Eine Person unterschreibt einen Vertrag
Getty Images/Tetra Images
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Polizze verloren: Allianz Versicherung verweigert Herausgabe

Im Jahr 1988 schloss ein Steirer bei der Allianz Versicherung eine Lebensversicherung ab. Für das Ende der Laufzeit wurde eine Ausschüttung von umgerechnet 72.000 Euro in Aussicht gestellt. Er bekam aber nur 48.000 Euro ausbezahlt. Nachdem er seine Polizze nicht mehr fand, bat er die Versicherung, ein Duplikat auszustellen. Die Allianz weigerte sich, obwohl sie rechtlich dazu verpflichtet wäre.

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Nachdem er sein Studium abgeschlossen und zu arbeiten begonnen hatte, entschloss sich ein Steirer im Jahr 1988 bei der Allianz Versicherung eine Lebensversicherung abzuschließen. Sein Ziel war es, für die Pension einen finanziellen Gewinn zu erzielen. Nach exakt 29 Jahren könne er mit einer Ausschüttung von einer Million Schilling, umgerechnet 72.000 Euro rechnen, hieß es seitens der Allianz.

Allianz: Polizze nicht mehr auffindbar

Tatsächlich wurden am Ende der Laufzeit im November 2017 aber nur 48.000 Euro überwiesen, 24.000 Euro weniger als erwartet, so Daniela Grabovac von der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, wo der Fall im Februar dieses Jahres landete. Nachdem der Konsument seine Polizze nicht mehr fand, bat er die Versicherung, ihm diese noch einmal auszustellen. Man antwortete ihm, die Polizze sei im System nicht mehr auffindbar.

OGH: Versicherungen müssen Duplikate ausstellen

In einem gleichartigen Fall liegt gegen die Allianz Versicherung bereits ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) aus dem Jahr 2018 vor. Auch hier hatte der Kläger vergeblich darauf gedrängt, die Polizze ausgehändigt zu bekommen. Der OGH stellte fest, dass Konsumentinnen und Konsumenten ein Recht darauf haben, einen Ersatz für ihre verlorene Polizze zu bekommen. Der Urteilsspruch des OGH lautet: „Der Versicherer muss seiner Pflicht auf Ausstellung von Ersatzurkunden nachkommen. Der Anspruch des Versicherungsnehmers ist nicht verjährt.“

Der Konsument versuchte zunächst über seinen Anwalt zu intervenieren, dann mithilfe der Antidiskriminierungsstelle, doch alle Versuche scheiterten. Die Allianz Versicherung weigerte sich beharrlich, ihm die Polizze auszustellen. Auf die Aufforderung von help.ORF.at zur schriftlichen Stellungnahme reagierte die Allianz Versicherung nicht.

Hohes Prozessrisiko für den Konsumenten

Von einer Klage bei Gericht riet der Anwalt des Konsumenten ab, da das Prozessrisiko zu hoch sei. Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark sieht in der Vorgehensweise der Allianz eine Diskriminierung aufgrund des sozialen Status. Die Versicherung würde am längeren Hebel sitzen, nur wer genug Geld habe, könne es sich leisten zu klagen, so Grabovac. Da sozialer Status aber kein Diskriminierungsgrund im Gleichbehandlungsgesetz sei, könne man rechtlich nicht dagegen vorgehen.

Bei Polizzen handelt es sich um Inhaberpapiere. Konsumentinnen und Konsumenten haben deshalb das Recht, im Falle eines Verlusts von der Versicherung ein Duplikat ausgestellt zu bekommen, sagt auch Juristin Bettina Schrittwieser, Leiterin der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer (AK) Steiermark. Wird die Polizze trotz Aufforderung nicht ausgestellt, müsse man die Versicherung klagen und die Herausgabe einfordern.

Einzelne Gewinne der Versicherungen nicht prüfbar

Wie der Anwalt des Steirers rät aber auch Schrittwieser im vorliegenden Fall von einer Klage ab. Selbst wenn es dem Konsumenten gelänge, die Polizze einzufordern, könne er nicht damit rechnen, am Ende mehr Geld zu bekommen. Selbst nach Vorlage der Polizze könne die Gewinnbeteiligung, welche die Versicherung in diesen Jahren tatsächlich für den Konsumenten erzielt habe, nicht nachgerechnet werden, so Schrittwieser.

Versicherungen seien nicht dazu verpflichtet, für den Einzelfall erzielte Gewinne und eventuell erzielte Zinsen aufzuschlüsseln. Die Berechnung der Gewinnbeteiligung erfolge auf Basis der gesetzlich vorgeschriebenen Veröffentlichungen, die von den Versicherungen jährlich vorgelegt werden müssen. Aus diesen Zahlen könne man aber für den Einzelfall nichts herauslesen: „Da im konkreten Fall dem Konsumenten eine Versicherungssumme ausgezahlt wurde, die höher ist als die einbezahlten Prämien, rate ich von weiteren rechtlichen Schritten ab", so Schrittwieser. Auch bei Vorlage der Polizze sei mit keinem anderen Auszahlungsbetrag zu rechnen.