Sekt wird in ein Glas gegossen
APA/zb/Peter Endig
APA/zb/Peter Endig

Viele Beschwerden über Keiler in Seniorenheimen

Ein Bericht von help.ORF.at über Vertreterbesuche in Seniorenheimen vergangene Woche hat viel Staub aufgewirbelt. Ein niederösterreichischer Händler hatte einer teildementen 91-jährigen ungewöhnlich große Menge Rotwein im Wert von mehr als 1.000 Euro verkauft. Kein Einzelfall, wie sich nun herausstellt. Es gibt zahlreiche Beschwerden über diese Firma.

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Die Schilderungen ähneln sich: Hochbetagte Menschen wurden von der niederösterreichischen Firma "Weinkellerei Ferdinand Pieroth“ angerufen. In vielen Fällen waren die Betroffenen demenzkrank. Trotzdem wurde ihnen Wein und Champagner um hohe drei-, und sogar vierstellige Beträge verkauft.

Angehörige sind empört

Wenn Angehörige dann versuchten, die Verträge rückgängig zu machen, behauptete die Firma Pieroth, die Seniorinnen und Senioren hätten selbst angerufen und bestellt. Wozu etwa eine fast blinde 92-Jährige gar nicht mehr in der Lage gewesen wäre, so eine entrüstete Tochter gegenüber help.ORF.at. Ein Beispiel von vielen.

Auch beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) gehen seit dem Jahr 2017 Beschwerden über die Firma Pieroth ein. VKI-Juristin Irene Randa berichtet vom Fall einer 81-jährigen Frau und ihrem Ehemann. Im Dezember habe diese einen Anruf erhalten, wo sie gebeten worden sei, ein paar Fragen zu beantworten. Als Dankeschön habe man ihr ein kleines Geschenk versprochen. Im Jänner sei sie dann erneut angerufen worden. Man habe ihr mitgeteilt, dass man nun gerne das versprochene Geschenk in Form einer Weinverkostung einlösen würde. Die Konsumentin lehnte ab.

Dennoch wurden ihr Tage später 35 Flaschen Wein und eine Rechnung über mehr als 500 Euro zugestellt. Als sie die Firma Pieroth darüber informierte, dass sie nichts bestellt habe, behauptete ein Mitarbeiter, ihr Mann habe den Vertrag unterschrieben. Das sei aber nicht möglich, da ihr Ehemann bettlägerig und schwer pflegebedürftig sei, so die Konsumentin.

Aussage gegen Aussage

Rechtlich sei gegen die Firma Pieroth aber schwer anzukommen, so Irene Randa. Es stehe Aussage gegen Aussage. Zu klären sei, ob es sich um die richtige Unterschrift handle oder nicht. Die Konsumentin müsste in einem solchen Fall das Unternehmen wegen Dokumentenfälschung anzeigen.

Auch wenn es möglich sei, ein solches Verfahren zu gewinnen, könnten während des Verfahrens Details auftauchen, die den Fall vor Gericht dann anders aussehen lassen, so Randa. Einen solchen Schritt empfiehlt die AK-Juristin nur, wenn Betroffene eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben.

„Ehrenkodex der Weinhändler verletzt“

Gerhard Wohlmuth, Standesvertreter der Weinhändler in Österreich und selbst Weinbauer in der Südsteiermark, verurteilt Geschäftspraktiken, wie sie sich bei Pieroth zeigen. Das widerspreche strikt dem Ehrenkodex der Branche. „Für mich ist es absolut nicht zulässig, dass man schutzbedürftige Personen ausnützt. Das lehnen wir als Standesvertretung strikt ab“, so Wohlmuth.

Wenn schutzbedürftige Personen dement oder aus anderen Gründen nicht mehr zu 100 Prozent handlungsfähig seien, müsse man das als ordentlicher Geschäftsmann erkennen. Wenn Seniorinnen und Senioren drei Flaschen Wein bestellen würden, wäre das kein Problem. Bei Bestellungen von unnatürlich großer Menge, sei aber ein Angehöriger oder eine betreuende Person beizuziehen. Ansonsten solle auf das Geschäft verzichtet werden.

Die Schilderungen über die „Weinkellerei Ferdinand Pieroth“ nahm Wohlmuth zum Anlass, sämtliche Weinhändler in Österreich über derlei Fälle zu informieren. Damit wolle er dafür sorgen, dass eine derartige Praxis nicht mehr vorkommt. „Wir sind da wirklich absolut dagegen, dass so etwas passiert“, so Wohlmuth.

Weinkellerei Pieroth verspricht Besserung

Konfrontiert mit den zahlreichen Beschwerden reagierte die „Weinkellerei Ferdinand Pieroth“ gegenüber help.ORF.at mit einer schriftlichen Stellungnahme: Man entschuldige sich ausdrücklich für die Nichteinhaltung der eigenen Geschäftsstandards. Bei 30.000 Aufträgen pro Jahr könne man leider nicht ausschließen, dass ältere Menschen unverhältnismäßige Mengen bestellen.

Man werde von nun an aber bereits im Vorfeld abklären, ob ein Kunde oder eine Kundin in einem Seniorenheim wohnt und dann Bestellungen nur durchführen, wenn sie durch einen Angehörigen oder sonstigen Verantwortlichen als verhältnismäßig bestätigt werden.

Was Betroffene tun können

Welcher Händler ein Seniorenheim beliefern darf un, ob er Zutritt ins Heim bekommt, entscheidet die jeweilige Geschäftsführung. Die Persönlichkeitsrechte von geschäftsfähigen Personen dürfen dabei aber nicht eingeschränkt werden.

VKI-Juristin Randa rät Betroffenen, sich beim Verein für Konsumenteninformation oder einer anderen Verbraucherschutzeinrichtung zu melden. Da die Firma Pieroth, wie zuletzt berichtet, ihre Kundschaft nicht ordentlich über die Rücktrittsmöglichkeiten aufklärt, habe man in der Regel ein Jahr Zeit, vom Vertrag zurückzutreten. Der unerwünschte Wein könne dann wieder an die Firma zurückgeschickt werden.