Eine Frau dreht am Thermostat einer Heizung
APA/dpa
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Massenkündigung bei Stromanbietern: Was Betroffene tun können

Viele Energieversorger schicken ihren Kundinnen und Kunden derzeit Schreiben mit teilweise saftigen Preiserhöhungen. Werde der Preiserhöhung nicht zugestimmt, droht die Kündigung trotz oftmals bestehender Preisgarantien von einem Jahr und mehr. Für den Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist das gesetzwidrig. Was Betroffene jetzt tun sollten.

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Konsumentenschutzeinrichtungen sind mit einer Beschwerdeflut konfrontiert. Stromanbieter erhöhen ihre Preise um 100 Prozent und mehr. Wer den Preiserhöhungen nicht zustimmt, werde nach Ablauf von acht Wochen gekündigt werden, die gegenwärtig hohen Energiepreise ließen keine andere Wahl, wird den Kundinnen und Kunden mitgeteilt.

AK sieht Verstöße bei Stromlieferanten

„Ob man die Preiserhöhungen oder die Vertragskündigung akzeptieren muss, hängt vom Einzelvertrag ab“, so Juristin Bettina Schrittwieser, die Leiterin der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer (AK) Steiermark. Zumindest bei Enstroga sei das Vorgehen ihrer Ansicht nach eindeutig gesetzwidrig.

So schloss beispielsweise ein Enstroga-Kunde am 1. September 2021 einen Vertrag mit zwölfmonatiger Preisgarantie ab. Doch bereits Mitte Oktober erhielt er ein Schreiben des Händlers, in dem er von der Erhöhung des Preises erfuhr. Dazu die Ankündigung: Sollte er nicht zustimmen, werde er gekündigt.

Wer sich nicht äußert, stimmt nicht automatisch zu

In zwei Punkten verstoße Enstroga mit dieser schriftlichen Ankündigung gegen ihren eigenen Vertrag, so Schrittwieser. Einerseits würde damit die einjährige Preisgarantie nicht eingehalten, andererseits dürfe der Vertrag auch nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Firma nicht gekündigt werden. Dennoch würde mit dem Schreiben jetzt beides angekündigt.

„Überdies wird den Konsumenten auch noch gesagt: ‚Wenn du dich nicht bis zu einem gewissen Termin äußerst, nehmen wir deine Nichtäußerung als Zustimmung‘“, so die AK-Juristin. Das sei nicht erlaubt. Juristisch sei dieses Vorgehen eine „Erklärungsfiktion“. Das bedeute, man unterstelle, dass ein Konsument der Preiserhöhung zustimme, wenn er sich nicht meldet. Genau das dürfe man aber nicht annehmen, so die Konsumentenschützerin.*

Schriftlich beeinspruchen

AK-Juristin Schrittwieser empfiehlt Betroffenen, in solchen Fällen den Stromanbieter anzuschreiben, am besten mit einem eingeschriebenen Brief. „Es muss nachweisbar sein, dass der Konsument dem Unternehmen mitteilt, dass er weder der Preiserhöhung noch der Kündigung des Vertrages zustimmt.“ Außerdem müsse in dem Schreiben enthalten sein, dass der Konsument auf Einhaltung des Vertrages besteht. Dennoch sei es möglich, dass der Stromanbieter daraufhin trotzdem den höheren Preis verrechnet.

Tritt das ein, habe man zwei Möglichkeiten, so die Juristin. Man bezahlt weiterhin den niedrigeren, vertraglich zugesicherten Preis. Dabei riskiert man aber, dass der Vertrag vonseiten des Stromanbieters gekündigt wird. Die zweite Möglichkeit: Man bezahlt den höheren Preis.

Wer sich sich dafür entscheidet, sollte das aber nur unter einem ausdrücklichen Vorbehalt tun, so Schrittwieser. Auch das sollte schriftlich kommuniziert werden. „Ich zahle den höheren Preis nur unter Vorbehalt. Diese zwei Wörter reichen aus: ‚Unter Vorbehalt‘“, so die Juristin. Damit bleibe die Möglichkeit offen, den Unterschiedsbetrag von dem vereinbarten Preis zu dem höheren Preis im Nachhinein einzufordern.

