Klage wegen Rauswurfs aus Versicherung

Rechtsschutzversicherungen dürfen Kunden nicht einfach kündigen, nur weil sie die Versicherung auch in Anspruch nehmen. Die ARAG hat hier jedoch offenbar eine Hintertüre gefunden: Ein Kunde, der bereits Schadensfälle hatte, wurde dazu gedrängt, von sich aus zu kündigen. Andernfalls droht ihm der Rauswurf. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) brachte dagegen eine Musterklage ein.

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Man muss nicht besonders streitlustig sein, um vor Gericht zu landen. Ein Strafmandat oder ein Nachbarschaftszwist können rasch dazu führen, dass man sich plötzlich vor ­Gericht wiederfindet. Rechtschutzversicherungen sollen dabei helfen, dass man nicht auf den Kosten sitzenbleibt.

ARAG drohte mit Kündigung bei Schadensfall

Ein Versicherungsnehmer erhielt im vergangenen November überraschend Post von seinem Makler. Dieser teilte ihm mit, dass ihn die Rechtsschutzversicherung ARAG nach vielen Jahren als Kunden loswerden möchte, weil er zu hohe Kosten verursache. Oder wie es im Versicherungsdeutsch der ARAG hieß: „Zum genannten Vertrag hat sich das Risiko negativ entwickelt. Frühzeitig informieren wir Sie daher darüber, dass wir den Versicherungsvertrag spätestens zum nächsten Anlassfall kündigen werden“.

Im Klartext: Der Vertrag wird gekündigt, wenn die Versicherung nochmals in Anspruch genommen wird – und sei es auch nur für ein kurzes Beratungsgespräch. Nachsatz der ARAG in dem Schreiben an den Makler: „Um diese Kündigung zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, dass der Kunde den Vertrag von sich aus kündigt“. Dazu solle man wissen, dass es bei einer Kündigung durch die Versicherung schwer sein dürfte, einen Vertrag bei neuen Anbieter zu bekommen.

Versicherungsnehmer sollte selber kündigen

Der Konsument wollte seinen Vertrag aber nicht kündigen und so entwickelte sich ein reger E-Mail-Verkehr zwischen dem Kunden und der ARAG. Doch alle Versuche des Versicherungsnehmers, zu einer Lösung zu kommen, endeten in einer Sackgasse. Die Versicherung blieb bei dem angedrohten Rauswurf.

Aktenberg

ORF.at/Zita Klimek

Streitigkeiten vor Gericht können teuer werden

Das Unternehmen berief sich auf die Schadensquote, auf alte und neue Geschäftsbedingungen - obwohl die neuen gar nicht für diesen alten Vertrag gelten -, auf Höchstgerichtsurteile und auf eigene „ergänzende Vertragsauslegungen“. Diese würden es der ARAG nun erlauben, Kunden nach drei Versicherungsfällen zu kündigen. Sogar eine freiwillige Prämienerhöhung lehnte die ARAG ab. Und stets fand sich der Zusatz: „Einer Eigenkündigung Ihrerseits stimmen wir natürlich jederzeit zu“.

VKI: „Aggressive Geschäftspraxis“

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Auch der „Bürgeranwalt“ berichtet am Samstag, 19.1.2019, ab 18.00 in ORF2 und bringt dazu eine Studiodiskussion.

Der Fall landete schließlich beim VKI, der Klage gegen die ARAG einreichte. Rechtsanwalt Sebastian Schumacher, Konsulent der Ö1-Konsumentenredaktion, vertritt die Verrbaucherschützer in diesem Musterprozess. Seiner Ansicht nach ist die Vorgangsweise der ARAG rechtswidrig. „Hier wird Kunden suggeriert, dass die ARAG ein Kündigungsrecht hätte, das ihr in Wahrheit gar nicht zusteht“. Der Oberste Gerichtshof habe längst entschieden, dass bei befristet abgeschlossenen Rechtschutzversicherungen weder der Versicherungsnehmer noch der Versicherer nach einem Schadensfall vorzeitig kündigen dürfen.

Das wisse die ARAG auch. „Durch die Vorspieglung falscher, rechtlicher Behauptungen wird hier ein Kunde in eine Kündigung hineingetrieben, die er sonst ja nicht aussprechen würde“, so Schumacher. Der VKI wertet das Vorgehen der ARAG als „aggressive Geschäftspraxis“ und als Verstoß gegen das Konsumentenschutzgesetz. Mit der Klage soll erreicht werden, dass die Versicherung das einstellt.

ARAG: „Bedauerlicher Einzelfall“

Help.ORF.at fragte bei der ARAG nach. Es handle sich um einen „bedauerlichen Einzelfall“, bei dem „alles schief gegangen sei, was man sich nur vorstellen“ könne. Das Kündigungsaviso hätte nur an den Makler gehen sollen, nicht an den Kunden. Außerdem sei es zu einem Vertrag geschickt worden, bei dem eine Schadenskündigung gar nicht möglich sei und man habe auf die Anfrage des Kunden falsch reagiert, hieß es.

„Die Kommunikation ist hier nicht glücklich gelaufen, was uns sehr leid tut. In der Zwischenzeit ist der Vorfall im Sinne des Kunden gelöst, sodass der Versicherungsvertrag bis zum vereinbarten Ablauf aufrecht bleibt,“ so das Unternehmen in einer schriftlichen Stellungnahme. Der Einzelfall ist gelöst, aber könnte System dahinter stecken? Will die ARAG grundsätzlich alte Verträge loswerden? „Das sei nicht gängige Praxis“, so das Unternehmen.

Kündigung im Zweifel beeinspruchen

Gerade alte Verträge sind meist vorteilhafter für die Konsumenten. Eine vorzeitige Kündigung durch die Versicherung anzufechten, würde sich hier lohnen, so Schumacher. Die Bedingungen bei neuen Verträgen seien oft schlechter als Altverträge. Häufig sei auch eine höhere Prämie zu zahlen, als mit der ursprünglichen Versicherung vereinbart. „Wenn man eine Kündigung einer Rechtschutzversicherung erhält, sollte man diese sehr genau prüfen und nicht leichtfertig zu einem anderen Versicherer wechseln“, so der Jurist.

Nach der Klage des VKI bleibt abzuwarten, wie es vor Gericht weitergeht. Die ARAG meinte gegenüber help.ORF.at, dass sie eine Einigung mit dem VKI anstrebe. Kommt es zu einem Urteil hätte das auch Signalwirkung für andere Versicherungen. „Keine Versicherung ist verpflichtet, auf zehn Jahre einen Vertrag abzuschließen“, so Schumacher. Bei kürzeren Verträgen könnten die Rechtsschutzversicherungen wählen, ob sie den Vertrag dann verlängern oder nicht. „Nur Eines geht eben nicht: Ich kann nicht einen Vertrag auf zehn Jahr mit dem Kunden abschließen. Der Kunde kommt aus dem Vertrag nicht mehr heraus und ich als Versicherer sage dann: ‚Der hat mir zu viele Streitigkeiten, den kündige ich weg.‘“ Die Spielregeln müssten für beide Seiten gelten, so der Rechtsanwalt.

Karin Fischer, help.ORF.at

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