Berghütte im Allgäu
AFP/DPA/KARL-JOSEF HILDENBRAND –
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Unsicherheit um Hüttenurlaube in den Semesterferien

Sollte der Lockdown gelockert werden, dürfen möglicherweise auch Beherbergungsbetriebe wieder aufsperren. Im Hüttendorf-Pruggern werden Berghütten für bis zu 24 Personen angeboten, die Gäste dürfen aus beliebig vielen Haushalten kommen. Rechtlich ist das, gemäß der derzeitigen COVID-19-Notfallverordnung der Regierung, absolut in Ordnung. Aus medizinischer Sicht gebe es aber große Bedenken, so Experten.

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Ein Wiener Biologe verbringt die Semesterferien seit vielen Jahren in einer Berghütte der Hüttenpartner Alm-, Ski- und Wanderhütten Vermietung GmbH, gemeinsam mit einer Gruppe von Freundinnen und Freunden. Für den kommenden Februar hatte er für 22 Personen im Voraus gebucht. Die Buchung erfolgte in der zweiten Februarwoche des Jahres 2020. Zu einem Zeitpunkt, als die Auswirkungen der Coronaviruskrise noch keineswegs absehbar waren.

Gemeinschaftshütten für 14 bis 24 Personen

Das hat sich in den vergangenen 12 Monaten geändert. Ende Dezember 2020, während des zweiten Lockdowns, wollte der Wiener den Vertrag kostenfrei stornieren, da aus seiner Sicht ein sicherer und erholsamer Urlaub unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr möglich war.

Im steirischen Hüttendorf Pruggern nahe Schladming, das von der Hüttenpartner-GmbH betrieben wird, werden Selbstversorgerhütten für bis zu 24 Personen vermietet. Auf 220 Quadratmetern stehen den Bewohnern eine Gemeinschaftsküche, vier Toiletten und sechs Schlafzimmer für je vier Personen zur Verfügung. Unter normalen Umständen kein Problem, in Zeiten der Pandemie sei ein sicherer Aufenthalt unter solchen Bedingungen aber nicht möglich, meint der Biologe.

Alpine Hütte
AFP/JEFF PACHOUD
Ferien auf der Berghütte locken mit beeindruckenbden Naturerlebnissen

Gästegruppen sind Haushalten gleichgestellt

Bei dem Hüttenbetreiber stieß der Wunsch nach einem kostenlosen Storno auf wenig Gegenliebe. Hüttenpartner verwies den Kunden in diesem Zusammenhang auf eine Information der Wirtschaftskammer (WKO), wonach ein Urlaub unter den gegebenen Umständen jederzeit möglich sei

Bei der WKO-Niederösterreich teilt man die Einschätzung von Hüttenpartner. Eine Unterbringung von 24 Personen in einer Berghütte sei zulässig, sofern der Lockdown zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr in Kraft ist. Gegenüber help.ORF.at verweist die WKO auf die zweite Covid-19-Notfallverordnung der Bundesregierung. Und tatsächlich: In der derzeit gültigen Verordnung ist festgelegt, dass Gästegruppen genauso zu behandeln sind, als würden sie in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Stornokosten von 100 Prozent plus Bearbeitungsgebühr

Aus wie vielen Personen die Gästegruppe bestehen kann, ist nicht konkret definiert. Das bedeutet wohl, dass beliebig viele Personen gemäß der Bettenkapazität untergebracht werden können, auch wenn sie aus unterschiedlichen Haushalten stammen. Ein Mindestabstand von einem Meter muss in diesem Fall nicht eingehalten werden.

