: Wenn der Nachbar ständig qualmt

Bei Beschwerden zu Geruchsbelästigungen in der Wohnung geht es meist um rauchende Nachbarn. Nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) können Geruchsbelästigungen nur dann untersagt werden, wenn sie „die ortsübliche Benutzung der Wohnung wesentlich beeinträchtigen“. Eine zahnlose Vorschrift, findet die Arbeiterkammer (AK). In der Praxis könne man meist nur versuchen, sich mit den Nachbarn irgendwie zu einigen – oder vor Gericht ziehen.

Rund zehn Fälle von Geruchsbelästigung pro Monat erreichen die Konsumentenberatung der AK Niederösterreich: dann geht es um unangenehme Küchengerüche oder volle Windeln in der Tonne, in den allermeisten Fällen aber um Zigaretten-, Zigarren- oder Pfeifenrauch. In Wohnungen genauso wie in Doppelhaushälften oder nah aneinander gebauten Einfamilienhäusern.

In den meisten Fällen wird auf dem Balkon oder bei offenem Fenster geraucht. Von dort zieht es dann in die Wohnungen darüber, sagt Jurist Wolfgang Motz gegenüber help.ORF.at. Er ist Experte für Wohnrecht bei der Arbeiterkammer Niederösterreich. Manchmal würden Raucherinnen und Raucher ihre Wohnungen auch über den Gang lüften, von wo aus der Rauch dann in die anderen Wohnungen eindringt.

AK: ABGB ist bei Gerüchen schwammig

Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch untersagt Geruchsbelästigungen nur dann, wenn „die ortsübliche Benutzung der Wohnung wesentlich beeinträchtigt ist“. Eine schwammige Formulierung, meint AK-Jurist Wolfgang Motz. Rund ein Viertel der Fälle, die bei der Arbeiterkammer landen, werden erst vor Gericht gelöst. So hat der OGH im Jahr 2016 den Fall eines Zigarrenrauchers auf einer Terrasse im Ersten Bezirk in Wien so gelöst, dass der Mann nur noch außerhalb genau definierter Essens- und Ruhezeiten rauchen durfte. Eine Einzelfallentscheidung, die sich nicht auf andere Fälle umlegen lässt.

Eine Hand hält eine Zigarre
APA/dpa/Maurizio Gambarini
Urteile gegen Rauchbelästigung bleiben Einzelfallentscheidungen

Bevor Betroffene Klage einreichen, wenn der Nachbar Gartenabfälle verbrennt, das Katzenkistl im ganzen Haus zu riechen ist oder auf dem Balkon unter dem Wohnzimmerfenster gegrillt oder geraucht wird, empfiehlt Wolfgang Motz, einen Mediator beizuziehen. Bei der Hälfte der Betroffenen, die von der AK beraten werden, würde aber schon eine mündliche Aussprache unter den Nachbarn das Problem lösen, so Wolfgang Motz.

Klärendes Gespräch unter Nachbarn

Er rät zu einem sachlichen, ruhigen Ton: „Ohne konkrete Vorwürfe klar zu machen, dass man das Bedürfnis des Rauchers zwar verstehe, aber hier schwappe das zu sehr in die eigene Sphäre über“, so Motz. Er rät dazu, vorzuschlagen, sich in der Mitte zu treffen. Wer untertags arbeitet, könne darum bitten, dass abends, wenn man heimkommt, lüften, kochen und essen möchte, nicht geraucht wird. „Man kann sich schon arrangieren“, so der AK-Jurist.

"Gerüche stören die Menschen seit einigen Jahren verstärkt. Es scheint, die Empfindsamkeit der Leute ist größer geworden“, sagt der Unweltanalytiker Peter Tappler im Gespräch mit help.ORF.at. Er erstellt seit 20 Jahren österreichweit private und gerichtlich angeordnete Gutachten zu Geruchsbelästigungen.

Bratwürste liegen auf einem Grill in einem Garten.
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt
Fett und Holzkohle: Dauergrillen kann lästig werden

Rauch stört am meisten nachts

Am größten sei die Belästigung durch Zigarettenrauch während der Nachtruhe. Schon eine kurzfristige Raucheinwirkung sei in der Nacht extrem störend und könne zu Schlafstörungen führen, so Tappler. Auch das unfreiwillige Passivrauchen sei für Betroffene ein Thema, da man wisse, dass in Tabakrauch eine Reihe von krebserzeugenden und gesundheitsschädlichen Stoffen enthalten ist. Mehr als die gesundheitliche Beeinträchtigung werde aber die Störung des Wohlbefindens wahrgenommen, so der Geruchsgutachter.

Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, zu denen der Umweltanalytiker für die Erstellung von Gutachten herangezogen wird, geht es meist um Zigarettenrauch, der über den Innenraum des unteren Stockwerks in die darüber liegende Wohnung eintritt, so Tappler. Grund dafür seien Bauschäden, die die Luftdichtigkeit des Gebäudes beeinträchtigen.

Baumängel häufige Ursache für wabernde Gerüche

Um zu erfassen, wo genau der Rauch von einer Wohnung in die andere durchdringen kann, setzt Peter Tappler im unteren Stockwerk Spurengas aus. Im Wohnraum darüber kann er dann messen, an welchen Stellen es Durchtrittswege gibt.
700 bis 800 Euro kostet ein privates Geruchsgutachten bei Peter Tappler. Neben Zigarettenrauch geht es dabei auch um Geruchsbelästigung durch Tierurin oder Kochgerüche.

Häufig seien Undichtigkeiten im Bereich von Schächten zu finden, aber auch, wenn durch die Bewohner Zwischendecken eingezogen wurden. Über die Verankerungen dieser Decken gehe dann der Geruch in die obere Wohnung, so Tappler. Beschädigte Schächte müssten vom Eigentümer des Bauwerkes repariert werden, Schäden in der Zwischendecke, die durch den Mieter verursacht wurden, müsse dieser bezahlen, so Peter Tappler. Die Luftdichtigkeit der Decke sei schon aus Brandschutzgründen verpflichtend.