Anspruch auf Schadenersatz

Dasselbe gelte übrigens auch, wenn man sich einen anderen Anbieter sucht, so die Juristin. Für jeden Euro, den man dort mehr zahlt, als die Preisgarantie im alten Vertrag vorsieht, habe man Anspruch auf Schadenersatz. Wichtig sei dabei: Auch über einen geplanten Anbieterwechsel sollte der bestehende Stromanbieter schriftlich informiert werden. Etwa in der Form: „Man sehe sich gezwungen, den Anbieter zu wechseln, um Nachteile von sich abzuwenden.“

Ohne Strom dazustehen, brauche aber niemand zu fürchten, beruhigt die E-Control. Die Versorgung sei gesichert: Selbst bei Insolvenz eines Stromanbieters würden die Kunden anderen Anbietern zugeordnet. Diese könnten sie selbstverständlich auch weiter selbst auswählen, so die E-Control.

VKI prüft Klagen gegen Enstroga und Maxenergy

Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat bereits interveniert – und zwar ebenfalls bei Enstroga und dem Stromlieferanten Maxenergy. Auch Maxenergy habe Verträge vor Ablauf der Preisgarantie von in diesem Fall sogar 18 Monaten gekündigt. Laut Maxenergy sei das rechtlich in Ordnung, da die Verträge nicht vor Ablauf der einjährigen Mindestvertragsdauer gekündigt worden seien. Die längere Preisgarantiefrist führe nicht zu einer Vertragsverlängerung.

VKI pocht jedoch auf die Einhaltung aller Fristen: Sowohl Maxenergy als auch Enstroga wurden schriftlich dazu aufgefordert, ihre Kündigungen zurückzunehmen, so Thomas Hirmke, Leiter der Rechtsabteilung des VKI. Sollten die Kündigungen oder die Preisänderungen bis Anfang kommender Woche nicht zurückgenommen werden, werde man überlegen, welche rechtlichen Schritte man setzen werde.

„Es gibt verschiedene Klagsmöglichkeiten – eine Verbandsklage oder Einzelklagen“, so Hirmke. Das Ziel des VKI sei jedenfalls die Durchsetzung der Preisgarantie. Außerdem möchte man für die Konsumenten Schadenersatzansprüche geltend machen, so der Jurist. Dass auch Kundinnen und Kunden, die über die VKI-Aktion „Energiekosten-Stop“ mit dem Anbieter Easy Green Energy Verträge abgeschlossen haben, frühe Kündigungen erhalten, sei sehr ärgerlich, wenn auch rechtlich nicht angreifbar, heißt es beim VKI.

AK: Stromproduzierende Anbieter wählen

Energiereferent Karl-Heinz Kettl von der AK Steiermark ist davon überzeugt, dass auf die fünf Anbieter, von denen in den letzten Wochen bekanntwurde, dass sie ihre Konsumenten kündigen wollen, bis zum Frühjahr viele weitere folgen werden. Besonders gefährdet sieht er Stromanbieter, die den Strom nur handeln.

Wer seinen Anbieter wechseln möchte, dem empfiehlt er, sich für Firmen zu entscheiden, die selbst Strom produzieren. „Weil diese ihre Anlagen selbst in der Hand haben und den Strom nicht am Großhandelsmarkt einkaufen müssen“, so Kettl. Damit sei auch der Preis für die Belieferung der Endkunden stabiler. Als Beispiele für stromproduzierende Anbieter nennt Kettl Stadtwerke, Landesenergieversorger, aber auch neuere Betreiber von Windparks bzw. Solaranlagen.

*(In einer früheren Version dieses Artikels könnte der Eindruck entstanden sein, der Vorwurf der Erklärungsfiktion und unrechtmäßiger Vertragskündigungen erstreckte sich auch auf Maxenergy. Das ist nicht zutreffend. Wir entschuldigen uns für eventuell entstandene Missverständnisse.)