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AFP / OLIVIER DOULIERY
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Streaming weniger klimaschädlich als angenommen

Videostreaming verursache pro Jahr mittlerweile genauso viele CO2-Emissionen wie ganz Spanien. Zu diesem Schluss kamen Berechnungen, die 2019 publiziert worden sind. Die Meldung machte Schlagzeilen, und schnell war vom „Klimakiller Netflix“ die Rede. Eine Studie der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft kommt zu anderen Ergebnissen. Demzufolge ist Streaming weniger klimaschädlich als gedacht.

Die 2019 veröffentlichte Studie des französischen Thinktanks „The Shift Project“, sorgte unter Videofans für Aufregung. Eine halbe Stunde Streaming verursache 1,6 Kilogramm Kohlendioxid, was einer Autofahrt von 6,2 Kilometern entsprechen würde. Clemens Rohde vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe kritisiert die Berechnungen der Franzosen.

Klimaschädlichkeit von Netflix und Co. wurde übertrieben

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Man sei von möglichst ungünstigen Parametern ausgegangen, die Studie habe außerdem Berechnungsfehler aufgewiesen, so der Leiter des Geschäftsfelds Energieeffizienz des ISI. Die kommunizierten Zahlen seien deutlich überschätzt. Und auch wenn Streaming wie alle Energiedienstleistungen negative Auswirkungen auf die Umweltbilanz habe, sei der Anteil, den das Übertragen von Onlinevideos auf die Kohlendioxid-Emissionen (CO2) habe, doch deutlich überbewertet worden, so Rohde.

Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) in Berlin hat in Kooperation mit dem Öko-Institut und dem deutschen Umweltbundesamt nun erstmals eine Studie vorgelegt, die nicht auf geschätzten, sondern auf tatsächlich gemessenen Werten basiert. Die Berechnungen leiten sich aus Daten, die in Rechenzentren gemessen wurden, und aus Datenblättern ab.

Glasfaserkabel
APA/dpa-Zentralbild/Jan Woitas
Videostreaming über eine Glasfaserleitung erzeugt nur zwei Gramm CO2 in der Stunde

Neue Studie entlastet Netflix und Co.

Anhand dieser Daten ließ sich der Energieverbrauch aller Teilaspekte des Streamings ableiten, so Rohde: „Man modelliert den Übertragungsprozess und schaut sich an, wie viel Energie in diesen einzelnen Prozessschritten verbraucht wird. Diese Ergebnisse lassen sich dann in die entsprechenden CO2-Äquivalente umrechnen.“

Die Ergebnisse der Berliner Kollegen hätten gezeigt, dass die Internetübertragung von Onlinevideos weit weniger klimaschädlich sei als gedacht. Auch Privatanwender und Anwenderinnen können einiges tun, um den ökologischen Fußabdruck beim Streaming gering zu halten, sagt Rohde. Hier komme es vor allem auf die verwendeten Endgeräte und die Art der Internetverbindung an.

Glasfaserleitung hat bessere Klimabilanz als Mobilfunk

Wer zum Beispiel ein Glasfaserkabel mit WLAN oder eine DSL-Leitung nutzt, produziert beim Streamen etwa zwei Gramm CO2 pro Stunde. Nimmt das Netz die letzten Meter bis zum Endkunden über ein Kupferkabel, wie das in Österreich üblich ist, werden vier Gramm fällig. Zum Vergleich: Der direkte CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen PKW liegt nach Informationen des Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bei 167 Gramm pro Kilometer. Wer beim Autofahren zwei bis vier Gramm CO2 emittiert, käme damit also nur wenige Meter weit.

Schlechter kann es mit der Klimabilanz ausschauen, wenn Videos über das Mobilfunknetz übertragen werden, weil die Daten dann per Funk über weite Strecken transportiert werden müssen. In so einem Fall kann der CO2-Ausstoß bis zu 90 Gramm pro Stunde betragen. Insbesondere das mittlerweile in weiten Teilen Europas abgeschaltete UMTS-Netz (3G) habe eine sehr schlechte CO2 Bilanz, sagt Rohde. Der weit gebräuchlichere 4G-Standard (LTE) sei in dieser Hinsicht schon deutlich besser.

