Verspätungen: Flughafen Wien mahnt Luftfahrtbranche
Für das Chaos über Europas Himmel gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist es der aggressiven Expansion nach der Air-Berlin-Pleite auf Kosten der Pünktlichkeit geschuldet. Zum anderen gibt es einen Mangel an Piloten und Fluglotsen.
Ambitionierte Flugpläne und rasches Wachstum
Flughafen-Wien-Vorstand Jäger rechnet für heuer mit einem weiteren Passagierzuwachs von sechs Prozent. „Es ist nicht nur in Wien so, dass es sehr ambitionierte Flugpläne gibt und dass Airlines sehr schnell gewachsen sind. Sobald ein Glied aus der Kette rausfliegt, bringt das den Flugplan zum Purzeln“, so Jäger am Rande einer Pressekonferenz anlässlich der Betriebsaufnahme der IAG-Tochter Level.
Level-Betriebsleiter Frank Glander versicherte, dass es genug Pufferzonen zwischen den Flügen gebe, damit sich eine Verspätung nicht auf den nächsten Flug übertrage. Man fahre den Flugbetrieb sehr defensiv hoch, es stehe auch ein Ersatzflugzeug bereit. Mit der Personalsituation sei man zufrieden.
Zu wenig Fluglotsen in Europa
Die vielen Verzögerungen betreffen vor allem den Luftraum über Frankreich und Deutschland. Die Lufthansa-Billigtochter Eurowings schob die Probleme im Flugbetrieb Mitte Juni auf die streikenden Fluglotsen in Frankreich und Wetterkapriolen in Europa. Doch es gibt auch hausgemachte Kapazitätsengpässe, was Reserveflugzeuge oder das Personal in den Flugsicherungen betrifft.
APA/dpa/Daniel Bockwoldt
Die deutsche Flugsicherung DFS erklärte, in der Personalplanung nicht frei zu sein. Die EU-Kommission habe Zielwerte vorgegeben, die erfüllt werden mussten. In der Zeit von 2012 bis 2014 habe man zu viele Lotsen für den vorhandenen Verkehr gehabt, nun trete in der aktuellen Regulierungsperiode das Gegenteil ein. Die gesamte Branche sei von dem unerwarteten Verkehrsanstieg seit 2017 überrascht worden, der auch im laufenden Jahr zu neuen Rekorden führen werde. Man bilde derzeit so viele Lotsen wie möglich aus.
AirHelp: Flugausfälle heuer verdoppelt
Die österreichische Flugsicherung ist nach Eigenangaben eine der pünktlichsten in Europa und nicht betroffen. Im österreichischen Luftraum entstünden Verspätungen nur durch Gewitter, nicht durch Personalengpässe, so Austro-Control-Sprecher Markus Pohanka. „Die Verspätungen, die die Passagiere spüren, sind nicht auf die österreichische Flugsicherung zurückzuführen.“
Laut dem Entschädigungseintreiber AirHelp hat sich jedoch allein die Zahl der Flugausfälle heuer verdoppelt: Während im ersten Halbjahr 2017 512 Flüge aus Österreich gestrichen wurden, seien es heuer bereits 1.062 gewesen. AirHelp schätzt die Entschädigungsansprüche österreichischer Passagiere auf insgesamt 47 Millionen Euro.
Wie Urlauber zu Entschädigungen kommen
Für Urlauber, deren Reisen mit Verspätungen beginnen oder enden, ist der Ärger über die Airlines groß. Auf den Facebook-Seiten der Fluggesellschaften machen sie ihrem Ärger Luft und beklagen oft, am Flughafen ohne Informationen alleine gelassen oder nachts auf einem hunderte Kilometer entfernten Ausweichflughafen „abgeladen“ worden zu sein. Wenn ein Flug annulliert wird oder sich um mehr als drei Stunden verspätet, steht Passagieren nach EU-Recht eine Entschädigung zu.
Die EU-Fluggastrechte-Verordnung sieht bei einer Flugstrecke von bis zu 1.500 Kilometern 250 Euro pro Person vor. Bei Strecken von 1.500 bis 3.500 Kilometern sind es 400 Euro, bei über 3.500 Kilometern 600 Euro. Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) hilft betroffenen Passagieren kostenlos. Private Entschädigungseintreiber wie AirHelp behalten meist ein Viertel der Entschädigungszahlung als Provision ein.
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Publiziert am 17.07.2018