Jeder Klick pickt: Was Amazon, Google und Co. über uns wissen

Einkaufen, suchen, streamen: Egal, was wir im Internet machen, wir hinterlassen eine deutliche Datenspur - Daten, die von Unternehmen wie Google, Netflix und Amazon gespeichert und verarbeitet werden. Wie genau die Internetkonzerne ihren Kunden auf die Finger schauen, wird erst klar, wenn die Herausgabe der gespeicherten Daten gefordert wird.

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Internetunternehmen wie Google, Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Onlinehändler wie Amazon haben eines gemeinsam: Sie alle speichern die Daten ihrer Kundinnen und Kunden und erstellen personalisierte Identitätsprofile. Die Firmen begründen dieses Vorgehen meist damit, dass sie Konsumentinnen und Konsumenten auf diese Weise Produkte empfehlen können, die den persönlichen Geschmack des individuellen Kunden auch wirklich treffen.

Unternehmen müssen Kundendaten offen legen

Die Europäische Union (EU) hat es den Unternehmen mittlerweile zumindest ein bisschen schwieriger gemacht, beliebig Daten zu sammeln, zu speichern und an andere Firmen weiterzugeben. Gemäß der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben die Unternehmen nun auch genau festgelegte Auskunftspflichten. Konsumentinnen und Konsumenten können die gespeicherten Daten ausheben lassen und einsehen.

Ein Smartphone vor einem Bildschirm mit den Logos von Google, Apple, Facebook und Amazon

APA/AFP/Damien Meyer

Ansuchen um Datenauskunft kann zum Geduldspiel werden

Um für ihr Buch „Die Daten, die ich rief - Wie wir unsere Freiheit an Großkonzerne verkaufen“ zu recherchieren, hat die Datenschutzaktivistin und Bloggerin Katharina Nocun genau das getan. Sie hat etliche deutsche und internationale Unternehmen zur Herausgabe ihrer persönlichen Nutzerdaten aufgefordert. Bei Amazon habe sie ganz klassisch per Brief um ihre Datensätze angesucht, erzählt Nocun. Der Onlinegigant habe sich zunächst wenig kooperativ gezeigt, mit der Zeit habe sich daher eine „intensive Brieffreundschaft“ entwickelt.

Bei Amazon wird jeder Klick protokolliert

Amazon habe ihr zunächst empfohlen, die in ihrem Nutzerprofil vorhandenen Daten abzurufen. Da sie um genauere Informationen bat, habe ihr Amazon kurzerhand das Nutzerprofil auf CD zugeschickt. Nocun beharrte darauf, dass sie Anspruch auf alle über sie gespeicherten Daten habe. Nach etwa vier Monaten habe sie eine weitere CD erhalten. Diese enthielt nun tatsächlich ausführliche Datensätze. Unter anderem eine Datei mit der Bezeichnung „Klick-Stream“. Die Datei enthielt eine Excel-Tabelle, die 15.365 Zeilen umfasst habe, so Nocun. Jede Zeile sei in bis zu 50 Spalten unterteilt gewesen.

Das Logo des Internethändlers Amazon ist auf einem i-Phone zu sehen

APA/dpa

Amazon unterteilt einen Mausklick in bis zu fünfzig Kategorien

Schließlich habe sie erkannt, dass die Tabelle eine genaue Analyse ihrer letzten 15.365 Klicks auf Amazon enthielt. Jeder Klick habe eine eigene Zeile in der Tabelle erhalten und war mit zahlreichen Unterinformationen versehen. Im Klick-Stream sei eine beachtliche Zahl an Informationen vermerkt gewesen, erzählt die Datenschutzaktivistin. Jedes Bild, das sie sich jemals auf Amazon angesehen habe, und jede Suchanfrage, die sie jemals an das Onlineportal gerichtet habe. Darüber hinaus waren präzise geographische Aufzeichnungen ebenso vorhanden wie die Angabe der Website, von der aus sie den Onlineshop besucht habe. Amazon konnte also ihren Aufenthaltsort zu jeder Zeit rückverfolgen und wisse darüber hinaus auch, dass sie gerne „Spiegel-Online“ lese, so die Bloggerin.

