Wie Flugpassagiere zu ihrem Recht kommen

Verspätete oder ausgefallene Flüge sind in diesem Sommer an der Tagesordnung – zum Leidwesen vieler Reisender. Die Zahl der Beschwerden nahm heuer um fast die Hälfte zu. Gleichzeitig dauert es auch länger, bis Fluglinien Beschwerden von Passagieren bearbeiten. Hinnehmen muss man das nicht.

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Die Flugverspätungen nehmen zu. Im Juli 2018 waren bereits 40 Prozent der Flüge auf dem Flughafen Wien um mindestens 15 Minuten verspätet. Und damit liegt der Airport im europäischen Vergleich noch im Mittelfeld, was die Pünktlichkeit betrifft. In Paris und Brüssel kam heuer im Juli sogar jedes zweite Flugzeug zu spät an. Verbraucherschutzeinrichtungen verzeichnen fast die Hälfte mehr Beschwerden über Unpünktlichkeit.

EVZ: Airlines lassen sich Zeit

„Die Fluglinien benötigen heuer auch länger zur Beantwortung von Kundenanfragen“, sagt Andreas Herrmann, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum Österreich (EVZ). Besonders viel Geduld bräuchten Passagiere derzeit bei Eurowings, Ryanair, der ungarischen Billigfluglinie Whizz Air, sowie bei Vueling und Iberia. Eine vorgeschrieben Frist, innerhalb der eine Airline Kundenbeschwerden bearbeiten muss, gebe es nicht.

Ein Flugreisender vor einem Monitor, der annullierte Flüge anzeigt

APA/dpa/Arne Dedert

Flugverspätungen werden international weiter zunehmen

Viele Airlines hätten bereits vorformulierte Antworten, wonach sie sich bei einer Anfrage in sechs bis acht Wochen melden würden, so der EVZ-Experte. Es sei verständlich, dass Reisende dann verärgert reagieren, wenn sie auch nach acht Wochen keine Antwort erhalten. „Wir finden, die Airlines sollten sich daran halten, wenn sie sich schon einen so langen Zeitraum einräumen“, so der Jurist.

AUA, KLM und Air France am flottesten

Mitunter würden aber auch vier, fünf Monate vergehen, bevor einzelne Beschwerden bearbeitet werden. Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (Apf) des Verkehrsministeriums gibt Airlines sechs Wochen Zeit, um ein Problem direkt mit den Konsumenten zu regeln. Danach schreitet sie ein. Dass es auch anders geht, würden die Fluglinien AUA, KLM und Air France zeigen, die Fälle oft schon nach zwei, drei Wochen gelöst hätten, so Herrmann.

Grundsätzlich gilt, dass sich Airlines bei Problemen um ihre Fluggäste kümmern müssen. Das beginnt bei Informationen am Flughafen, wenn eine Maschine ausfällt oder verspätet ist und geht bis zu der Ausgabe von Getränken und Essen sowie dem Organisieren von Übernachtungsmöglichkeiten, wenn Urlauber auf dem Flughafen gestrandet sind. Schafft es eine Fluglinie nicht, eine Unterkunft zu beschaffen, haben Konsumenten das Recht, sich selbst Taxi und Hotel zu suchen. Wichtig dabei: Sämtliche Rechnungen aufheben, damit man im Nachhinein das Geld von der Airline zurückfordern kann.

Was Passagieren bei Verspätung zusteht

Zusätzlich haben Passagiere auch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, wenn sie mehr als drei Stunden zu spät am Zielflughafen ankommen. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Entfernung ab und beträgt zwischen 250 und 600 Euro. Ausgenommen sind „außergewöhnliche Umstände“ wie Gewitter und Vogelschlag, die Airlines nicht vorhersehen können.

Reisende warten in Berlin auf dem Flughafen Tegel

Jörg Carstensen/dpa

Passagiere müssen Ausfälle und Verspätungen nicht hinnehmen

Dass ein Streik nicht mehr automatisch als „außergewöhnlicher Umstand“ gilt, ist einem Grundsatzurteil in Luxemburg zu verdanken. Die Richter entschieden, dass Lufthansa bei einem angekündigten Pilotenstreik sehr wohl Ausgleichszahlungen leisten muss. Der Billigflieger Ryanair, der heuer besonders von Streiks betroffen ist, will sich daran aber nicht halten.

Anspruch auf Ausgleichszahlungen

Viele Flüge fielen heuer im Sommer komplett aus. Die Fluglinien sind verpflichtet, Passagiere dann wählen zu lassen, ob sie die Ticketkosten zurückhaben wollen oder ob sie mit einer Umbuchung einverstanden sind. Wird der Flug weniger als 14 Tage vorher abgesagt, besteht auch hier Anspruch auf eine Entschädigung.

Juristische Hilfe bekommen Fluggäste kostenlos beim EVZ und bei der Schlichtungsstelle Apf. Zunehmend bieten auch private Flugastrechteportale (Private Claim Companies) ihre Hilfe an, verstärkt auch über Buchungsplattformen im Internet. Das EVZ rät Passagieren, zunächst selbst zu versuchen, Geld von der Fluglinie zurückzubekommen und Fluggastrechteportale erst dann einzuschalten, wenn das scheitert, weil diese eine Provision einbehalten. „Prinzipiell sind das aber gute Einrichtungen“, so Herrmann.

Mehr Passagiere und dichtere Flugpläne

Die Passagierzahlen steigen - international, aber auch in Österreich. Der Flughafen Wien zählte heuer knapp sechs Prozent mehr Fluggäste als im Vorjahr. Dazu kommen dichte Flugpläne der Airlines, die bei kleinsten Verzögerungen aus dem Takt kommen und Wetterkapriolen, die heuer für zusätzliche Turbulenzen sorgten.

Gleichzeitig buchen Reisende Flüge und Hotel zunehmend selber. Dass sie dabei nicht genau aufpassen und Fehler machen würden, lässt der EVZ-Experte nicht gelten. Firmen müssten ihren Kunden alle wichtigen Informationen eindeutig übermitteln. „Wenn Wichtiges wie Check-In-Gebühren oder zusätzliches Entgelt für ein Gepäckstück im Kleingedruckten versteckt werde, ist das nicht der Fehler der Konsumenten“, so der Jurist.

Karin Fischer, help.ORF.at

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