Auf einem Joghurt ist der „Nutri-Score“
APA/dpa/Christophe Gateau
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Lebensmittelampel „Nutri-Score“ für Österreich gefordert

Die Verbraucherorganisation Foodwatch Österreich fordert die Einführung der Lebensmittelkennzeichnung „Nutri-Score“. Das Kennzeichnungssystem habe sich in anderen europäischen Ländern bewährt und erlaube es, Nährwerte mit einem Blick zu vergleichen. Foodwatch bezeichnet das System als das „derzeit beste“.

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Das Schema ist vertraut: Fünf Kategorien von A bis E, von grün bis rot, von gut bis ungünstig. Ampelkennzeichnungen für Lebensmittel werden seit Jahren diskutiert, mehrere Systeme wurden entwickelt. Davon sei der „Nutri-Score“ derzeit am besten, sagt Heidi Porstner von Foodwatch gegenüber help.ORF.at: „Der ‚Nutri-Score‘ hilft, innerhalb einer Produktgruppe zu vergleichen. Mit den Ampelfarben sieht man auf einen Blick, zum Beispiel welche Tiefkühlpizza am ausgewogensten ist.“

Tatsächlich schneidet der „Nutri-Score“ in Studien und Umfragen unter Verbraucherinnen und Verbrauchern gut ab. In Frankreich, wo das System entwickelt wurde, ergab eine Studie zur Einführung 2017, dass das System am leichtesten verständlich sei. In Deutschland, wo „Nutri-Score“ 2020 eingeführt wurde, befürworteten knapp 90 Prozent der Befragten die Kennzeichnung.

Bewertung nach Nährwertangaben

Bei der Berechnung werden sieben Nährwerte einbezogen. Salz, gesättigte Fette, Zucker und der Energiegehalt gelten als ungünstig, Eiweiß- und Ballaststoffgehalt sowie der Anteil an Obst und Gemüse als vorteilhaft. Jeder ungünstige Nährwert bekommt bis zu zehn Punkte, günstige zwischen Null und minus fünf Punkte. Je weniger Punkte so zusammenkommen, desto besser fällt die Gesamtbewertung aus, und das Produkt rückt in Richtung Grün.

Hinweistafel zum „Nutri-Score“ in einem belgischen Supermarkt
AFP
Hinweistafel zum „Nutri-Score“ in einem beglischen Supermarkt

"Der Algorithmus hinter ‚Nutri-Score‘ basiert auf den verpflichtenden Nährwertangaben. „Alle Informationen für die Berechnung finden sich bereits auf den Verpackungen“, sagt Chantal Julia im Gespräch mit help.ORF.at. Die Französin ist Ärztin, hat das System mitentwickelt und ist Mitglied des wissenschaftlichen Komitees von „Nutri-Score“. Dadurch, dass nur die vorgeschriebenen Nährwertangaben pro 100 Gramm herangezogen werden, sei gewährleistet, dass die Bewertung kein Instrument zur Produktkosmetik, sondern wirklich unabhängig sei, so Julia.

Grün allein ist noch nicht gesund

Die Ampelfarben sollen es möglich machen, Produkte aus derselben Kategorie zu vergleichen und sich gegebenenfalls für das besser bewertete zu entscheiden. Das heißt allerdings nicht, dass man sich gesund ernährt, nur weil alle Produkte im Einkaufswagen mit Grün bewertet wurden, sagt Chantal Julia: „Gesunde Ernährung bedeutet vor allem Vielfältigkeit und Ausgewogenheit. Produkte, die nur ein D oder ein E bekommen, sind nicht per se schlecht, sie sollten nur deutlich seltener gegessen werden. Nur A-Produkte alleine führen noch nicht zu einer ausgewogenen Ernährung.“

Die Marke „Nutri-Score“ gehört dem französischen Staat, Mitglieder des wissenschaftlichen Komitees müssen ihre Unabhängigkeit von Brancheninteressen darlegen. Neben Frankreich 2017 und Deutschland im vergangenen Jahr, wurde die freiwillige Ampelkennzeichnung 2019 auch in Belgien, Spanien und Portugal eingeführt. Inzwischen verwenden große Hersteller wie Danone oder Bofrost das Siegel, in Frankreich auch ganze Handelsketten. Dabei war die Lebensmittelindustrie zu Beginn nicht begeistert, sagt „Nutri-Score“-Entwicklerin Julia. Die Bewertung sei unfair und stigmatisierend, hieß es. Außerdem sollten doch lieber die Nährwerte für Portionen, und nicht pro 100 Gramm herangezogen werden.

„Unfair und stigmatisierend“: Lebensmittelindustrie anfänglich unbeeindruckt

"Die Idee, nach Portionsgrößen zu gehen, mag verlockend erscheinen, allerdings gibt es da ein Problem: „Portionsgrößen sind in der EU nicht standardisiert und können von jedem Hersteller selbst festgelegt werden“, so Julia. Damit könnte die Bewertung einfach manipuliert werden. Hersteller brauchten nur die Portionsgröße ändern. Ein gutes Beispiel sei jener Schokoriegel, der im Doppelpack in goldener Folie verkauft wird: Eine Portion ist hier ein Riegel. „Nur wird niemand nur einen Riegel essen und den anderen aufheben. Das wäre ein Beispiel für eine solche Manipulation“, so Julia.

Auf einem Joghurt ist der „Nutri-Score“
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„Nutri-Score“ auf einem Joghurt

Der Algorithmus hinter „Nutri-Score“ werde regelmäßig überarbeitet und aktualisiert. Ungereimtheiten kommen vor, so bekam ein Kakaopulver, das zu 70 Prozent aus Zucker bestand, die zweitbeste Bewertung „B“, wie die Verbraucherzentrale Hamburg meldete. Der Grund: Bei der Bewertung geht der Algorithmus davon aus, dass das Schokoladegetränk in fertiger Form zu 95 Prozent aus Milch bestehe – und es wird als Lebensmittel, nicht als Getränk eingestuft. Getränke werden strenger bewertet, ein „A“ schafft hier nur Wasser.

Nachhaltigkeitskriterien und Produktionsweisen fließen nicht in die „Nutri-Score“-Bewertung ein – was prompt dazu führte, dass sich die deutsche Biobranche durch die Kennzeichnung benachteiligt sah. Es gebe allerdings keine Anzeichen dafür, dass bio grundsätzlich gesünder sei, lautete das Gegenargument aus der Wissenschaft.

Verbraucherschützer für europaweite Einführung

Viele Europäische Verbraucherorganisationen, darunter auch der Dachverband BEUC, befürworten die EU-weite Einführung von „Nutri-Score“. Auch Foodwatch Österreich hofft darauf, dass das System mit Ende 2022 als einheitliches, freiwilliges Kennzeichnungssystem eingeführt wird.

Österreich sollte die Verwendung jedoch schon früher erlauben, fordert Foodwatch-Sprecherin Heidi Porstner: „Die Bundesregierung müsste nur ein Ansuchen an Brüssel schicken, dass ‚Nutri-Score‘ als freiwillige Nährwertkennzeichnung verwendet werden darf, wie das in anderen Ländern bereits geschehen ist“. Derzeit dürfen österreichische Produzenten das Label nicht verwenden. Dabei sei durchaus Interesse bei Handel und Industrie vorhanden, so Porstner: „Wir haben auch gehört, dass selbst Süßigkeiten- und Backwarenhersteller die Kennzeichnung verwenden würden.“