„Unternehmen versuchen, wunden Punkt zu finden“

Es sei alles in allem eine „gruselige Erfahrung“ gewesen. Es sei eine Sache, theoretisch zu wissen, dass man überwacht wird, und etwas völlig anderes, zu sehen, dass man vor sieben Monaten nachts um drei Uhr noch nach Babysachen gesucht habe. Dass der Onlineanbieter eine derart umfassende Informationsdatenbank anlegt, sei bedenklich, meint Nocun. Informationen, wer zu welcher Uhrzeit nach bestimmten Produkten suche, ließen ja bereits jede Menge Schlüsse auf die Persönlichkeit des Kunden zu. Das könne dem Unternehmen helfen, „den wunden Punkt“ eines Menschen zu finden. Etwa, wann ein bestimmter Kunde besonders anfällig für den Kauf alkoholischer Getränke sei und wann man ihm diese gut unterjubeln könne.

Dadurch, dass wir uns an die Tatsache gewöhnt haben, dass Großunternehmen unsere Gewohnheiten und Vorlieben umfassend protokollieren, legen wir Informationen bedenkenlos offen, die wir andernorts wohl eher für uns behalten hätten, meint Nocun. Im Supermarkt würde man es ja auch übergriffig finden, wenn etwa ein Auszubildender hinter dem Einkaufswagen herläuft, um genau zu protokollieren, welche Nahrungsmittel man in den Korb legt. Oder ob man etwa kurz zu einer Packung Kartoffelchips greift, um diese nach einem Blick auf die Kalorientabelle schnell wieder im Regal verschwinden zu lassen. Ein solches Verhalten empfänden wir wohl als „höchst übergriffig“, so Nocun, genau das geschehe aber online.

Google-Daten über das Benutzerkonto abfragen

Nach den Erfahrungen, die sie im Laufe ihrer Recherchen gesammelt hat, empfiehlt Katharina Nocun Konsumentinnen und Konsumenten, es ihr gleichzutun und ihre persönlichen Datensätze in Augenschein zu nehmen. Bei manchen Unternehmen ist das teilweise auch online möglich. Bei Google und Facebook kann zumindest ein gewisser Teil der Datensätze über das Benutzerkonto abgefragt werden. Doch schon dieser kleine Teil gebe einen „verräterischen Einblick“, so Nocun. Bei Facebook sehe man beispielsweise alle Personennamen, die man seit dem Beitritt zu der Social-Media-Plattform abgefragt hat. Auf diese Weise würden etwa alle Schwärmereien oder Partybekanntschaften von Jugendlichen gespeichert. Ein massiver Eingriff in die Privatsphäre, meint die Autorin.

PC Bildschirm Facebook

ORF.at/Zita Köver

Google und Facebook geben im Benutzerkonto einen Einblick in den Datenschatz

Nocun: DSGVO ist nur ein erster Schritt

Wer einen genaueren Überblick über die Informationen haben möchte, die Unternehmen im Laufe der Zeit gespeichert haben, sei trotz der gesetzlich geregelten Auskunftspflicht auf die Kooperation der einzelnen Anbieter angewiesen, sagt Nocun. Diese können es einem leicht oder auch schwer machen. Als relativ positives Beispiel nennt die Bloggerin den Streaminganbieter Netflix. Dort könne man die Daten per E-Mail anfordern und bekomme diese nach erfolgter Identifikation innerhalb eines Monats zugeschickt. Das Problem sei, dass angeforderte Datensätze generell oft unvollständig seien. Man sollte sich daher vorher darüber informieren, welche Daten von den einzelnen Unternehmen tatsächlich erhoben werden, um überprüfen zu können, ob man wirklich alle Informationen erhalten hat.

Die kürzlich in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sei ein guter und wichtiger erster Schritt für verbesserten Datenschutz und dürfte es den Konsumentinnen und Konsumenten künftig einfacher machen, Einblick in persönliche Kundendaten zu erhalten, meint Nocun. Die Datenschutzaktivistin hofft trotzdem auf weitere Schritte der Regierungen, um die Privatsphäre besser zu schützen und den Internetnutzern ein gewisses Maß an Anonymität im Netz zurückzugeben.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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