Deutschland will Gutschein statt Erstattung für Reisende

Die Lobby der Reisewirtschaft findet in Berlin offenbar Gehör. Bei stornierten Flügen und Pauschalreisen sollen Konsumentinnen und Konsumenten nach Vorschlägen aus der deutschen Bundesregierung künftig Gutscheine anstelle von Erstattungen erhalten. Verbraucherschützer üben scharfe Kritik.

Der Wirtschaftsstaatssekretär und Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU) sagte, er mache sich um die Reiseveranstalter große Sorgen. In den kommenden Wochen würden enorme Rückerstattungen für ausgefallene Reisen fällig.

Der Branchenverband der deutschen Reisewirtschaft DRV gehe von 4,8 Milliarden Euro bis Ende April aus. „Auch kerngesunde Unternehmen halten das nicht länger aus. In der Tat könnte eine Gutscheinlösung hier Liquidität sichern, es sei aber wichtig, dass der Kunde sicher bleibe, dass sein Geld nicht verloren geht. Dies müsse auf eine ordentliche Grundlage gestellt werden“, sagte Bareiß.

Branche will staatliche Garantie für Reisegutschriften

DRV-Präsident Norbert Fiebig hatte für den Fall von Reisegutschriften eine staatliche Garantie für die Kunden vorgeschlagen. Das geltende Reiserecht sehe diese Lösung bislang nicht vor. „Wenn die Bundesregierung die Reisewirtschaft in ihrer bestehenden Form erhalten will, brauchen wir Lösungen, die auf die Branche zugeschnitten sind“, sagte Fiebig. Die Aufwendungen für Stornierungen von Reisen wegen der weltweiten Reisewarnung müssten mit einer „schnellen und unbürokratischen Beihilfe“ ausgeglichen werden.

vzbv: „Verbraucherrechte nicht über Bord werfen“

Der Vorschlag stößt bei Verbraucherschützern auf scharfe Kritik. „Die Verbraucher dürfen nicht gezwungen werden, der Reisebranche einen Kredit zu gewähren, wenn sie selber das Geld für anderes wie Miete oder Lebensmittel einsetzen wollen“, sagte Marion Jungbluth vom deutschen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Das wäre unfair und gerade für Menschen mit kleinen Einkommen eine nicht zu verantwortende soziale Härte.“ Gutscheine für ausgefallene Reisen müssten freiwillig bleiben. Bislang haben Verbraucher das Recht auf eine umgehende Erstattung ihres Geldes.

AUA Maschinen am Boden in einer Reihe

APA/AUSTRIAN AIRLINES

Kein Verkehr: Geparkte Flugzeuge der AUA am Flughafwen Wien-Schwechat

Jungbluth sagte, es wäre besser, wenn die Bundesregierung einen Schutzschirm über die Kundengelder spanne, so dass die Reiseanbieter die Anzahlungen allen Verbrauchern sofort erstatten könnten. „Dieser Fonds könnte ein Vorgriff auf die schnell nachzuholende ausreichende Insolvenzabsicherung der Reiseunternehmen sein. Ein solcher Fonds wäre transparent und würde die Liquidität der Reisebranche und der Verbraucher sichern.“ Sinnvolle Verbraucherrechte wie aus der Pausschalreiserichtlinie dürften nicht nach wenigen Tagen Krise leichtfertig über Bord geworfen werden.

Lufthansa-Konzern stoppt automatisierte Erstattung

Auch die Luftverkehrsbranche brauche Entlastungen, damit ihre Liquidität sichergestellt bleibe, sorgt man sich in der CDU. Airlines sollten die Möglichkeit bekommen, Gutscheine für Kunden auszustellen - diese könnten sie dann einlösen, wenn der Flugbetrieb wieder hochgefahren werde oder später auch auszahlen lassen. „Dies würde die Airlines und am Ende die Steuerzahler finanziell deutlich entlasten“, hieß es gegenüber der dpa.

Lufthansa und andere Gesellschaften versuchen derzeit, ihre Kunden von konkreten Erstattungsanträgen für stornierte Flüge abzuhalten. Sie gewähren lange Fristen, um die bereits bezahlten Tickets auf andere Flüge im Laufe des Jahres umzubuchen. In den professionellen Buchungssystemen etwa für Reisebüros hat der Konzern die automatisierte Erstattung einseitig gestoppt.

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