Ein Mann und eine Frau sitzen im Cabrio und fahren entlang eines Sees
Soloviova Liudmyla, Shutterstock
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Strafzettel aus Ungarn: Autolenker war nie dort

Ein Strafzettel aus dem Ausland ist ärgerlich. Noch ärgerlicher ist es, wenn man fälschlicherweise beschuldigt wird und gegen die Geldbuße berufen muss. Das passierte einem Niederösterreicher, der einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens aus Ungarn erhielt, obwohl er noch nie dort war. Hinzu kamen sprachliche Hürden bei der Kommunikation mit den ungarischen Behörden.

Mitte Februar erhielt der Mann einen eingeschriebenen Brief aus Ungarn. Als er ihn öffnete, stellte er verwundert fest, dass es sich um einen Verkehrsanzeige handelte. Er sei in Ungarn mit überhöhter Geschwindigkeit von einer Radarfalle geblitzt worden, so der Vorwurf der Behörden.

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30.000 Forint, das sind umgerechnet etwa 90 Euro, sollte der Niederösterreicher bezahlen, stand in dem Schreiben, das auf Ungarisch und Deutsch verfasst war. Das Problem an der Sache: Der Niederösterreicher war nie in Ungarn. Nicht am Tag der Geschwindigkeitsübertretung, und auch nicht davor oder danach. Auch hatte er sein Auto weder verborgt, noch wurde es von anderen Familienmitgliedern mitbenutzt.

Ein Mann und eine Frau sitzen im Cabrio und fahren entlang eines Sees
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Strafzettel aus dem Ausland treffen oft erst Wochen bzw. Monate nach dem Urlaub ein

Strafe zu gering für Rechtsschutzversicherung

„Ich war mir sicher, dass es sich um einen Lesefehler bei der Zuordnung des Kennzeichens handelt“, so der Autolenker gegenüber help.ORF.at. Doch die Blitzerfotos lagen ihm nicht vor. Da er eine Rechtsschutzversicherung hatte, ging er zu einem Anwalt und nahm an, die Angelegenheit werde schnell erledigt sein.

Der Anwalt verfasste einen schriftlichen Einspruch, konnte den Niederösterreicher aber nicht weiter unterstützen, da der Selbstbehalt der Rechtsschutzversicherung bei 200 Euro lag – es wäre also billiger gewesen, die Strafe zu bezahlen, als dagegen vorzugehen.

Erst nach Gebührenzahlung wird Berufung anerkannt

Wochen später kam der nächste Brief aus Ungarn – diesmal aber nur in ungarischer Sprache. Mit Hilfe von Google gelang die Übersetzung einzelner Passagen. Es seien 5.000 Forint (ca. 15 Euro) an Gebühren zu bezahlen, damit die Berufung anerkannt werde, so die ungarische Behörde. Da er sich keiner Schuld bewusst war, wollte der Niederösterreicher diese aber nicht zahlen.

Auch keine Hilfe von ÖAMTC

Also sandte er abermals ein Berufungsschreiben an die ungarischen Behörden. Es folgte wiederum ein Brief aus Ungarn – wieder ausschließlich auf Ungarisch und mehrere Seiten lang.

Der Autolenker wusste nicht mehr weiter, und wandte sich an den ÖAMTC, bei dem er seit 48 Jahren Mitglied ist. Doch beim Telefonat mit der Rechtsabteilung des Clubs erklärte man ihm, man könne ihm nicht helfen.

Richtiges Kennzeichen auf falschem Auto

Enttäuscht wandte sich der Niederösterreicher an die Help-Redaktion, denn die Zeit drängte, die Frist drohte auszulaufen. Eine aufwendige Spurensuche begann. Mit Hilfe des Außenministeriums und der österreichischen Botschaft in Budapest gelang es uns schließlich die Blitzerfotos auszuheben. Ein Fehler bei der elektronischen Kennzeichenerfassung konnte zwar ausgeschlossen werden. Das Foto zeigte eindeutig das Kennzeichen des Wagens des Niederösterreichers.

Aber: Das Auto auf dem Bild war nicht seines. Statt eines Mazdas ohne Schiebedach war ein VW mit Schiebedach zu sehen. Offenbar wurden die Kennzeichen unbemerkt kopiert und auf den VW montiert. Denn gestohlen wurden sie nicht, die Original-Nummerntaferl waren nach wie vor auf dem Auto des Niederösterreichers.

Fahrzeugaufnahmen
ORF
Zum Glück war klar zu erkennen, dass es sich um einen VW mit Schiebedach und keinen Mazda ohne Schiebedach handelt.

Immer wieder Fehler bei Strafzetteln

Es komme immer wieder vor, dass Strafzettel Unschuldige treffen, so ÖAMTC-Jurist Nikolaus Authried. Bei Strafzetteln aus dem Ausland kämen noch sprachliche Hürden dazu.

„Leider ist es so, dass nur das Erstschreiben mit dem Tatvorwurf und die Rechtsmittelbelehrung in der Sprache sein müssen, von der die Behörde ausgehen kann, dass der Beschuldigte sie versteht – in unserem Fall wäre das Deutsch“, so Authried. Alle weiteren Schreiben müssten nicht mehr in der Sprache des Betroffenen formuliert sein. „Das ist nicht gerade rechtsschutzfreundlich, aber laut Menschenrechtskonvention die derzeit gültige Rechtslage.“

Autofahrerclub bietet keine Übersetzungen

Auf unsere Nachfrage, warum der ÖAMTC dem Niederösterreicher nicht helfen konnte, erklärt Authried: „Das Problem war die sprachliche Barriere. Die hat dazu geführt, dass auch wir nicht wussten, was genau Inhalt des behördlichen Schreibens war. Man bräuchte hier ein Übersetzungsbüro, aber das ist eine Leistung, die von der ÖAMTC-Mitgliedschaft nicht umfasst ist.“ Man sei bemüht mit Übersetzungshilfen aus dem Internet bzw. Partnerclubs im Ausland zu helfen. In dem Fall sei das in der Kürze der Zeit aber nicht möglich gewesen.

Er rät, Strafzettel aus dem Ausland keinesfalls zu ignorieren, sondern zu überlegen, ob es sein kann, dass man zu dem Zeitpunkt an dem Ort des Vergehens war. Ist das der Fall, sollte man sich rechtliche Beratung holen, die dann beurteilt, ob etwa schon eine Verjährung vorliegt und auch sonst beim weiteren Vorgehen berät.

Auf Fristen achten

Gerade für Einsprüche habe man immer nur beschränkt Zeit, so der ÖAMTC-Jurist. Betroffene Autolenker sollten daher schnellstmöglich Beweise (Fotos, Rechnungen und andere Reisenachweise, etc.) sammeln und niederschreiben, um einen Einspruch verfassen zu können. Verpasst man die Frist für einen Einspruch, spielt keine Rolle mehr, ob man unschuldig ist oder nicht – man muss in jedem Fall zahlen.

Der betroffene Niederösterreicher hat die Berufungsgebühr von 5.000 Forint auf Anraten der Botschaft schließlich doch noch bezahlt und war mit seiner Berufung erfolgreich. Das Verfahren wurde eingestellt, die Berufungsgebühr rückerstattet. Das alles aber erst, nachdem er sich an die Ö1-Konsumentenredaktion gewandt hatte.