Barrierefrei reisen: Noch langer Weg zur Gleichstellung

Zwar hat sich das Bewusstsein für Barrierefreiheit in den letzten Jahren stark erhöht. Doch ein Blick auf den Alltag zeigt, dass es bis zur Gleichstellung von sinneseingeschränkten Menschen noch ein langer Weg ist. Allein von A nach B zu gelangen kann oftmals zur Herausforderung werden. Wie im Fall einer blinden Studentin, die wöchentlich mit dem Flixbus pendelt und dort immer wieder auf Hürden stößt.

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Seit vier Jahren pendelt die junge Frau zwei Mal pro Woche zwischen Wien und Graz. Die Tickets für den Flixbus kauft sie online über den Computer oder die Handy-App, mittels Gestensteuerung und einer Sprachausgabe-Software ist das auch blinden Menschen selbstständig möglich.

„Vor zwei Monaten haben dann die Probleme begonnen“, so die Studentin. Die Zahlung der Tickets mit Kreditkarte war nicht mehr möglich. Die junge Frau probierte es mit anderen Kreditkarten, doch immer das gleiche Ergebnis: die Zahlung funktionierte nicht.

Hotline brachte keine Lösung

Da der Fehler offenbar auf Seiten von Flixbus zu suchen war, meldete sie das Problem telefonisch beim Kundendienst und bat um rasche Behebung. Doch bei einem einmaligen Anruf sollte es nicht bleiben. Auch nach mehrmaliger Nachfrage bei Flixbus war das Problem nicht beseitigt.

Reisende steigen in einen Flixbus

Flixbus

Flixbus zeigt bei der Barrierefreiheit wenig Engagement

„Ich hatte den Eindruck, man nimmt mein Problem gar nicht ernst,“ so die Studentin. Die Kundendienst-Mitarbeiter hätten ihr immer wieder geraten, einen anderen Browser, ein anderes Endgerät, eine andere Kreditkarte zu benutzen. Auf den Einwand, dass sie das alles schon probiert hätte, ging man bei der Hotline nicht ein.

Zu Vorverkaufstelle geschickt

Stattdessen bekam die junge Studentin den Rat, die Tickets an einer Vorverkaufstelle zu kaufen. Doch das war für die blinde Frau nicht praktikabel. Einerseits bräuchte sie jedes Mal eine Begleitperson, die ihr hilft, den Ticketshop zu finden, und andererseits wird bei diesen Ticketshops eine Bearbeitungsgebühr von 1,50 Euro pro Buchung fällig. „Ich müsste also Zusatzgebühren für etwas zahlen, was ich eigentlich bequem von zu Hause machen kann“, so die Studentin.

Erst auf Nachfrage von help.ORF.at bei Flixbus kam Bewegung in die Sache. Binnen weniger Tage wurde das Softwareproblem repariert, und die Pendlerin konnte ihre Tickets wieder online buchen und bezahlen.

Kompliziertes Prozedere bei Gratis-Begleitperson

Eine weitere Schwierigkeit konnte aber auch help.ORF.at nicht lösen. In Österreich ist es üblich, dass blinde Menschen kostenlos eine Begleitperson mitnehmen können. Das gilt für die meisten Verkehrsbetriebe und ist auch bei Flixbus der Fall.

Doch leicht macht es Flixbus Betroffenen nicht. Denn das Ticket für die Begleitperson kann nicht einfach beim Onlinekauf des eigenen Tickets mitgebucht, sondern muss gesondert über die Telefonhotline beantragt werden.

Begleitperson muss lange im Voraus angegeben werden

„Ich muss dafür die Buchungsnummer meines Tickets durchgeben, alle meine Daten wiederholen und dann die Daten meiner Begleitperson bekannt geben, Vor- und Nachname, E-Mail-Adresse und Telefonnummer“, so die Pendlerin. Dieses Prozedere muss bei jeder Buchung und mindestens 36 Stunden vor der Fahrt durchgeführt werden.

Die blinde Pendlerin wünscht sich hier mehr Flexibilität, um auch spontan mit dem Flixbus und einer Begleitperson fahren zu können. „Ich würde mir wünschen, dass man das Ticket für die Begleitperson entweder selbst online buchen kann oder auch spontan beim Busfahrer,“ so die junge Frau.

Flixbus verweist auf Kapazitätsgründe

Flixbus erklärt gegenüber help.ORF.at, dass ein spontanes Buchen des Begleitperson-Tickets beim Busfahrer aus Kapazitätsgründen nicht möglich sei. Würde eine Begleitperson spontan mitfahren und sich erst kurz vor Abfahrt beim Fahrer melden, könne es immer sein, dass der Bus bereits ausgebucht und eine Mitnahme nicht möglich sei, so Flixbus in einer Stellungnahme.

Die betroffene Reisende hat für ihre Stammstrecke aber einen ganz anderen Eindruck. In den vier Jahren, in denen sie nun regelmäßig pendle, sei es vielleicht zwei Mal vorgekommen, dass keine zwei Plätze mehr frei waren, so die Studentin. Die Begründung von Flixbus können sie daher nicht nachvollziehen.

Hilfsgemeinschaft: „Fordern gleichberechtigtes Reisen“

Ein Positiv-Beispiel seien etwa die ÖBB, wo man bei der Onlinebuchung einfach gleich anhaken könne, dass eine Begleitperson mitfährt - ohne Eingabe des Namens, ohne Extra-Frist und ohne Extra-Antrag.

Daniele Marano von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs kennt die Probleme. „In Österreich haben wir unterschiedliche Situationen. Bei manchen Verkehrsbetrieben ist es möglich, eine Begleitperson kostenlos und ohne Voranmeldung mitfahren zu lassen, bei anderen Anbietern ist das nicht so einfach“, so Marano gegenüber help.ORF.at. Die Hilfsgemeinschaft fordere ein gleichberechtigtes Reisen für alle. „Auch Menschen mit Behinderungen bzw. einer Sehbeeinträchtigung sollten gleichberechtigt ohne Voranmeldung eine Begleitperson mitnehmen dürfen bzw. auch einen Mobilitätsservice in Anspruch nehmen können.“

Beate Macura, help.ORF.at

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