OGH: Banken müssen verdeckte Provisionen offenlegen

Heutzutage sind Bankangestellte auch häufig als Finanzberater tätig. Haben Banken hier aber tatsächlich das Wohl der Kunden im Auge? Der Fall eines hochspekulativen Immobilienfonds zeigt, dass für den Verkauf von Finanzprodukten geheime Provisionen geflossen sind. Dem hat der Oberste Gerichtshof (OGH) nun einen Riegel vorgeschoben. Banken müssen Kunden über verdeckte Zahlungen informieren.

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In den Jahren 2002 bis 2008 wurden Beteiligungen an Immobilien- und Schifffahrtsfonds des Hamburger Investmenthauses Münchmeyer Petersen Capital AG (MPC Capital) von österreichischen Banken intensiv an Kunden vermittelt. Die Rede ist von den sogenannten Holland-Fonds. Was viele Anlagekunden nicht wussten, ist, dass die vermeintlich sichere Beteiligung in Wahrheit eine Gesellschaftsbeteiligung mit einem höheren Risiko war, so Help-Jurist Sebastian Schumacher.

Ab dem Jahr 2013 verloren die Anlageobjekte im Zuge der Immobilienkrise ihren Wert. Viele Privatinvestoren verloren nicht nur ihre Einlagen, sie waren als Beteiligte auch dazu verpflichtet, bereits erhaltene Ausschüttungen an geschädigte Anleger zurückzuzahlen. Sebastian Schumacher vertrat vor Gericht einen Kunden der Raiffeisen Landesbank Wien – Niederösterreich, der 350.000 Euro in Holland-Fonds investiert hatte.

Eine Stunde Finanzberatung für 10.500 Euro

Als Vermittlungsgebühr verrechnen Banken in solchen Fällen üblicherweise eine Provision von fünf Prozent der veranlagten Summe, das sogenannte Agio. In seinem Fall wäre man bereit, dieses Agio auf drei Prozent zu reduzieren, erklärte der Bankberater damals seinem Kunden. Sein Mandant habe „bereits Bauchweh“ gehabt, die drei Prozent zu bezahlen, sagt Schumacher. In absoluten Zahlen habe es sich hier ja bereits um eine Provision von 10.500 Euro gehandelt, so der Help-Jurist: „Das ist ja nicht gerade wenig, für ein einstündiges Beratungsgespräch.“

Raiffeisen-Schild

ORF.at/Carina Kainz

Raiffeisen kassierte Provisionen für das Vermitteln von Finanzprodukten

Da die Bank die Vermittlungsprovision aber gesenkt hatte und ihm das Gefühl gab, ein wichtiger und guter Kunde zu sein, entschied sich Schumachers Mandant, das Angebot anzunehmen, und zeichnete den Vertrag. Im Zuge des Verfahrens stellte sich aber heraus, dass es für die Großzügigkeit der Raiffeisen durchaus Gründe gab.

Vermittlungsprovision hinter dem Rücken des Kunden

Was der Kunde nämlich nicht wusste, war, dass die Bank hinter seinem Rücken nochmals drei Prozent als Innenprovision, als sogenannte Kickback-Zahlung, vom Emissionshaus MPC Capital kassiert hatte. MPC Capital hatte der Raiffeisen also eine zusätzliche Provision von drei Prozent der Anlagesumme gezahlt, damit die Bank die Holland-Fonds vermittelt. Ein lukratives Geschäft für die Bank, meint der Help-Jurist.

Die Raiffeisen Landesbank Wien - Niederösterreich habe im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 mehrere dieser Holland-Fonds exklusiv vertrieben und damit höhere Provisionen erzielt als andere Banken, so Schumacher. Darüber hinaus habe es interne Schulungen gegeben, die durch das Emissionshaus MPC Capital durchgeführt wurden. Bei einzelnen Produkten seien sogar Golddukaten ausgegeben worden, wenn Holland-Fonds vermittelt wurden. Hätte sein Mandant von all dem gewusst, hätte er die Investition nicht getätigt und sein Kapital in eine Vorsorgewohnung investiert, so der Rechtsanwalt.

Kein Gewinn ohne Kickback

Das Verfahren erstreckte sich über fünf Jahre und ging zweimal an den OGH. Das Höchstgericht wollte wissen, ob die Raiffeisen Landesbank die Beteiligungen auch dann vertrieben hätte, wenn keine verdeckten Provisionen durch das Emissionshaus MPC Capital geflossen wären. Das konnte die Bank aber nicht nachweisen. Im Gegenteil. Der Produktverantwortliche der Holland-Fonds sagte vor Gericht aus, dass die Bank erst bei einer Provision von 3,5 Prozent in der Gewinnzone gewesen wäre. Da sein Mandant das Agio jedoch von fünf auf drei Prozent heruntergehandelt hatte, hätte Raiffeisen einen Verlust eingefahren, wenn sie keine zusätzlichen Provisionszahlungen von MPC Capital erhalten hätte, so Schumacher. Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass Raiffeisen die Holland-Fonds ohne Kickbackzahlung wohl auch nicht vertrieben hätte.

Eine Pensionistin mit Euroscheinen

APA/Harald Schneider

Banken müssen Kunden auf Vermittlungsgebühren aufmerksam machen

OGH: Verdeckte Provisionen sind offen zu legen

Da die Bank ihren Kunden über die Provisionszahlungen durch MPC Capital nicht informiert habe, müsse sie nun Schadenersatz zahlen, so Schumacher: „Der Kunde kann sein Investment zurückgeben und erhält sein eingesetztes Kapital von der Raiffeisen Landesbank.“ Mit seiner Entscheidung habe der OGH nun bestätigt, dass Banken Provisionszahlungen offenlegen müssen. Sollte ein Anleger bemerken, dass hinter seinem Rücken geheime Zahlungen erfolgt sind, kann er klagen. Auf Verjährung könne sich die Bank in so einem Fall nicht berufen, sagt Schumacher. Eine dreijährige Verjährungsfrist beginne erst dann zu laufen, wenn der Kunde über die verdeckten Provisionen Bescheid weiß.

Jurist: Geschenkannahme zum Schaden des Kunden

Geheime Kickbackzahlungen habe es nicht nur im Fall der Holland-Fonds, sondern auch bei anderen Anlagegeschäften gegeben, meint Help-Jurist Schumacher. Somit sei die Entscheidung des OGH von weitreichender Bedeutung im Kampf gegen Korruption: „Die österreichischen Gerichte sind mit der Aufarbeitung diverser Politskandale beschäftigt, wo es verbotene Geschenkannahmen oder Zahlungen gegeben hat. Auch hier geht es darum, dass es Geschenkannahmen und Provisionszahlungen gegeben hat, die zum Schaden des Kunden und zum Wohle der Bank waren.“

Die Klarstellung des OGH sei von Bedeutung für die österreichische Bankenlandschaft und auch für die Kunden, so der Jurist. Man habe als Kunde das Recht, über Zahlungsflüsse informiert zu werden, und wenn die Bank dies im Zuge der Kundenberatung verheimlicht, müsse sie für einen eventuellen Schaden haften. Raiffeisen wollte zu der aktuellen Situation gegenüber help.ORF.at keine Stellungnahme abgeben.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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