Mehr Fälle von „Geisterroaming“

Beim so genannten „Geisterroaming“ kann es trotz deaktivierter Datenroaming-Funktion auf dem Smartphone, bei LTE-Nutzern im Ausland zu Roaminggebühren kommen. Zuletzt traten vor allem in Vorarlberg Fälle von Geisterroaming auf. Konsumentenschützer raten Handykunden, ihre Rechnungen genau zu kontrollieren und zu viel Verrechnetes zurückzufordern.

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2016 wurde das mysteriöse Geschehen erstmals bemerkt. Nutzer mit LTE-Tarifen beschwerten sich nach Auslandsaufenthalten über merkwürdige Extrakosten auf ihrer Handyrechnung - obwohl sie die Datenroaming-Funktion ganz sicher ausgeschaltet hatten. Ein Name für das Phänomen war schnell gefunden: Geisterroaming.

Zwei Jahre sind seither vergangen. Mit dem Wegfall der Roaminggebühren in der europäischen Union hat Roaming zumindest in der EU seinen Schrecken verloren. Doch das Geisterroaming erfordert nun eine neue Wachsamkeit der Handynutzer. Denn die Beschwerden über Geisterroaming haben zuletzt zugelegt.

Mann mit Smartphone in U-Bahn

Getty Images/Lisa Schätzle

Das Abschalten des Datenroamings schützt nicht immer vor Roaminggebühren

Hälfte der aktiven SIM-Karten potenziell anfällig

Über die Hälfte der in Österreich genutzten Handy-SIM-Karten unterstützen bereits den schnellen Datenstandard LTE, auch 4G genannt. Sie alle sind bei Reisen außerhalb der EU potenziell vom Geisterroaming betroffen. In Österreich kämpfen vor allem die Vorarlberger, wegen der Nähe zur Schweiz, mit den mysteriösen Roamingkosten.

Da die Schweiz nicht zur EU gehört, müssen dort weiterhin hohe Roaminggebühren bezahlt werden. Das wissen inzwischen auch die meisten Vorarlberger, und schalten die Datenroamingfunktion am Handy bewusst aus, um ein unbemerktes Einbuchen in das Schweizer Netz zu verhindern. Das tat auch ein „3“-Kunde, dessen Arbeitsplatz in Grenznähe zur Schweiz liegt. Er ging davon aus, dass bei abgeschaltetem Roaming auch keine Roamingkosten anfallen können.

Eigenheit in LTE-Spezifikation erzeugt Geisterroaming

„Der Betroffene hat aus Konsumentensicht alles richtig gemacht, um sich vor diesen Kostenfallen zu schützen. Und dennoch wurden ihm über viele Monate hinweg immer wieder diese ständigen Datentransfers in Rechnung gestellt“, so Paul Rusching von der Arbeiterkammer Vorarlberg. Mittlerweile habe sich der Geisterroaming-Betrag auf 151 Euro summiert.

Ursache der Phantomkosten ist eine technische Eigenheit des LTE-Standards. Diese führt dazu, dass ständig im Hintergrund minimale netzinterne Signalisierungsdaten übertragen werden. Aktives Surfen oder E-Mail-Abrufen ist nicht möglich - Gebühren fallen für den Nutzer trotzdem an. Meist handelt es sich nur um ein paar Cent bis Euro pro Monat. Doch ärgerlich sind die Kosten von Geisterhand allemal.

Womöglich von vielen bisher unbemerkt

Auch rechnet AK-Experte Rusching damit, dass die Dunkelziffer der Betroffenen hoch ist. Viele Handykunden würden beim Aufscheinen von ein paar Euro Mehrkosten auf der Rechnung zuerst die Schuld bei sich suchen und einfach bezahlen. Schließlich sei das Phänomen des Geisterroamings derzeit nur bei Mobilfunk-Insidern bekannt.

Beschwert sich der Kunde über die zu viel berechneten Gebühren, reagieren die Mobilfunker sehr unterschiedlich. Betroffene Handykunden hätten berichtet, dass ihnen mitgeteilt wurde, die Rechnung stimme so und sie hätten diese zu bezahlen. In einem anderen Fall sei sehr kulant reagiert worden und dem Konsumenten pauschal zehn Euro (mehr als die beanstandeten Geisterroaming-Kosten) gut geschrieben worden.

Kulanz von 20 Euro, statt Rückerstattung von 151 Euro

„3“ erklärte auf Anfrage von help.ORF.at , man gehe jedem Verdacht auf Geisterroaming nach und suche eine Lösung im Sinne des Kunden. Im Fall des Vorarlberger „3“-Kunden sei das Entgegenkommen allerdings beschränkt gewesen, so Konsumentenschützer Rusching.

„3“ habe zwar eingeräumt, dass es sich um Geisterroaming handle, aber in Kulanz nur eine Gutschrift von 20 Euro und nicht in Höhe der gesamten Kosten von 151 Euro angeboten. „Das können wir bei der Arbeiterkammer beim besten Willen nicht nachvollziehen, dass das eine für den Kunden zufriedenstellende Lösung eines Problems sein soll,“ so Rusching.

AK: „Kunde muss sich nicht schützen“

Der Konsument könne keinesfalls für die Kosten verantwortlich gemacht werden, so Rusching. „Es handelt sich ganz offensichtlich um ein technisches Phänomen, das die Netzbetreiber offenbar nicht in den Griff bekommen. Die Konsumenten werden nicht einmal darauf hingewiesen, dass es Geisterroaming überhaupt gibt“, so Rusching.

Und selbst wenn er über das Problem informiert würde, müsse sich nicht der Konsument vor Geisterroaming schützen, sondern es sei Aufgabe des Mobilfunkers sich um eine Lösung zu kümmern, stellt Konsumentenschützer Rusching klar. Dem Konsument könne nicht das geringste Fehlverhalten angelastet werden.

AK: „Mobilfunker müssen sich um Lösung kümmern“

Auf unsere Nachfrage hin, raten die heimischen Mobilfunker betroffenen Kunden, das Datenroaming bei einer Reise ins Nicht-EU-Ausland nicht nur im Smartphone-Menü, sondern über die Hotline des Mobilfunkers sperren zu lassen. Dies könne Geisterroaming verhindern. Außerdem könnten die Kunden zusätzlich das LTE-Netz am Handy deaktivieren.

Ein Vorschlag der bei Konsumentenschützer Paul Rusching für Verwunderung sorgt. „Die Mobilfunker werben massiv für LTE und der Kunde zahlt ja auch dafür, warum sollte er diese Leistung dann abschalten?,“ so Rusching. Der Rat der Mobilfunkunternehmen sei absurd und den Konsumenten nicht zuzumuten.

Tipp: Rechnungen nach Reisen unbedingt kontrollieren

Kunden sollten ihre Rechnungen nach einem Aufenthalt im Nicht-EU-Ausland unbedingt genau prüfen, so der Rat des Arbeiterkammer-Experten. Befinden sich darauf verdächtig viele kleine Roamingbeträge, sollte die Rechnung beim Mobilfunker beeinsprucht werden. Wer sich nicht sicher ist, ob er von Geisterroaming betroffen ist, kann sich an die Arbeiterkammer wenden.

„Die Mobilfunkunternehmen würden das Problem gerne totschweigen, wir halten es aber für wichtig, dass es thematisiert wird“, so Rusching. Schließlich hätten die Mobilfunker Millionen Kunden und verdienten sich mit dem Geisterroaming ein ordentliches Körberlgeld dazu, weil die Konsumenten „es nicht kennen, nicht bemerken und auch nicht beeinspruchen“.

Beate Macura, help.ORF.at

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