ÖBB lockt mit „Happy Hour“ nach der Grenze

In ÖBB-Railjets, die von Wien nach Prag unterwegs sind, gibt es „Happy Hours“. Während dieser Zeit werden Speisen und Getränke zu günstigeren Preisen angeboten. Die „Happy Hour“ gilt allerdings nur auf tschechischem Staatsgebiet. Passagiere, die die Züge nur innerhalb Österreichs nutzen, bleiben von den Vergünstigungen ausgenommen.

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Freunde alkoholischer Getränke geraten meist in Feierlaune, wenn diese Stunde schlägt: die „Happy Hour“ - zwei Getränke zum Preis von einem. Auch die ÖBB bieten in Bordrestaurants ihrer Railjets solche „Happy Hours“ an. Und zwar in allen Zügen, die von Wien nach Prag fahren. Das Gute daran: Nicht nur Flüssiges, sondern das ganze Menü wird zu dieser Zeit teils erheblich günstiger serviert. Der Nachteil: Fahrgäste, die nur in Österreich unterwegs sind, sind von den Preisnachlässen ausgenommen.

„Happy Hour“ gilt nicht in Österreich

Die „Happy Hours“ gelten nämlich nur auf dem Staatsgebiet der Tschechischen Republik, sagt ÖBB-Kunde Georg Breinhuber (Name geändert). Auf den Speisekarten seien genaue Uhrzeiten aufgeführt, an denen die „Happy-Hour“-Rabatte gelten. Wer diese Uhrzeiten mit dem Fahrplan abgleiche, der könne feststellen, dass die „Happy Hour“ ausschließlich dann gelte, wenn sich der Zug auf dem Staatsgebiet der Tschechischen Republik befinde, so Breinhuber. Fahrgäste, die sowohl Start- als auch Zielbahnhof in Österreich haben, kommen nicht in den Genuss der Vergünstigungen.

Speisekarte der ÖBB zeigt Happy-Hour-Preise

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Das FIT Frühstück und ein Omelett gibt es zur Happy Hour zum halben Preis

Die Preisunterschiede im Speisewagen seien teilweise beträchtlich, so Breinhuber. So koste ein Omelett 3,50 Euro, während man durch Tschechien reise. In Österreich schlage dieselbe Speise mit 6,90 Euro zu Buche, obwohl doch der Einkaufspreis der Zutaten hüben wie drüben der Gleiche sei, wundert sich der ÖBB-Kunde.

Caterer argumentiert mit Mehrkosten

Ein Großteil der Fahrten von Wien nach Prag wird heute von der Tschechischen Bahn (CD) durchgeführt. Die Speisewagen werden von dem in Prag ansässigen Unternehmen JLV betrieben. Auf Anfrage durch help.ORF.at argumentiert JLV die Preisunterschiede mit Mehrkosten bei grenzüberschreitendem Bahnverkehr. Bei diesen Mehrkosten handle es sich beispielsweise um Reisekosten, die für Mitarbeiter, die auch in Österreich arbeiten, abgegolten werden müssten, so JVL: „Die Unterkünfte für die Mitarbeiter bilden eine weitere Preiskomponente. Nicht zuletzt sind hier auch Steuern in Zielländern zu nennen. Um außerdem die Konkurrenzfähigkeit zu den Preisen auf dem Gebiet der Tschechischen Republik aufrechtzuerhalten, wird schon seit vielen Jahren bei der Durchfahrt durch das Gebiet der Tschechischen Republik die Ermäßigung ‚Happy Hours‘ gewährt.“

Preisgefälle zwischen Österreich und Tschechien

Die Preisniveaus sind tatsächlich höchst unterschiedlich. Österreich liegt bei Konsumgütern bei 109 Prozent im Vergleich zum EU-Durchschnitt, wie aus einer Erhebung des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) aus dem Jahr 2017 hervorgeht. In Tschechien kosten Konsumgüter 68 Prozent im Vergleich zum EU-Durchschnitt.

Auch bei den ÖBB argumentiert man mit den unterschiedlichen Verhältnissen: „Diese Anpassung an die jeweiligen lokalen Preisniveaus ist nicht zu beanstanden und wird in gleicher Weise in der gesamten EU von Wirtschaftstreibenden praktiziert. Eine unzulässige Diskriminierung von Fahrgästen liegt damit keinesfalls vor. Denn die Preise auf den Zügen gelten selbstverständlich für alle Fahrgäste auf den entsprechenden Strecken gleichermaßen und unabhängig von ihrem Wohnort.“

Help-Jurist: Ungleichbehandlung ist problematisch

Aus Sicht der ÖBB und des tschechischen Restaurantbetreibers JLV ist die Maßnahme rechtlich einwandfrei. Help-Jurist Sebastian Schumacher hat da Zweifel. Die Regelung ziele zwar nicht unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit von Zuggästen ab, jedoch sei klar, dass tschechische Staatsbürger eher die Verbindungen in Tschechien nutzen, Österreicher die Verbindungen in Österreich und daher mehr bezahlen. Diese unterschiedliche Behandlung sei aufgrund des Gleichbehandlungsrechts problematisch, da es zu einer unsachlichen Differenzierung komme, so Schumacher.

Die „Happy Hour“ der ÖBB gilt übrigens ausschließlich auf der Strecke von Wien nach Prag. Ein ungarisch geführter Speisewagen bleibt aus österreichischer Sicht also gleich günstig, egal, ob sich der Zug auf österreichischen oder ungarischen Schienen bewegt, ein schweizerisches Bordrestaurant bleibt gleich teuer.

Kunde: Unglückliches Marketing

Die „Happy Hours“ seien jedenfalls ein unglückliches Marketinginstrument, findet ÖBB-Kunde Breinhuber, da die unterschiedlichen Preise auf der Speisekarte österreichischen Inlandskunden fortwährend vor Augen führen würden, dass sie anders behandelt werden. Seine Beschwerde sei keinesfalls nationalistisch motiviert, so Breinhuber. Er fahre sehr gerne in die Tschechische Republik, denke aber, dass eine solche Maßnahme für eine gute Entwicklung nachbarschaftlicher Beziehungen nicht eben förderlich sei. Im Zuge des europäischen Einigungsprozesses sei es wichtig die Kooperation zu stärken, meint Breinhuber. Die derzeit existierenden Preisgefälle sollten aus Sicht des ÖBB-Kunden doch zunehmend der Vergangenheit angehören.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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