Alte Fahrräder hängen an einer Fassade
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Zweites Leben für alte Drahtesel: Umrüsten auf E-Bike

Mit dem Boom der Elektrofahrräder entsteht bei immer mehr Menschen der Wunsch, ihr lieb gewonnenes Fahrrad mit einem Elektromotor auszustatten. Die nachgerüsteten Fahrräder stehen in der Qualität den E-Bikes von der Stange um nichts nach, sofern der Umbau professionell durchgeführt wird, sagen Fachleute.

Der Fahrradmechaniker Michael Ratka, Betreiber des Fahrradgeschäfts „backwind“ in Wien-Meidling, baut seit 15 Jahren Fahrräder zu E-Bikes um. Seine Kundinnen und Kunden kommen mit Rädern zu ihm, die sie seit vielen Jahren fahren. Viele schaffen es körperlich nicht mehr, mit dem Rad einen Berg hinauf zu fahren und wollen deshalb einen Elektromotor einbauen. „Das ist auch aus nachhaltiger Sicht sehr interessant, weil das vorhandene Rad erhalten und nicht entsorgt wird“, so Ratka.

Radnabenmotoren für Stadt- und Tourenradler

Für Citybikes oder Tourenfahrräder empfiehlt der Fahrradmechaniker Radnabenmotoren, die direkt auf der Achse sitzen. Die Stärke des Motors können Kunden nach ihren individuellen Fahrbedürfnissen auswählen. Die Kraft eines durchschnittlichen Fahrradfahrers entspricht einer Leistung von 100 Watt, so Michael Ratka. Entscheidet sich ein Kunde für einen Motor mit 300 Watt ist es, als würden drei Menschen sein Fahrrad fahren, bei 500 Watt tritt er mit der Kraft von fünf Personen in die Pedale. Im Straßenverkehr sind Motoren bis zu 600 Watt Maximalleistung erlaubt, die bis höchstens 25 km/h mithelfen dürfen.

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dpa
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Älteren Menschen, die ihr Fahrrad für Kurzstecken verwenden, etwa um einzukaufen, rät Michael Ratka von einem 500-Watt-Motor ab: „Der reagiert zu spontan, das kann man dann nicht mehr so leicht handhaben.“ Leistungsfähigere Motoren seien wesentlich schneller beim Anfahren, auch wenn sie bei 25 km/h abriegeln, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Ansprechverhalten sei besser und man habe mehr Spontankraft: „Das eignet sich etwa für einen aktiven 25-Jährigen, der von Null auf 25 km/h in zwei Sekunden beschleunigen möchte“, so Ratka.

Mittelmotor für den Berg

650 bis 1.700 Euro kostet ein qualitativ hochwertiger Radnabenmotor samt passendem Akku, sagt Michael Ratka. Online lassen sich Umbausätze etwas günstiger finden. Für das Fahrverhalten spiele es keine Rolle, ob der Motor im Vorder- oder Hinterrad des Fahrzeugs eingebaut wird. Um das Gewicht des Fahrrads auszubalancieren, empfiehlt der Fahrradmechaniker, bei einem Radnabenmotor im Vorderrad den Akku am Gepäckträger zu montieren. Ist der Motor hinten eingebaut, rät er zu einem sogenannten Flaschenakku, der statt eines Trinkflaschenhalters am Unterrohr des Fahrrads montiert wird.

Als Königsdisziplin unter den Elektromotoren sieht Michael Ratka aber den Mittelmotor. Er wird ins Tretlager des Fahrzeugs eingebaut. Diesen Motor empfiehlt er Mountainbikern. Der größte Vorteil des Mittelmotor sei es, dass er mit der Gangschaltung des Fahrrades abgestimmt ist: „Das ist vergleichbar mit einem Auto. Wenn Sie den dritten Gang eingelegt haben und auf einen Berg fahren wollen, kommen Sie nicht vorwärts. Der Mittelmotor entfaltet sich deshalb über die richtige Gangschaltung“, so Ratka.

Kadenz-, oder Drehmomentsteuerung

Wer einen Mittelmotor einbauen möchte, muss sich zwischen zwei Modellen mit sehr unterschiedlichen Steuerungsmechanismen entscheiden: Dem sogenannten kadenzgesteuerten und dem drehmomentgesteuerten Motor, so Michael Ratka. Der kadenzgesteuerte Motor treibt das Fahrrad an, auch wenn der Fahrer nur mit wenig Kraft im Leerlauf die Pedale bewegt. Der drehmomentgesteuerte Motor hingegen unterstützt den Fahrer erst, wenn er mit eigener Kraft das Fahrrad beschleunigt. Diese körperliche Leistung wird dann vom Motor vervielfacht.

Ein E-Bike wird in der Fabrik montiert
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Bei E-Bikes ab Werk üblich, Nachrüsten möglich: Der Mittelmotor

Älteren Leute mit Knieprobleme, die bereits mit dem klassischen Radfahren Probleme haben, empfiehlt Michael Ratka den kadenzgesteuerten Motor. Dabei müsse man nur ein wenig mittreten, den Rest erledige der Motor, je nachdem auf welcher Stufe er eingestellt ist. Der drehmomentgesteuerte Motor wiederum sei das gängige Modell bei der Produktion von E-Bikes in der Industrie. „Er multipliziert, was ich einbringe. Bringe ich nichts ein, so ist Null mal drei auch null. Bringe ich 100 Watt Leistung ein, bekomme ich 300 Watt vom Motor“, so der Fahrradmechaniker.

Update auch für die Bremsen

Mittelmotoren sind ab 850 Euro zu haben, sagt Michael Ratka. Für den Umbau eines Fahrrads zum E-Bike empfiehlt er, eine Fahrradfachwerkstatt aufzusuchen. Damit habe man auf alle verbauten Teile einen Gewährleistungsanspruch von zwei Jahren.
Einen halben Tag dauert die Aufrüstung erfahrungsgemäß, so der Fahrradmechaniker. Für die Arbeitszeit müsse man mit 400 bis 500 Euro rechnen. In den meisten Fällen liegt man damit noch deutlich unter dem Kaufpreis eines E-Bikes von der Stange. „Es ist essentiell, dass die Elemente fachlich korrekt verbaut sind. Und auch die Bremsen müssen kontrolliert werden, ob sie der höheren Geschwindigkeit des Elektrofahrrads gewachsen sind“, so Ratka.