„Grenzenloses“ EU-Streaming mit Einschränkungen

Netflix, Amazon Prime und Sky: Streamingdienste für Filme und Serien erfreuen sich weltweit großer Beliebtheit. Europäische Kunden können ihre Streaming-Abos seit 1. April auch im EU-Ausland nutzen - allerdings mit Einschränkungen.

225 Minuten pro Tag schaut jeder Österreicher im Durchschnitt fern. Am meisten wird über alle Altersgruppen hinweg immer noch das Programm des klassischen Fernsehens geschaut, bei den Unter-Dreißigjährigen nimmt zudem auch die Nutzung von Onlineangeboten zu. Laut einer Studie der RTR Medien (ein Fachbereich der Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH ohne aufsichtsbehördliche Aufgaben, Anm.) konsumieren sie bereits über die Hälfte ihrer Filme und Serien über Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime und die heimische Plattform Flimmit.

Geoblocking teilweise abgeschafft

Mit 1. April verordnete die EU, dass Streaming-Kunden ihre Abos nun auch auf Reisen innerhalb der EU nutzen können. Das so genannte Geoblocking, so wird das gezielte Blockieren von Bildinhalten innerhalb bestimmter Ländergrenzen genannt, wurde damit etwas - aber noch längst nicht komplett - in die Schranken gewiesen.

Das freute viele Konsumenten, nach Schätzungen der Brüsseler Behörde nutzen mindestens 29 Millionen Europäer – immerhin 5,7 Prozent der Konsumenten in der EU – die Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Zugriffs auf Streaming-Abos.

Nach drei Monaten war Schluss

Darunter ist ein Niederösterreicher, der von Berufs wegen von September 2017 bis August 2019 den Großteil seiner Zeit in den Niederlanden verbringt und sein Netflix-Konto dort bisher nicht nutzen konnte. Die anfängliche Freude nahm allerdings ein rasches Ende.

Zwar habe der Account ab 1. April auch in den Niederlanden funktioniert, doch nach drei Monaten funktionierten plötzlich nur noch das niederländische Netflix-Programm, so der Niederösterreicher. Angebote auf Deutsch seien nun nicht mehr verfügbar, standardmäßig würden die Filme auf Englisch mit niederländischen Untertiteln gezeigt.

Komplexe Urheberrechte verhindern EU-Lizenz

Der Kunde nahm Kontakt mit Netflix auf und bat darum, sein Konto wieder auf das österreichische Programm zurückzustellen - ohne Erfolg. Das heimische Programm könne im EU-Ausland nur für einen „begrenzten Zeitraum“ bezogen werden, so der Netflix-Support. Für den Niederösterreicher eine unverständliche Praxis. Schließlich wolle er keinerlei Mehrleistung, so der Betroffene, sondern nur das nutzen, wofür er auch bezahle: nämlich seinen österreichischen Account. Beim Streamingdienst Amazon Prime funktioniere das auch tadellos, nur Netflix stelle sich quer.

Hintergrund der unterschiedlichen Länderangebote der Streaming-Anbieter ist die komplexe Urheberrechtssituation in Europa. Die Streamingdienste können keine General-Lizenz für das Anbieten eines Filmen in der gesamten EU erwerben, sondern müssten die Lizenzen in jedem Land einzeln erstehen, so Karl Gladt, juristischer Leiter beim Internet Ombudsmann, einer Beratungs- und Streitschlichtungsstelle für Online-Geschäfte. Deswegen würden in verschiedenen Länder verschiedene Programme angeboten.

Knackpunkt „vorübergehend“

Blieb der eigene Bildschirm bisher bei einer Reise in ein anderes EU-Land schwarz, müssen Bezahlabos von Streamingdiensten nun auch im EU-Ausland funktionieren - wenn sich der Nutzer dort „vorübergehend“ aufhält, so die Verordnung.

Welchen Zeitraum der Begriff „vorübergehend“ genau meint, ist nicht genau definiert. „Die Verordnung spricht von Geschäfts- oder Urlaubsreisen aber auch von Lernmobilität, also ein ERASMUS Semester könnte auch davon umfasst sein, so Gladt.“

Wie Netflix diesen Zeitraum definiert, konnte help.ORF.at nicht in Erfahrung bringen. Eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet. Bei Amazon erklärte man gegenüber help.ORF.at, keinerlei zeitliche Beschränkung zu haben. Kunden könnten das Prime-Angebot unbeschränkt im EU-Ausland wie zuhause nutzen.

Internet Ombudsmann hilft bei Problemen

Sind sich Kunde und Streaminganbieter nicht einig über die Definition von „vorübergehend“ , kann eine Beschwerde beim Internet-Ombudsmann eingebracht werden, um doch noch eine Lösung zu erreichen, rät der juristische Leiter Gladt.

„Es ist die Frage, ob ein zweijähriger Aufenthalt wirklich noch ein vorübergehender Aufenthalt ist“, so Gladt. „Hier wird vielleicht schon eine Wohnsitzverlegung vorliegen. Aber im Grunde genommen sollte Netflix jetzt weder an dem einen, noch dem anderen ein überwiegendes Interesse haben.“ Nach Ansicht Gladts sollte Netflix eigentlich kein Problem haben, seinen österreichischen Nutzern auch weiterhin österreichische Inhalte zur Verfügung zu stellen.

Was für heimische Kunden allerdings defnitiv weiterhin nicht möglich ist, ist der Abschluss eines ausländischen Streamingabos. Konsumenten und Verbraucherschützer hatten sich auch hier eine Öffnung gewünscht, da das Angebot von Netflix in Großbritannien zum Beispiel häufig aktueller oder breiter als das in Österreich ist. Die unterschiedlichen nationalen Urheberrechtsvorschriften verhindern dies jedoch auch weiterhin.

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