„Keyless-Go“ macht es Autodieben leicht

Das Problem ist nicht neu und dennoch aktuell: Fahrzeuge mit Komfortschließsystemen, bei denen der Schlüssel lediglich mitgeführt werden muss, sind nach wie vor leicht zu knacken - und das obwohl Autofahrerclubs seit Jahren darauf aufmerksam machen.

Die Schwachstelle gibt es, seitdem die ersten schlüssellosen Schließsysteme um die Jahrtausendwende in der automobilen Oberklasse eingeführt wurden. Pionier war damals Mercedes Benz. Der Stuttgarter Autokonzern nannte sein System „Keyless Go“, die geschützte Wortmarke wurde zum Deonym: Einer generischen Bezeichnung für Komfortschließsysteme.

Schlüsselsignal öffnet und startet

Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Der Schlüssel, der meist keinen klassischen Bart mehr besitzt, der in ein Schlüsselloch passen würde, muss nur in der Hosentasche mitgeführt werden. Nähert man sich dem Fahrzeug und greift nach der Türschnalle, empfängt das Steuergerät im Auto das Signal vom Schlüssel und die Türen werden entriegelt. „Das Problem bei ‚Keyless Go‘ ist, dass der Schlüssel zwei Funktionen hat. Nämlich Öffnen und Starten“, sagt ÖAMTC-Techniker Steffan Kerbl gegenüber help.ORF.at. „Wenn es Kriminellen gelingt, die Reichweite des Schlüsselsignals zu verlängern, öffnen sie nicht nur das Fahrzeug, sondern sie starten es auch gleich.“

Der Keyless Go Schlüssel einer Mercedes-Benz M-Klasse

APA/dpa/Uli Deck

Der „Keyless-Go“-Schlüssel einer Mercedes M-Klasse

Ungefähr zehn Jahre habe es nach Markteinführung gedauert, bis professionelle Fahrzeugdiebe erkannt haben, dass Keyless Go das Autoknacken ernorm erleichtern kann – das das richtige Equipment vorausgesetzt. Benötigt wird dazu ein sogenannter Reichweitenverlängerer. Die Schlüssel senden ihr Signal normalerweise nur ein paar Schritte weit. Der Verlängerer dagegen fängt das Signal, verstärkt es und sendet es über deutlich längere Strecken an einen Empfänger neben dem Auto. Mehrere hundert Meter Reichweite sind hier möglich. Sonst macht der Reichweitenverlängerer nichts, die übermittelte Information wird nicht verändert.

Autoknacker-Hardware ist frei erhältlich

Solche Geräte sind frei auf dem Markt verfügbar. „Man braucht einen zweiten Kriminellen beim Auto, der mit dem zweiten Gerät beim Auto steht. Das Steuergerät des Autos glaubt dann, sich mit dem Originalschlüssel zu unterhalten - was auch stimmt“, so Kerbl. Das funktioniert auch durch Wände und Haustüren. Liegt der Schlüssel beispielweise in der Garderobe oder auf dem Fensterbrett, reicht das schon. Der ganze Vorgang dauert nur einige Sekunden.

„Wenn das Fahrzeug einmal in Betrieb genommen wurde, kann man so lange weiterfahren, bis der Tank leer ist. Und wenn die Diebe bei laufendem Motor nachfüllen, fahren sie durch halb Europa. Und das macht die Sache hinsichtlich Diebstahlschutz eigentlich so dramatisch“, kritisiert Kerbl. Denn während der Fahrt fragen die Steuergeräte der Autos nicht ständig nach dem Schlüssel, beziehungsweise, sie reagieren nicht auf seine Abwesenheit. Um nicht zum Verkehrsrisiko zu werden, schalten sich die Autos nicht unvermittelt ab, wenn der Schlüssel nicht mehr angefunkt werden kann.

Autobranche ignoriert Sicherheitslücke seit Jahren

Das Problem ist seit Jahren bekannt, reagiert haben die Autohersteller bisher kaum. Der ÖAMTC und der deutsche ADAC appellieren an die Branche, diese Sicherheitslücke endlich zu schließen – die Technologie dafür gebe es bereits, das hätten Tests gezeigt. Von 273 Autos mit „Keyless-Go“-Systemen ließen sich vier Modelle nicht von einem Reichweitenverlängerer überlisten: Bei Jaguar und Land Rover (beide Marken gehören zum indischen Tata-Konzern) wird ein System eingesetzt, das das Signal nicht nur verifiziert, sondern auch überprüft, wie lange es vom Schlüssel zum Auto braucht. Dauert es zu lang, bleibt die Tür zu. Es sei unverständlich, warum nicht längst alle Marken auf diese Technik zurückgreifen, sagt Steffan Kerbl.

Schlüssellose Systeme verschiedener Automarken

ÖAMTC

Keyless-Systeme verschiedener Hersteller im ÖAMTC-Test

Sorgen um Gelegenheitsdiebe, die den Schlüssel im Vorbeigehen auslesen, müsse man sich dennoch nicht machen, beruhigt der ÖAMTC-Techniker. Die Methode ist teuer, für die nötigen Geräte werden fünfstellige Beträge verlangt, sie sei daher nur für organisierte Banden interessant, die Autos auf Bestellung stehlen. Besitzer teurer Autos sollten aber nicht leichtsinnig mit ihrem Schlüssel umgehen.

Schlüssel in die Keksdose

Das heißt zum Beispiel, den Schlüssel nicht im Eingangsbereich von Haus oder Wohnung aufbewahren. Oder in metallischer Umgebung, etwa einer Keksdose, empfiehlt Steffan Kerbl: „Es gibt auch Schlüsseltascherl, die innen metallisch beschichtet sind. Jede metallische Oberfläche, die ich rund um den Schlüssel bringen kann, blockiert sofort das Signal. Es ist halt nur weniger schick, die ganze Keyless-Go-Funktion ist dann halt unterbrochen, ich muss für jedes mal öffnen, den Schlüssel aus diesem Tascherl rausnehmen.“

Manchen Autobauern fallen zu dem Problem auch nur teils lebensfremde Behelfslösungen ein. Dem ARD-Magazin Marktcheck sagte etwa Porsche, man sollte das Auto eben nur in einer abgeschlossen Garage abstellen. Mercedes sagte der ARD sogar, man sollte das System - für das Aufpreis gezahlt wurde - in der Werkstatt deaktivieren lassen.

Matthias Däuble, help.ORF.at