Made in Austria? Wie weit Lebensmittelkennzeichnung gehen soll

Die Regierung plant strengere Herkunftsbezeichnungen für verarbeitete Produkte wie Wurstwaren und Fertiggerichte. Künftig muss angegeben werden, woher die Hauptzutat eines verarbeiteten Lebensmittels kommt. Während Greenpeace schon seit Längerem eine strengere Kennzeichnungspflicht fordert, steht der Fachverband der österreichischen Lebensmittelindustrie dem Vorhaben skeptisch gegenüber.

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Bei Frischwaren sind strenge Herkunftsbezeichnungen in Österreich schon längst gang und gebe. Fleisch, Eier oder Milchprodukte lassen sich in der Regel bis zum Betrieb des Erzeugers zurückverfolgen. Bei den meisten verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurstwaren oder Fertiggerichten sucht man Herkunftsbezeichnungen für die verwendeten Zutaten derzeit vergeblich. Ein rot-weiß-rotes Banner, das Konsumentinnen und Konsumenten auf Verpackungen entgegenleuchtet, ist nach wie vor keine Garantie dafür, dass die verwendeten Zutaten auch aus Österreich stammen.

Strengere Herkunftsbezeichnung für Fertigprodukte

Im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) arbeitet man gerade an strengeren Bestimmungen für verarbeitete Produkte und Großküchen. Künftig muss auf der Verpackung eines Produkts verpflichtend angegeben werden, woher die Hauptzutat stammt. Etwa durch eine Aufschrift wie: „Wurst aus österreichischem Schweinefleisch“ oder „Nudeln mit Eiern aus Österreich“. Betroffen sind Produkte, die zu mehr als der Hälfte aus Eiern, Milch oder Fleisch bestehen. Außerdem sollen die Bestimmungen auch für Großküchen gelten. Denn anders als im Einzelhandelsgeschäft kann man in Kantinen oder gegebenenfalls auch Restaurants bisher nicht eruieren, woher die verwendeten Nahrungsmittel stammen.

Tiefkühlregal im Supermarkt

Karin Fischer/ORF.at

Tiefkühlprodukte: Bald soll draufstehen, was drin ist

Die neuen Regeln sollen noch 2019 in Kraft treten. Sie sollen Konsumentinnen und Konsumenten den Griff zu heimischen Produkten erleichtern und somit auch einen Wettbewerbsvorteil für die Hersteller bringen. Auch würden dadurch positive Akzente bei der Bekämpfung des Klimawandels gesetzt, da lange Transportwege nicht nur hohe Kosten, sondern auch einen hohen CO2 Ausstoß verursachen.

Greenpeace: nur ein erster Schritt

Die Umweltorganisation Greenpeace sieht in den Maßnahmen einen wichtigen ersten Schritt, man hätte sich jedoch weitergehende Maßnahmen gewünscht, so Greenpeace-Agrarexperte Sebastian Theissing-Matei im Gespräch mit help.ORF.at. Neben einer Herkunftsbezeichnung wünscht sich Theissing-Matei auch verpflichtende Informationen über Haltungsbedingungen bei Tieren und über die Qualitätsstandards der verwendeten Nahrungsmittel. Theissing-Matei verweist in diesem Zusammenhang auf die Kennzeichnungspflichten, die etwa für frische Eier in Österreich gelten.

Kennzeichnung von Hühnereiern

Vier Pfoten

Bei der Kennzeichnung von Eiern agiert Österreich vorbildlich

Die genaue Unterteilung in Boden-, Freiland- oder Bioeier habe dazu geführt, dass Eier aus Käfighaltung mittlerweile zur Gänze aus den Regalen österreichischer Supermärkte verschwunden seien, argumentiert Theissing-Matei. Dies sei ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Kundinnen und Kunden keine Käfigeier wollen. Dementsprechend sollten diese Regeln auch für verarbeitete Produkte gelten. Bei Back- oder Teigwaren habe man auch nach Inkrafttreten der neuen Regelungen keine Möglichkeit festzustellen ob Käfigeier bei der Produktion verwendet worden seien oder nicht, so Theissing-Matei.

Lebensmittelindustrie setzt auf Freiwilligkeit

Oskar Wawschinek, Pressesprecher des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), betont gegenüber help.ORF.at, dass die Haltungsform eines Tieres nichts mit der Herkunft zu tun habe. Hinsichtlich einer Herkunftskennzeichnung setze der Fachverband weiterhin auf eine freiwillige Kennzeichnung, wie sie etwa im Rahmen des AMA-Gütesiegels bereits vorhanden sei. Eine verpflichtende Kennzeichnung lehne man ab, da dies die Produktion verteuere und somit Wettbewerbsnachteile für österreichische Produzentinnen und Produzenten gegenüber ausländischen Mitbewerbern nach sich ziehen würde, so Wawschinek.

Österreichische Lösung ab Mitte 2020 obsolet

Es sollten für alle Herstellerinnen und Hersteller im Unionsraum gleiche Regeln gelten, meint Wawschinek. Diese Situation wäre bereits ab dem 1. April 2020 gegeben. An diesem Tag tritt eine europaweite Regelung für eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung in Kraft, die festlegt, dass die Herkunft der Primärzutat eines verarbeiteten Lebensmittels angegeben werden muss. Dass man wenige Monate vor Inkrafttreten einer einheitlichen Regelung einen nationalen Alleingang starten wolle, kann Wawschinek nicht nachvollziehen.

