Nanotechnologie: Klein, kleiner, unreguliert

Nanopartikel haben unterschiedlichste Einsatzgebiete, von der Regenjacke bis zur Sonnencreme. Doch für die kleinen Teilchen gibt es in der Europäischen Union keine einheitliche Regulierung. Umweltwissenschaftler der Universität Wien wollen das jetzt ändern.

Mit „Nanotechnologie“ wurden vor einigen Jahren noch zahlreiche Produkte beworben. Mittlerweile ist man mit Slogans wie „Hier steckt Nano drin“ vorsichtiger geworden. Denn die Eigenschaften von Nanopartikeln unterscheiden sich mitunter stark von größeren Teilchen des gleichen Stoffes.

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Kennzeichnung reicht nicht

Eine Kennzeichnung alleine, wie sie die Europäische Union seit 2011 für Lebensmittel und Kosmetika mit Nanobestandteilen vorsieht, reiche nicht aus, um den Konsumentinnen und Konsumenten die Skepsis zu nehmen, so Thilo Hofmann vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien. Er hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein Konzept für eine neue, einheitliche Regulierung beim Einsatz von Nanopartikeln erarbeitet.

„Das Label Nano sagt ja nur etwas über die Größe aus, aber nichts über mögliche Risiken oder eine etwaige Toxizität der Stoffe“, so Hofmann. Man müsse also bei jedem Produkt über den gesamten Produktions- und Lebenszyklus des Produktes analysieren, ob es in der Umwelt oder für den Menschen gefährlich sein könnte.

Viele Behörden, unterschiedliche Regeln

Derzeit ist der Einsatz von Nanopartikeln je nach Branche und Produkt sehr unterschiedlich reguliert und es sind verschiedene EU-Behörden dafür zuständig. Bei Medikamenten oder Pestiziden für die Landwirtschaft gibt es strikte Zulassungsverfahren. Dabei wird automatisch überprüft, ob der Stoff in Nanogröße andere, vielleicht gefährliche Eigenschaften hat, als in herkömmlichen Dimensionen.

„Ein Stoff wie Titan-Dioxyd, der die Wandfarbe weiß macht, der in Zahncreme und in Sonnencreme verwendet wird, hat gewisse Eigenschaften, kann als Nanopartikel jedoch ganz andere Eigenschaften haben“, so der Umweltwissenschaftler. Deswegen müsse jeder Nanostoff und jedes Produkt extra überprüft werden. „Und das passiert auch“, so Hofmann weiter.

Absicht oder Zufall?

Bei Lebensmitteln gibt es einen anderen Regulierungsansatz: Hier steht die Frage im Vordergrund, ob Nanopartikel mit Absicht eingesetzt werden oder nicht. Denn auch Naturprodukte enthalten Bestandteile in Nanogröße. Das sorge bei Herstellern für Unsicherheit, denn Absicht oder Zufall ließen sich in diesem Zusammenhang oft nur schwer unterscheiden, sagt Hofmann. „Also diese Begriffe sind schwammig und das ist bei der Regulierung ein Problem“, ergänzt der Umweltwissenschaftler.

An der aktuellen Regulierungssituation kritisiert Hofmann zudem, dass die Behörden die Verantwortung an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben würden. Das Team der Uni Wien plädiert deswegen dafür, die Regulierung zu vereinheitlichen. Alle Produkte, die Nanopartikel beinhalten, müssten die gleichen Zulassungsverfahren durchmachen. Dann könne man sich die wenig aussagekräftigte Nanokennzeichnung auch sparen. Und die Richtlinien dafür müssten vereinheitlicht werden, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überzeugt.

Jenseits des Messbaren

Denn aktuell habe man auch Probleme mit der Messgenauigkeit, sagt Hofmann. Die Nanoregulierung setzt bei einem Größenbereich von einem Nanometer an und hört bei einhundert Nanometer auf. Zum Vergleich: Ein Nanometer verhält sich zu einem Meter ungefähr wie eine Haselnuss zur Erde. Der aktuelle Stand der Technik lässt Messungen in diesen kleinsten Größenordnungen zu, allerdings nur unter kontrollierten Laborbedingungen.

„Wenn wir jetzt eine Packerlsuppe oder eine Sonnencreme untersuchen, sind das komplizierte Gemische, bei denen wir häufig unter 20 Nanometer oder unter 30 Nanometer gar nicht messen können“, erklärt der Umweltwissenschaftler. Das heißt, die Produkte könnten dann gar nicht als „Nano“ klassifiziert werden, weil die entsprechenden Messergebnisse nicht vorlägen.

Keine Risiken, aber Störungen

Bis jetzt habe man allerdings auch keine Risiken identifiziert, die von den Winzlingen ausgehen könnten. Dennoch empfiehlt Hofmann über den Kauf von Produkten mit Nanotechnologie nachzudenken. Denn vieles sei schlicht nicht notwendig, wie etwa Socken die gegen Schweißgeruch mit Silbernanopartikeln imprägniert würden.

Die Partikeln werden schon nach wenige Waschgängen ausgewaschen. Das Nanosilber landet in der Kläranlage und schließlich in den Flüssen. „Das ist nicht gesundheitsschädlich für den Menschen, aber für das Ökosystem könnte es problematisch werden, denn diese Partikel gehören da einfach nicht hin“, so Hofmann.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

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