Onlinehändler haften nicht für irreführende Kundenbewertungen

Händler, die ihre Produkte auf Plattformen wie Amazons Marketplace vertreiben, müssen nicht für irreführende Kundenbewertungen haften. Das hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden.

Der geklagte Händler bot Anfang 2017 auch „Kinesiologie-Tapes“ zur Schmerzbehandlung an. Dies sind elastische Klebebänder, die unter anderem bestimmte Schmerzen lindern sollen. Bei den Bewertungen hatten zahlreiche Kunden die Wirkung bestätigt. Die Linderung sei spürbar, hieß es dort, oder gar: „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg.“

Der von gewerblichen Unternehmen getragene Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin mahnte den Händler ab. Doch auch auf dessen Bitte wollte Amazon die Bewertungen nicht löschen. Daher klagte der Wettbewerbsverband, blieb damit aber durch alle Instanzen ohne Erfolg.

Händler nicht verpflichtet, Bewertungen zu unterbinden

In der Begründung erklärte der BGH, die Äußerungen in den Bewertungen seien zwar irreführend, denn die behauptete Schmerzlinderung sei medizinisch nicht gesichert nachweisbar. Der Händler habe mit diesen Kundenbewertungen aber nicht geworben und habe sie sich auch sonst nicht zu eigen gemacht. Vielmehr seien die Kundenbewertungen bei Amazon als solche gekennzeichnet und klar von den Informationen des Händlers getrennt. Amazon weist Kundenbewertungen pauschal einem Produkt zu, auch wenn es bei einem anderen Händler gekauft wurde.

Der Onlinehändler sei auch nicht verpflichtet, irreführende Kundenbewertungen zu verhindern. „Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass Kundenbewertungssysteme auf Onlinemarktplätzen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen“, erklärten die Karlsruher Richter. Das Verbraucherinteresse, sich zu Produkten zu äußern und sich vor einem Kauf darüber zu informieren und auszutauschen werde „durch das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt“.

Branchenverband erfreut über Urteil

Bei Medizinprodukten müsse das Meinungs-Grundrecht zwar im Einzelfall mit den Belangen der öffentlichen Gesundheit abgewogen werden. Hier sei dies aber nicht erforderlich, weil es keinerlei Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung durch Kinesiologie-Tapes gebe.

Der Digitalbranchenverband Bitkom begrüßte das Urteil. Es schaffe Rechtssicherheit für die Händler und sichere transparente und unabhängige Bewertungen. „Ob dieses Meinungsbild in den Bewertungen positiv oder negativ ausfällt, liegt nicht in der Hand des Verkäufers, sondern einzig und allein in der der Kunden. Es ist gut, dass der BGH dies klargestellt hat“, erklärte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder in Berlin. Nach einer Bitkom-Studie läsen 56 Prozent der Internet-Einkäufer auch Bewertungen, ehe sie sich für ein Produkt entschieden. Allerdings: Gefälschte und gekaufte Kundenberwertungen haben bisher weder Amazon noch andere Onlineplattformen nachhaltig in den Griff bekommen.

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