Busfahrer verhaftet: 55-Stunden-Pannenfahrt mit Flixbus

Der Markt für Fernbusreisen boomt. Allein Flixbus zählte im vergangenen Jahr 45 Millionen Fahrgäste, die die günstige Reise per Bus wählten. So auch eine Wienerin, die mit Flixbus von Lissabon nach Wien fuhr. Doch die 55-stündige Reise wurde zur zermürbenden Pannenfahrt. Toilette, Steckdosen und Internet waren unbenutzbar, es gab keine Verpflegung und schließlich wurde auch noch der Busfahrer verhaftet.

Eigentlich wollte die Wienerin mit dem Flugzeug von Portugal nach Wien zurückreisen, da sie aber an einer Nebenhöhlenentzündung erkrankt war, entschied sie sich lieber am Boden zu bleiben und mit dem Bus nach Hause zu fahren. Sie buchte bei Flixbus die Strecke Lissabon – Wien, mit einem Umstieg in Paris und hoffte, die insgesamt 2.800 Kilometer möglichst rasch hinter sich zu bringen.

Ein Flixbus

Flixbus

Anspruch auf Entschädigung nach der EU-Busgastrechteverordnung gibt es nur bei Linienbussen, die zurückgelegte Strecke muss zudem länger als 250 Kilometer sein und der Abfahrts- oder Ankunftsort muss in der EU liegen

Defekte Ausstattung

Reisen mit „Komfort an Bord“ so bewirbt der deutsche Busdiskonter Flixbus die Ausstattung seiner Fahrzeuge auf seiner Website. Doch der Bus aus Lissabon konnte dieses Versprechen nicht halten. „Die Toilette war unbenutzbar, die Steckdosen haben nur sporadisch funktioniert und das WLAN gar nicht“, so die Konsumentin im Gespräch mit help.ORF.at. Auch gab es, anders als beworben, keine Möglichkeit, Getränke und Snacks an Bord zu kaufen.

Keine Informationen vom Buslenker

Die Wienerin versuchte es sich trotzdem bequem zu machen und etwas zu schlafen, als um 1:30 Uhr plötzlich das Licht im Bus anging und der Buslenker eine 15-minütige Pause verkündete. „Ich bin ausgestiegen und habe die Toilette aufgesucht, habe aber meine Jacke im Bus gelassen, weil ich gleich wieder einsteigen wollte,“ so die Wienerin. Doch als sie zurückkam, war der Bus weg.

Zusammen mit den anderen Passagieren wartete die Wienerin bei neun Grad in der Kälte. Erst nach einer dreiviertel Stunde kam der Lenker zurück und gab an, dass er tanken war.

Busfahrer verhaftet

Schon am nächsten Vormittag ereignete sich der nächste Zwischenfall. Diesmal stoppte die französische Polizei den Autobus. „Wir mussten alle aussteigen und sowohl unser Handgepäck, als auch unsere Koffer aus der Ladeklappe vor uns stellen. Die Polizei hat dann alles kontrolliert und durchsucht“, so die Konsumentin.

Als sie gerade wieder in den Bus einstieg, sah sie, wie ein Mann von fünf Polizisten umringt und offenbar festgenommen wurde. Es stellte sich heraus, der Mann war der Buslenker, der wegen Drogenmissbrauchs verhaftet wurde. „Die Polizei hat uns dann noch gefragt, ob jemand den Bus lenken kann, weil der Fahrer jetzt festgenommen wird“, so die Wienerin.

Vier Stunden Wartezeit auf Ersatzfahrer

Wenig überraschend musste ein Ersatzfahrer kommen, was weitere vier Stunden dauerte. Doch statt auf direktem Weg nach Paris zu fahren, fuhr der neue Fahrer mit hoher Geschwindigkeit mehrere Runden in einem Kreisverkehr, blieb mitten auf einer Autostraße stehen, um zu einer Ausfahrt zurückzuschieben und telefonierte auch noch während der Fahrt. „Ich hab wirklich Angst bekommen und dachte der Bus kippt jeden Moment um,“ so die Wienerin.

Ein weiterer Fahrerwechsel folgte und der diesmal professionelle und freundliche Buslenker brachte die Passagiere schließlich mit sechs Stunden Verspätung nach Paris. Umstieg und Weiterfahrt im Flixbus nach Österreich erfolgten problemlos, nach insgesamt 55 Stunden kam die erschöpfte Wienerin zu Hause an.

Reisende steigen in einen Flixbus

Flixbus

Polizeikontrollen an der Grenze und auch zwischendurch gehören bei Busreisen zum Alltag

Busgastrechteverordnung regelt nur verspätete Abfahrt

Zurück in Wien wollte die Konsumentin eine Entschädigung von Flixbus - zu Recht so Jurist Reinhold Schranz vom Europäischen Verbraucherzentrum Österreich (EVZ). In dem Fall sei wirklich viel zusammengekommen und das müsse die Konsumentin nicht hinnehmen, so Schranz. Die Busfahrt, die Flixbus hier angeboten habe, sei seines Erachtens so nicht mehr rechtlich zulässig.

Doch während die EU Fluggastrechteverordnung ab einer Verspätung von drei Stunden eine Entschädigung für den Reisenden vorsieht, sind die Rechte der Buspassagiere im Vergleich recht mager. Denn die Busgastrechteverordnung sieht nur eine Entschädigung vor, wenn die Fahrt ausfällt bzw. um mindestens 120 Minuten verspätet vom Abfahrtsort startet. Verspätungen, die sich während der Fahrt ergeben, sind nicht abgedeckt.

Ausstattung auf Fernreisen muss funktionieren

Trotzdem habe die Konsumentin ein Recht auf Entschädigung und zwar nach dem Schadenersatzrecht, so der EVZ-Jurist. Auch die mangelnde Ausstattung des Busses müsse sie nicht hinnehmen. Diese müsse gerade auf Fernreisen funktionieren, andernfalls hafte Flixbus.

Dieser Fall gehe aber noch weit darüber hinaus. „Wenn ein Dienstleister wie Flixbus Fahrer beschäftigt, die nachweislich unter Drogeneinfluss stehen, dann ist das ein Straftatbestand, meines Erachtens nach, der Tatbestand Gemeingefährdung. Und dieser ist dann auch von den Strafbehörden zu verfolgen“, so Schranz.

EVZ hilft bei Durchsetzung von Ansprüchen

Das Münchner Fernbusunternehmen bedauert in einer Stellungnahme gegenüber help.ORF.at den Vorfall. Der betroffene Fahrer sei demnach unmittelbar nach Verifizierung des Vorfalls entlassen worden. Der Passagierin werde die Fahrt erstattet, sowie eine weitere Freifahrt angeboten.

Kommt es zu Problemen auf Fernbusreisen sollten Passagiere diese möglichst mit Fotos und Videos dokumentieren und sich nicht von Flixbus mit Standardbriefen abwimmeln lassen, rät EVZ-Jurist Schranz. Sei man mit der eigenen Beschwerde bei Flixbus nicht erfolgreich, könnten Konsumenten sich an das Europäische Verbraucherzentrum Österreich wenden und die dortigen Juristen würden versuchen die Ansprüche durchzusetzen.

Beate Macura, help.ORF.at

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