Greenpeace-Experte Theissing-Matei kritisiert das Beharren auf der Freiwilligkeit. In Fällen, wo etwa Käfigeier bei der Produktion eines Fertiggerichts verwendet würden, würden die Produzentinnen und Produzenten dies klarerweise nicht kenntlich machen, da sie wüssten, dass solche Produkte nicht nachgefragt werden. Nur eine ausführliche Klassifizierung der Zutaten, die auch auf das Tierwohl und biologischen Anbau Rücksicht nehme, könne sicherstellen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher Klarheit darüber erhalten, wie ihre Nahrungsmittel produziert worden sind.

„Kunden wollen Qualität nur zu einem kleinen Preis“

Industrievertreter Wawschinek argumentiert, dass eine derart weitreichende Kennzeichnung zu erheblichen logistischen Herausforderungen für die Betriebe führen würde. Die einzelnen Zutaten müssten separat angeliefert und gelagert werden, um eine genaue Klassifizierung vornehmen zu können. Je mehr Einzelheiten über ein Produkt auf der Verpackung vermerkt werden sollen, desto größer und kostenintensiver sei der Aufwand und desto höher sei die Gefahr, dass Fehler unterlaufen. Schließlich seien die Betriebe dann dafür verantwortlich, dass die Angaben auch korrekt sind. Die daraus resultierenden Kosten würden von den Konsumentinnen und Konsumenten erfahrungsgemäß nicht abgedeckt, so Wawschinek. In Umfragen würde zwar meist angeben, dass diese bereit wären, für qualitativ hochwertige Produkte einen höheren Preis zu bezahlen, in der Praxis sehe das aber meist anders aus. Tatsächlich würden die meisten zu günstigen Produkten greifen, die Bereitschaft, für Qualität mehr zu bezahlen, bewege sich in der Regel im Cent-Bereich.

Frau liest Etikett mit Inhaltsstoffen im Supermarkt

Mitja Kobal / Greenpeace

Der Preis ist oft wichtiger als die Qualität

Importe einer Exportnation

Wawschinek verweist außerdem darauf, dass die österreichische Lebensmittelindustrie in vielen Bereichen auf Importe angewiesen sei. So würden etwa qualitativ hochwertige Eier von den Landwirten zum Teil auch ins Ausland exportiert. Diese Eier würden in der Folge der verarbeitenden Industrie nicht mehr zur Verfügung stehen, weshalb man auf Importware angewiesen sei. Dies bedeute eine zusätzliche Hürde bei der genauen Kennzeichnung von Zutaten, da je nach Marktlage die Lieferanten und somit auch Gegebenheiten wie Tierhaltung und Anbaumethode wechseln können. Die Angaben auf der Verpackung müssten demnach laufend aktualisiert werden, was wiederum mit einem enormen Aufwand verbunden wäre.

Greenpeace fordert Umdenken der Produzierenden

Greenpeace-Experte Theissing-Matei setzt darauf, dass strengere Kennzeichnungen mittelfristig zu einem Umdenken der verarbeitenden Industrie führen werden. Wenn etwa grundsätzlich keine Käfigeier in die Produktion gelangen und nur noch hochwertige Produkte bei der Verarbeitung eingesetzt würden, wäre auch der logistische Aufwand für die verarbeitende Industrie wesentlich geringer, so Theissing-Matei. Greenpeace setzt in diesem Zusammenhang auf die Mitarbeit der Supermärkte, die dazu aufgerufen sind, alle Produkte ihres Sortiments entsprechend zu kennzeichnen.

Ein Supermarkt könne vielleicht auf die Produzenten seiner Eigenmarken Einfluss nehmen, bei anderen Herstellern seien den Betreibern aber die Hände gebunden, entgegnet Wawschinek. Eine einheitliche europäische Lösung sei der einzig gangbare Weg, um eine faire Lösung für alle zu garantieren.

Kampf dem Gammelfleisch

Lebensmittel- und Fleischskandale sind in der EU keine Seltenheit. Die vergangenen Jahre brachten Gammelfleisch aus Brasilien und Polen, minderwertiges Pferdefleisch anstelle von hochwertigem Rindfleisch in der Lasagne und niederländische Eiprodukte, die mit dem Insektizid Fipronil verunreinigt waren. Erst kürzlich wurde bekannt, dass ein ukrainischer Großbetrieb minderwertiges Hühnerfleisch unter Missachtung etlicher EU-Lebensmittel- und Tierschutzbestimmungen in den Unionsraum importiert hat.

Ein Labormitarbeiter schlägt ein Ei auf

APA/dpa/Marcel Kusch

Fipronil-Eier kamen in verarbeiteter Form auch nach Österreich

Verpflichtenden Kennzeichnungen kann Industrievertreter Waschinek dennoch nichts abgewinnen. Egal, woher ein Lebensmittel komme, es müsse immer sicher sein. Das gelte sowohl für Lebensmittel aus Österreich als auch für solche aus der EU oder aus Drittstaaten. Mikroorganismen oder Chemikalien, die Menschen krank machen können, würden vor keiner Grenze halt machen und kümmern sich nicht um Herkunft. Regionale Lebensmittel würden zwar ein subjektives Sicherheitsgefühl vermitteln, seien aber keine Garantie für echte Lebensmittelsicherheit, meint Wawschinek und verweist auf den österreichischen Listerienskandal von 2017 bei dem es sogar ein Todesopfer gab. Eine verpflichtende nationale Herkunftskennzeichnung würde zwar die heimischen Hersteller gegenüber ausländischen benachteiligen, die Lebensmittelsicherheit aber in keiner Weise erhöhen, so Wawschinek.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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