Der Kunde hat für den ersten Februar gebucht, einen kostenfreien Vertragsrücktritt möchte man bei Hüttenpartner zum momentanen Zeitpunkt keinesfalls akzeptieren. In einem Mail an den Kunden hieß es: „Wenn Sie stornieren, dann ist dies ein 100-Prozent-Storno, das wir auch einfordern werden. Sie haben absolut kein Recht auf ein kostenloses Storno, fast sechs Wochen vor Anreise. Ihre Übertreibungen sind nicht im Geringsten nachvollziehbar. Wir erwarten daher die fristgerechte Überweisung des Restbetrages oder eine Mitteilung, ob wir die Stornierung durchführen sollen, dies würde allerdings auch die sofortige Zahlung des Restbetrages auslösen.“

Skipiste mit Skifahrern
APA/BARBARA GINDL
Viele Österreicherinnen und Österreicher wollen sich auch in Coronazeiten den Lieblinssport nicht nehmen lassen

Experte: Aus virologischer Sicht bedenklich

Rechtlich ist auch die Verrechnung von Stornogebühren in Höhe der vollen Buchungskosten zulässig, hier gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beherbergungsbetriebe. Wenn Unternehmen ihre Leistung nicht erbringen können, weil sie etwa wegen eines Lockdowns geschlossen haben, müssen sie ihren Kunden ein kostenfreies Storno ermöglichen. Dürfen die Betriebe aber geöffnet haben, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher die Stornokosten tragen.

Vom gesundheitlichen Standpunkt seien derartige Massenunterkünfte zum momentanen Zeitpunkt allerdings keine gute Idee, meint der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die Infektionszahlen seien nach wie vor hoch, so Nowotny, er rechne nicht damit, dass sich diese Situation bis zum 1. Februar erheblich ändern werde. Aus virologischer Sicht sei es daher „keine gute Idee“, so viele Menschen auf einer Berghütte zu versammeln, die ja dann beispielsweise gemeinsame Sanitäreinrichtungen und eine Gemeinschaftsküche nutzen müssten.

Hüttenbetreiber: Wir sind keine Gesundheitsbehörde

Wir haben uns bei der Hüttenpartner-GmbH nach deren Sicherheitsmaßnahmen erkundigt und unter anderem gefragt, ob man die Unterbringung von zwei Dutzend Personen in einer Berghütte mit sechs Schlafzimmern für eine vernünftige Maßnahme halte. In der Stellungnahme des Unternehmens heißt es: „Alle Kunden, die bis zum Ende des Lockdowns gebucht haben, haben eine kostenlose Stornomöglichkeit. Alle anderen bitten wir zuzuwarten. Wenn der Lockdown verlängert wird, haben Sie ebenfalls eine kostenlose Stornomöglichkeit, wenn aber nicht, steht einer Anreise nichts im Wege und hätte man Stornokosten laut der AGB unseres Unternehmens zu tragen. Wenn wir öffnen dürfen, dann muss es für uns auch wirtschaftlich bleiben.“

Berghütte im Allgäu
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In Schihütten könnten bald zahlreiche Gäste aus verschiedenen Haushalten untergebracht werden

Man achte auf Desinfektion und habe eine professionelle Reinigungsfirma engagiert, die mit bewährten Mitteln und Methoden eine saubere Hütte garantiere, ein spezielles Sicherheitskonzept habe man aber nicht, so Hüttenpartner gegenüber help.ORF.at: " Wir sind ein Reiseveranstalter und keine Gesundheitsbehörde, daher haben wir keine zusätzlichen oder neuen Regelungen. Die Bundesregierung hat die Verhaltensregeln klar und deutlich herausgegeben."

Hüttenpartner empfiehlt Coronatest vor der Anreise

Das Unternehmen weist auch darauf hin, dass die Hütte für 14 bis 24 Personen gedacht ist. Hüttenpartner empfiehlt, die Kapazität nicht voll auszuschöpfen und direkt vor der Anreise einen Coronatest zu machen. Eine Nachbesserung des Vertrags, etwa eine Preisminderung bei geringerer Gästezahl, lehnt das Unternehmen aber ab. Auch hinsichtlich der Stornokosten ist Hüttenpartner zu keiner Kulanz bereit.

Stornogebühren auch bei geschlossenen Grenzen

Generell ist das Unternehmen bei Erstattungen eher zurückhaltend. Für ausländische Gäste fallen Stornokosten etwa auch dann an, wenn Österreichs Grenzen geschlossen, – die Hüttenpartner-Betriebe aber geöffnet sind. Der betroffene Kunde bleibt bei seiner Auffassung, dass sich die Vertragsbedingungen geändert hätten und der Vertrag somit nichtig sei.

