Screenshot des Instagram-Accounts von Protz-Millionär Walter Temmer
Screenshot instagram.com/walter_temmer/
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Schnell reich werden: Abzocke mit Coachingvideos

Auf Instagram und Youtube buhlen derzeit viele selbst ernannte Coaches um die Aufmerksamkeit der jungen Menschen. In Werbevideos versprechen sie schnelles Geld ohne große Anstrengung, wie das funktioniert, erfahre man in Onlinekursen bzw. Onlinecoachings. Doch statt mit schnellem Reichtum werden die Kunden erst einmal mit hohen Geldforderungen konfrontiert. Denn die Lernvideos kosten und die Kursanbieter tricksen, um die Kunden nicht mehr aus dem Vertrag zu lassen.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Schon seit ein paar Monaten folgte eine junge Wienerin auf Instagram dem österreichischen Unternehmer Walter Temmer. Der Steirer hat es nach eigenen Angaben mit dem Verkauf von Internetadressen zum Multimillionär gebracht, und zeigt auf Instagram gern was er hat: Seine Freundin, sein Schlafzimmer mit drehbarem Bett, seinen Pool, seinen Weinkeller und natürlich seine grellbunten Luxuskarossen.

„Get rich quick“-Märchen

In den Texten unter den Fotos und Videos kommt immer wieder die Aufforderung, wer wissen wolle, wie Temmer es vom schlechtesten Schüler der Klasse zum Millionär geschafft hat, solle ihm eine private Nachricht mit dem Stichwort „Mentor“ schreiben.

Genau das machte die 20-Jährige. Schnell bekam sie einen Termin für ein Erstgespräch, nicht mit Temmer selbst, aber mit einem seiner Mitarbeiter, einem so genannten „Coach“.

Screenshot des Instagram-Accounts von Protz-Millionär Walter Temmer
Screenshot instagram.com/walter_temmer/

Rhetorisch geschulte Coaches machen Druck

Der Coach rief zum vereinbarten Zeitpunkt an und plauderte erst einmal freundlich mit der jungen Frau. „Er hat mich gefragt, was ich so mache und warum ich mich dafür interessiere. Dann hat er mir das Ganze kurz erklärt und betont, dass es schon viele zufriedene Kunden gibt. Er war wirklich sehr nett und freundlich,“ so die Wienerin gegenüber help.ORF.at. Der Coach gab weiter an, ein guter Freund von Walter Temmer zu sein und die Interessentin dabei unterstützen zu können, auch Partner von Temmer zu werden.

Nach einer Stunde Plauderei am Videotelefon dann das Angebot: Knapp 3.900 Euro sollte die junge Frau für die so genannte „Masterclass – Geld verdienen mit Domains“ bezahlen. Dafür bekomme sie weiterhin Videos und persönliche Tipps vom Profi für den erfolgreichen Handel mit Internetadressen.

Vertragsunterzeichnung noch am Telefon

Als die Wienerin sich eine Nacht Bedenkzeit erbat, wurde der Ton des Coaches schon forscher: „Entweder jetzt oder du hast Pech gehabt.“ Die 20-Jährige ließ sich überreden und willigte ein. Unter Anleitung des Coaches füllte sie noch während des Gesprächs das entsprechende Bestellformular aus. „Er hat mir gesagt, was ich ankreuzen soll,“ so die Frau. Mit dem Klick auf „bestellen“ war das zuvor sehr freundschaftliche und lange Gespräch plötzlich zu Ende.

Screenshot des Instagram-Accounts von Protz-Millionär Walter Temmer
Screenshot instagram.com/walter_temmer/

Widerrufsrecht ist zwingendes Recht

Als sie ihren Eltern davon erzählte, kamen ihr Zweifel am soeben bestellten Coaching. Sofort schickte die junge Wienerin ein E-Mail an das Walter-Temmer-Team und erklärte ihren Rücktritt vom Vertrag. Was sie nicht wusste: Beim Ausfüllen des Bestellformulars zusammen mit dem Coach, hatte sie offenbar ein Kästchen angehakerlt, laut dem sie auf ihr Widerrufsrecht verzichte.

Darauf berief sich nun auch das Walter-Temmer-Team: Ein Storno sei wegen des Verzichts auf das Widerrufsrecht nicht möglich. Erstmals erfuhr die Wienerin nun auch, dass sie ihren Vertrag formal garnicht mit Walter Temmer, sondern mit der Plattform Copecart – einem Dienstleister für solche Onlineverträge – abgeschlossen hat.

Kein Verzicht auf Rücktrittsrecht möglich

Das ändere aber nichts daran, dass die junge Frau ein Widerrufsrecht habe, erklärt Reinhold Schranz vom Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) im Verein für Konsumenteninformation (VKI).

Wenn man im Internet einen digitalen Inhalt oder eine Ware erwirbt, hat man in der Regel ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. „Das ist ein zwingendes Recht, das heißt, der Konsument kann nicht zu seinem Nachteil darauf verzichten – auch nicht, wenn er ein entsprechendes Kästchen anhakt. So ein Verzicht ist unwirksam“, so Schranz.

Ausnahme: Wird die gesamte Leistung sofort erbracht, kann das Widerrufsrecht durchaus verloren gehen. Dies ist zum Beispiel beim Kauf und sofortigen Download eines E-Books oder einer Software der Fall. Der Verkäufer muss aber auch in solchen Fällen den Kunden klar darauf aufmerksam machen, dass mit der sofortigen Vertragserfüllung das Widerrufsrecht erlischt, der Kunde muss aktiv zustimmen und er muss die Vertragsunterlagen vor dem Download per E-Mail zugesandt bekommen.

Doppelbestätigung bei Ferngeschäften ein Muss

In vielen Fällen, wie auch dem der jungen Wienerin, kommt laut dem Konsumentenschützer zudem erst gar kein wirksamer Vertrag zustande. Denn für Geschäfte, die am Telefon, im Chat oder via Videogespräch abgeschlossen werden, gibt es besondere Vorschriften im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz.

Demnach gilt die Doppelbestätigung, das bedeutet der Verkäufer muss dem Konsumenten nach dem Gespräch das Angebot per E-Mail zukommen lassen und dieser muss es dann auch per E-Mail annehmen. Das soll den Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit geben, das Angebot mit allen wichtigen Eckdaten nochmal in Ruhe durchzulesen und ohne Druck darüber zu entscheiden.

Wird diese Doppelbestätigung nicht eingehalten, sind die Konsumenten nicht an den Vertrag gebunden und auch zu keinen Zahlungen verpflichtet.

Keine Stellungnahme von Walter Temmer

Der Konsumentenschützer geht davon aus, dass das auch im Fall der betroffenen Wienerin so ist und die 20-jährige nichts bezahlen muss.

Help.ORF.at hat zudem bei Walter Temmer nachgefragt, was er zu den Vorwürfen sagt. Ohne Erfolg. Eine Antwort hat die Redaktion nicht bekommen.

Rasch rechtliche Unterstützung holen

Jurist Reinhold Schranz rät Konsumenten, die in die Coaching-Falle getappt sind, etwaige Rechnungen und Mahnungen nicht zu bezahlen, aber auch nicht zu ignorieren, sondern rasch rechtlich prüfen zu lassen.

„Am besten wenden Sie sich an eine Verbraucherschutzorganisation wie das EVZ. Wir prüfen kostenlos die Vertragssituation und können dann im Bedarfsfall bei den betroffenen Firmen intervenieren,“ so Schranz.