5G-Mast
APA/dpa/Oliver Berg
5G-Ausbau kann helfen, die mobile Übertragung von Videos klimafreundlicher zu gestalten

Höhere Zahl an Basisstationen reduziert Stromverbrauch

Der 5G-Standard werde weitere Verbesserungen bringen und sich den Werten einer kabelgebundenen Internetverbindung schrittweise annähern, erklärt der Experte. Einerseits seien hier modernere Bauteile im Einsatz, und auf der anderen Seite verfügen 4G- und 5G-Netze über eine höhere Zahl an Basisstationen. Auf diese Weise würden die zu überbrückenden Funkstrecken verkürzt, was eine positive Auswirkung auf den CO2-Ausstoß habe, so Rhode.

Tatsache ist aber natürlich, dass das Internet Strom benötigt. Und zwar eine ganze Menge davon. Beim Streamen kommen hier mehrere Aspekte zum Tragen. Etwa die Energie, die von den Rechenzentren der Anbieter benötigt wird, um die Server zu betreiben und auch zu kühlen. Dazu kommt der Energieverbrauch der Endgeräte, also etwa der Fernseher, Computer und Router, sowie der Energiebedarf, der bei der Übertragung der Videodaten an Anwenderinnen und Anwender entsteht.

Niedrigere Auflösung verringert Öko-Fußabdruck

All diese Dinge verbrauchen Strom und tragen damit zum CO2-Ausstoß bei. Für die CO2-Bilanz ist also nicht zuletzt entscheidend, wie der Strom produziert wird. Netflix beispielsweise gibt in seinem Nachhaltigkeitsbericht an, die Server zunehmend mit erneuerbaren Energien zu betreiben oder CO2-Zertifikate zuzukaufen. Aus Sicht von Clemens Rohde sind diese Aussagen durchaus glaubhaft, und auch andere Streaming-Anbieter wie Amazon oder Disney würden mittlerweile nach Wegen suchen, um klimaschonender zu arbeiten.

Smartphone Display mit Apps – Spotify
AFP / CHRIS DELMAS
Wer Musik streamt, ohne den dazugehörigen Videoclip zu übertragen, part CO2 und schont somit die Umwelt

Insofern spiele es aus Verbrauchersicht keine wesentliche Rolle, welcher Anbieter gewählt wird. Für Konsumentinnen und Konsumenten sei vor allem die Art der Datenübertragung und die Wahl der genutzten Endgeräte entscheidend, so Rohde. Wer energiesparende Geräte verwendet, also etwa ein Tablet anstelle eines hochauflösenden Großbildfernsehers, spart Strom und CO2. Auch sollte man nach Möglichkeit eine geringere Auflösung für die Übertragung der Videos wählen.

Klimaneutrales Netz durch erneuerbare Energien?

Das Internet und damit auch Streaming benötigen wie erwähnt in erster Linie Strom, um zu funktionieren. Der Ressourcenverbrauch, der etwa für die Produktion einer DVD notwendig ist, spielt kaum eine Rolle. Wie klimaschonend das Übertragen von Onlinevideos einmal sein wird, wird also letztlich auch davon abhängen, wie schnell und effizient erneuerbare Energien ausgebaut werden. Ressourcen für klimaschonende Stromproduktion stehen reichlich zur Verfügung. Auch in Zukunft werde Wasserkraft nutzbar sein, die Sonne werde scheinen und der Wind wird wehen, so Rohde.

Das aktuelle Problem bei erneuerbaren Energien sei, dass diese nicht zu jeder Zeit im gleichen Maße zur Verfügung stehen, so der Experte. Die Herausforderung sei es, den Sektor der erneuerbaren Energien in einer Art und Weise auszubauen, dass diese gleichmäßig nutzbar sind und auch stromintensive Anwendungen damit versorgt werden können. Wenn dies gelänge, könnte in Zukunft komplett emissionsfrei gestreamt werden.