Im Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) teilt man die Sichtweise des Kunden. Gegenüber help.ORF.at heißt es aus dem Ministerium: „Da die Buchung im Februar 2020 – und somit zu einem Zeitpunkt, wo von einer Covid-19-Pandemie, zumindest in Europa, nicht auszugehen war – getätigt wurde, vertritt das Tourismusministerium die Ansicht, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich zu bejahen wäre, zumal ein Urlaub in einer Gruppe aus 20 Personen in Zeiten einer Pandemie weder empfehlenswert noch vernünftig ist und das allgemeine Risiko einer Ansteckung deutlich erhöhen würde.“

Coronateststäbchen
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Können Coronatests vor der Anreise den Urlaub sicherer machen?

VKI: Wegfall der Vertragsbedingungen argumentierbar

Auch Lukas Eschlböck, Jurist beim Verein für Konsumenteninformation (VKI), sieht Chancen für den Kunden, sollte der Fall vor einem Zivilgericht landen. Man könne hier wohl nach dem Pauschalreisegesetz vorgehen und argumentieren, dass am Bestimmungsort beziehungsweise in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare oder ungewöhnliche Umstände aufgetreten seien, die die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigen. In so einem Fall wäre ein kostenloser Vertragsrücktritt möglich, so Eschlböck. Der Jurist geht davon aus, dass man auch bei einem Beherbergungsvertrag in dieser Weise argumentieren könnte.

Auch Peter Kolba, Vorsitzender des Verbraucherschutzvereins, räumt dem Kunden vor Gericht Chancen ein, gibt aber zu bedenken, dass man zum Zeitpunkt einer Buchung im Februar 2020 von einer Coronavirus-Epidemie (damals wurde noch nicht von einer Pandemie gesprochen) zumindest schon gehört haben musste. Allein die Tatsache, dass die Pandemie existiert, werde vor Gericht noch keinen ausreichender Grund darstellen, um einen kostenlosen Vertragsrücktritt zu erwirken, so Kolba.

„Zahlung im Zweifelsfall zurückbehalten“

Kolba empfiehlt, sich vor der vollständigen Zahlung einer Buchung auf die so genannte Unsicherheitseinrede zu berufen, wenn es Gründe gibt, anzunehmen, dass der Aufenthalt nicht in der vereinbarten Form stattfinden kann, etwa aufgrund der Coronaviruspandemie.

In so einem Fall könne man den Vertragspartner darüber informieren, dass man aufgrund der Umstände nicht sicher sein kann, dass der Anbieter seine Leistung erbringen wird, und man daher die Zahlung zurückhalte, bis sichergestellt sei, dass die Leistung erbracht werden kann. Ein entsprechender Musterbrief zur Unsicherheitseinrede findet sich auf der Webseite des Verbraucherschutzvereins.

Sollte die Zahlung mittels Kreditkarte oder per Lastschrift beauftragt worden sein, sei es natürlich sinnvoll, das Kreditkartenunternehmen oder die Bank mittels eines Einschreibens mit Rückschein über dieses Vorhaben zu informieren, so Kolba.

Ministerium: Gästegruppenregelung könnte fallen

Wir haben auch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit der gesetzlichen Regelung zu Gästegruppen in Beherbergungsbetrieben konfrontiert. In einer schriftlichen Stellungnahme des Ministeriums heißt es: „Falls zu Beginn der Reise am 1. Februar 2021 kein Lockdown mehr besteht, ist fraglich, ob die neuen Regelungen ein gemeinsames Zusammentreffen von 24 Personen ermöglichen. Ist das nicht der Fall, besteht auch keine Zahlungspflicht.“

Sollten Unterkünfte für mehrere Haushalte aber tatsächlich genutzt werden können, müssten allfällige Stornokosten von Verbraucherinnen und Verbrauchern getragen werden. Die Unternehmen müssten hier allerdings die entstandenen Einsparungen abziehen. Etwa entfallene Energie- oder Reinigungskosten, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.