Themenbild Digitalpianos – Kawai CA-49
Kawai
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Fast wie ein Konzertflügel: Digitalpianos im Test

Wer auf einem hochwertigen Konzertflügel spielen möchte, muss sich heutzutage keinen Bösendorfer leisten. Digitalpianos können den Klang der legendären Instrumente in hoher Qualität reproduzieren und sind auch unter 100.000 Euro zu bekommen. Die deutsche Stiftung Warentest hat elf Digitalpianos zum Preis von 1.000 bis 6.000 Euro angespielt.

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Bei digitalen Tasteninstrumenten unterscheidet man zwischen verschiedenen Kategorien. Etwa Home-Keybords, Midi-Keyboards, Synthesizer, Workststions oder eben Digitalpianos. Wer gerne mit Klängen experimentiert, Drum ’n’ Bass-Sounds oder sphärische Klangteppiche produzieren möchte, wird in den ersten vier Kategorien sicher fündig werden. Digitalpianos sind hingegen für Pianisten und solche, die es werden wollen, gedacht, sagt Markus Bautsch, er ist Audioexperte bei der Stiftung Warentest. Wer echte Klavierliteratur spielen möchte, sollte zum Digitalpiano greifen, weil nur diese elektronischen Instrumente eine wirkliche Flügeltastatur und das damit verbundene Spielgefühl nachahmen können, so Bautsch.

Steinway und Bösendorfer als akustisches Vorbild

Hinsichtlich ihrer Spielweise sind Klaviere Tasteninstrumente. Wenn man die Tonerzeugung betrachtet, sind Pianos und Konzertflügel aber eigentlich Saiteninstrumente. Die Klänge werden erzeugt, indem ein Filzhammer mehr oder weniger stark auf eine Saite schlägt. Bei Digitalpianos läuft dieser Prozess digital ab. Die Geräte sind äußerlich meist einem Standklavier nachempfunden, können aber wie ein ausgewachsener Konzertflügel klingen. Die verwendeten Soundsamples stammen nämlich tatsächlich von den großen analogen Vorbildern.

Hammermechanik eines digitalen Hybridpianos (Kawai Novus NV5S)
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Hybridpianos verfügen über eine echte Hammermechanik, statt der Saiten kommen Sensoren zum Einsatz

Die Klänge werden in Tonstudios von echten Steinway oder Bösendorfer Instrumenten eingespielt und mit hochwertigen Mikrophonen und modernster Aufnahmetechnik abgenommen. Die resultierenden Sounds können über Lautsprecher oder Kopfhörer wiedergegeben werden, wobei die Wiedergabe über Kopfhörer meist das bessere Hörerlebnis biete, so Bautsch. Anfänger können auf diese Weise die Ohren der Nachbarn schonen, die Spielerinnen und Spieler selbst können den Klavierstimmer sparen, was wiederum die Geldbörse entlastet. Wer hochwertige Soundsamples über ebenfalls hochwertige Kopfhörer abspielt, habe das Gefühl, an einem teuren Konzertflügel zu sitzen, sagt Markus Bautsch.

Gewichtete Tastaturen sorgen für gutes Spielgefühl

Auch bei den Tastaturen habe es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben, so der Experte. Bei akustischen Instrumenten müssen beispielsweise die Tasten im Bassbereich stärker angeschlagen werden, weil Bassseiten dicker sind und mehr Energie auf die Seite übertragen werden muss, um einen tiefen Ton zu spielen. Anders als reine Keyboards verfügen Digitalpianos über gewichtete Tastaturen, die dieses Spielgefühl nachahmen können.

Im Test vertreten waren auch zwei so genannte Hybridpianos. Das Yamaha AvantGrand NU1X um etwa 4.500 Euro und das Kawai Novus NV5S um rund 6.000 Euro. Sie waren die teuersten Instrumente im Test, verfügen aber über echte Klaviermechanik mit Hämmern aber ohne Saiten. Die Hämmer schlagen ins Leere, wobei spezielle Sensoren erfassen, wie schnell die Tasten angeschlagen wurden und wie tief sie gedrückt wurden.

Yamaha CLP-735
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Der Testsieger Yamaha Clavinova CLP-735 klingt sowohl über Kopfhörer als auch über Lautsprecher gut

Stiftung-Warentest-Testsieger aus dem Hause Yamaha

Die Mechaniken eines Hybridpianos sind meist in der Bauweise eines aufrecht stehenden Klaviers angeordnet. Das Spielgefühl unterscheidet sich also von dem eines normalen Homepianos, das einem Konzertflügel nachempfunden ist. Wer das Spielgefühl am Konzertflügel bevorzugt, kann sich also das Hybridpiano und damit auch mindestens 2.500 sparen. Ein Flügel lasse sich differenzierter spielen, was Lautstärke und Dynamik betrifft, so Bautsch: „Hier können wesentlich günstigere Modelle nicht nur mithalten, sondern sogar besser sein.“

Elf Modelle wurden sowohl von professionellen als auch von Hobbypianisten angespielt und bewertet. Testsieger mit der Gesamtnote „Gut“ ist das Yamaha Clavinova CLP-735. Sowohl die Bespielbarkeit als auch die Handhabung wurden mit „Gut“ bewertet, auch der Stromverbrauch sei niedrig. Das Gerät ist mit einem Ladenpreis von rund 2.000 Euro zwar nicht unbedingt günstig, die verbaute Technik sei das Geld aber allemal wert, sagt Bautsch.

„Geräte ab 1.000 Euro sind ihr Geld oft wert“

Platz zwei geht an das Modell Kawai CA49, den dritten Rang sicherte sich das Roland HP 704. Die Hybridpianos von Kawai und Yamaha wurden ebenfalls mit „Gut“ bewertet und erreichten exakt die gleiche Punktzahl (2,1), wobei das Modell von Yamaha rund 1.500 Euro günstiger ist und beim Klang minimal besser abschnitt.

Kind spielt auf einem Digitalpiano
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Ein guter Klang und ein angenehmes Spielgefühl erhalten die Spielfreude bei Kindern

Als günstigstes gutes Gerät empfiehlt die Stiftung Warentest das Modell Yamaha Arius YDP-164 um etwa 1.000 Euro. Natürlich gibt es auch billigere Digitalpianos ab etwa 150 Euro auf dem Markt, von denen dürfe man sich aber klanglich und spieltechnisch nicht zu viel erwarten, sagt der Audioexperte der Stiftung Warentest.

Wer beispielsweise einem Kind ein Digitalpiano unter den Christbaum stellen möchte, sollte sich nach Möglichkeit nicht vom Sparstift leiten lassen, so Bautsch, „um den Spaß bei musikalischen Kindern nicht gleich in die Schranken zu weisen.“ Ein Instrument, das einen guten Klang hat und sich differenziert spielen lässt, wirke positiv auf die Motivation der Kinder. „Je mehr Spaß junge Spielerinnen und Spieler am Klavierspiel haben, desto länger werden sie auch dabeibleiben.“ Man könne außerdem davon ausgehen, dass hochwertige Instrumente um 1.000 oder 2.000 Euro einen guten Wiederverkaufswert erzielen können, sollte die Begeisterung nachlassen und das Gerät Staub ansetzen, so der Stiftung-Warentest-Experte.