Eine Frau mit Kopfhörern sitzt vor dem Computer
Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de
Michel Arriens | www.michelarriens.de

Viele Websites noch immer nicht barrierefrei

Menschen mit Behinderungen haben es nach wie vor schwerer, das Internet zu nutzen. Die Technologien für eine gleichberechtigte Teilhabe sind vorhanden, doch viel zu wenige Websites setzen die digitale Barrierefreiheit auch tatsächlich um. Und das, obwohl zumindest öffentliche Stellen gesetzlich dazu verpflichtet wären.

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Rund 1,3 Millionen Menschen in Österreich haben laut Sozialministerium eine Behinderung. Nach einer Krankheit, einem Unfall oder altersbedingt können sie nur eingeschränkt oder überhaupt nicht sehen oder hören, haben Lernschwierigkeiten oder sind motorisch beeinträchtigt.

Gerade wegen dieser Einschränkungen ist das Internet für sie umso wichtiger. Um sich zu informieren, einzukaufen, Behördenwege zu erledigen und einfach mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Doch erst ein kleiner Teil der Websites ist für beeinträchtigte Menschen auch gleichermaßen zugänglich.

Noch viel Aufholbedarf

„Bei der Barrierefreiheit von Websites gibt es immer noch viel Aufholbedarf“, so Werner Rosenberger von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, der größten heimischen Sehbehinderten-Selbsthilfeorganisation. „Es gibt zwar eine EU-Richtlinie, die im September 2020 in ein österreichisches Gesetz (Webzugänglichkeitsgesetz) gegossen wurde. Diese verpflichtet allerdings nur öffentlichen Stellen, auf digitale Barrierefreiheit zu achten.“

Bisher erfüllen viele Behörden, Krankenhäuser, Schulen, Unis, Museen und Gerichte die empfohlenen Onlinestandards nicht. Einige Ministerien und etwa die Städte Wien, Linz und Graz seien hier sehr bemüht, andere weniger, so Rosenberger. Von der Internetpräsenz der Polizei, um nur ein Beispiel zu nennen, seien Menschen mit Behinderungen jedoch weiterhin nahezu komplett ausgesperrt.

Ein blinder Mensch sitzt vor einem Laptop, der mit Hilfstechnologien für blinde und sehbehinderte Menschen ausgestattet ist
Michel Arriens | www.michelarriens.de
Mit Hilfe einer Screenreader-Software, die den Bildschirminhalt vorlesen und auf einer Braillezeile ausgeben kann, bekommen Menschen mit Sehbeeinträchtigung Zugang zum PC und zum Smartphone

Zwei-Sinne-Prinzip

Damit alle Menschen überall teilnehmen können, setzt die digitale Barrierefreiheit grundsätzlich auf das Zwei-Sinne-Prinzip. „Jede Information muss mindestens mit zwei Sinnen wahrgenommen werden können, zum Beispiel über das Sehen und das Gehör. Sind auf einer Website Bilder oder Grafiken zu sehen, müssen diese also zusätzlich mit einer Textbeschreibung versehen werden, damit blinde Personen sich diesen mittels Sprachsteuerungssoftware (Screenreader) vorlesen lassen können. Für gehöreingeschränkte Menschen ist es wichtig, dass Videos mit Untertiteln versehen werden, damit sie mitlesen können,“ so Rosenberger.

Damit die Sprachsteuerungssoftware die Onlineinhalte auch richtig lesen und steuern kann, muss jede Website entsprechend programmiert sein. So müssen etwa Fotos und Grafiken mittels Alt-Text beschrieben werden, sowie Menüpunkte und andere Schaltflächen als solche angesagt werden.

Wenn rechtzeitig bedacht, kein großer Mehraufwand

Wird Barrierefreiheit bei der Erstellung einer Website von Anfang an mitbedacht, ist sie ohne großen Mehraufwand umsetzbar, so Rosenberger. International wurden genaue Kriterien festgelegt, die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die als Norm für die barrierefreie Programmierung von Websites herangezogen werden.

„Man muss vielleicht ein bisserl anders denken, einen anderen Zugang haben. Aber generell kann man jede Website vom Design und von der Technik genauso so herstellen, dass sie barrierefrei ist,“ so Rosenberger.

Nächster Schritt: Onlineshops und Banken-Apps

Bis alle österreichischen öffentlichen Websites barrierefrei nutzbar sind, wird es wohl noch eine Weile dauern. Wer inzwischen bei Websites oder Apps öffentlicher Stellen auf nicht barrierefreie Inhalte stößt, kann diese bei der Beschwerdestelle der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) melden.

Die EU hat unterdessen schon die nächste Richtlinie erlassen: den European Accessibility Act. Er muss bis Juni 2022 in nationales Recht umgesetzt und – von Ausnahmen abgesehen – ab Juli 2025 in den Mitgliedsstaaten angewandt werden und verpflichtet künftig auch Onlineshops, Fernsehsender, Banken und andere private Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen gleichermaßen online zugänglich zu machen.