Den Listerien im Tiefkühlgemüse auf der Spur

Weltweit wird das in einer ungarischen Fabrik hergestellte Tiefkühlgemüse des Herstellers „Greenyard“ zurückgerufen, weil es mit Listerien verunreinigt ist. Bei der Suche nach dem Verursacher war die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) federführend beteiligt.

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In Österreich waren mit Ausnahme von Hofer die vom Rückruf betroffenen Produkte bei nahezu allen großen Handelsketten und Gastronomiezulieferbetrieben erhältlich. Penny, Billa, Merkur, Adeg, Sutterlüty, Lidl und Transgourmet haben ihre Kühlregale inzwischen leergeräumt. Der Rückruf betrifft tiefgekühlte Gemüseprodukte des Herstellers Greenyard Frozen, die zwischen dem 13. August 2016 und 20. Juni 2018 produziert wurden.

47 Erkrankungen, neun Todesfälle in Europa

Der Quelle des jüngsten Listerienausbruchs auf die Spur zu kommen dauerte fast drei Jahre. „Wer am Sonntagabend Tatort schaut weiß wie es geht: Schritt für Schritt und am Anfang kann man nicht mit Sicherheit sagen, was herauskommt“, so beschreibt Franz Allerberger, Mediziner bei der AGES, die Suche nach dem Verursacher. Bereits 2015 hatte Finnland ein gehäuftes Auftreten schwerer Infektionen mit einem bestimmten Stamm von Listerien an die europäischen Behörden gemeldet. Keiner konnte sich erklären, wie die Leute mit diesen Bakterien in Kontakt gekommen waren. Bis zu 70 Tage können vergehen, ehe die Infektion mit Symptomen wie Durchfall und Fieber ausbricht.

Listerienkultur

AGES

Listerien können sich auch im Kühlschrank vermehren

In Österreich gab es 2016 zwei solcher Fälle. Ein 86-jähriger starb an den Folgen, ein 91-jähriger erkrankte. Den 91-jährigen Patienten zu befragen erwies sich als schwierig. Als Infektionsquelle kamen sowohl Obst, als auch Gemüse, Fleisch, Käse und Milchprodukte Frage. Durch ein von der AGES entwickeltes neues Analyseverfahren für Listerien ließen sich in akribischer Kleinarbeit schließlich die Bakterienstämme aller Patienten in Europa abgleichen. Es gab 47 Erkrankungen in Österreich, Finnland, Dänemark, Schweden und Großbritannien. Neun verliefen tödlich.

Gemüse aus zwölf Ländern in einer Packung

In Österreich gerieten bald Tiefkühlprodukte unter Verdacht. Laut AGES betraf das Gemüsemischungen mit Karotten, Bohnen und Erbsen. „Sie müssen sich vorstellen, da waren in einer Packung sechs verschiedene Gemüsearten aus zwölf Ländern, unter anderem aus China, Indien und Thailand, enthalten“, so Allerberger. In Schweden fanden die Behörden schließlich eine angebrochene Packung verunreinigten Tiefkühlmais als Quelle. Dies führte zu der ungarischen Fabrik Baja des multinationalen Herstellers Greenyard. Die AGES machte bereits heuer im Februar in Brüssel darauf aufmerksam, dass aufgrund ihrer Analysen diese Fabrik der Verursacher sein musste. Weitere Maßnahmen liegen dann im Ermessen der Länder.

Freshona Gemüsemix, 1.000g

Lidl Österreich

Produkte von Greenyard sind unter verschiedensten Markennamen im Handel

Es dauerte noch bis Ende Juni 2018 bis die Produktion gestoppt wurde und die ungarischen Behörden den Produktrückruf anordneten. Zuvor war versucht worden, die Anlage zu desinfizieren, was offenbar misslang. Die heuer dort produzierten Waren kamen vorsorglich nicht in den Handel. Abgepackt wurden die in Ungarn hergestellten belasteten Tiefkühlprodukte in belgischen und polnischen Werken.

Tiefkühlgemüse roh als Salatdekoration verwendet

Und noch etwas führte zur fatalen Ausbreitung der Listerien: Viele Erkrankungsfälle, vor allem in den skandinavischen Ländern, seien darauf zurückzuführen, dass junge Leute das Tiefkühlgemüse roh verzehrten. „Sie haben diese bunten Mischungen aus orangen Karotten, gelbem Mais und grünen Erbsen zur Verzierung von grünen Salaten verwendet und nicht erhitzt“, so der Mediziner. Durch Erhitzen werden Listerien abgetötet. Tiefkühlgemüse sollte also nie roh verzehrt werden. Die Erreger kommen in Lebensmitteln weit verbreitet vor. Bis zu zwei Prozent aller verzehrfähigen Produkte sind mit Listerien belastet.

Tiefkühlmais

Transgourmet Österreich GmbH

Tiefgefrorener Mais sollte nicht roh verzehrt werden

Gesunde Menschen müssen sich nach Ansicht des Experten trotzdem wenig Sorgen machen. Mit dem jetzigen weltweiten Rückruf sei die Gefahr weitgehend gebannt. So wurden etwa auch in Deutschland, Italien, Großbritannien und Australien die betroffenen Chargen entfernt. „Wir reden aber hier nicht von einem Produkt, von dem zehn Leute essen und neun fallen tot um“, so Allerberger. Hier käme auf 500.000 verzehrte Produkte ein Krankheitsfall. Neue Infektionen ließen sich trotzdem nicht ausschließen. Als gefährdet gelten ältere Personen, Schwangere und Menschen mit einem schwachen Immunsystem. Auf Tiefkühlgemüse generell zu verzichten sei aus Sicht der Ernährungswissenschaft aber die falsche Konsequenz. Der letzte große Listerienausbruch in Österreich habe Speck und Schinken betroffen.

Greenyard sieht keinen ursächlichen Zusammenhang

Der Hersteller des verkeimten Tiefkühlgemüses, der Konzern Greenyard mit Sitz in Belgien, beliefert weltweit 26 Länder und gilt als das größte Produktionsunternehmen im Obst- und Gemüsemarkt. Auf Anfrage von help.ORF.at schreibt Greenyard, dass man in Zusammenarbeit mit den Behörden umgehend alle erforderlichen Maßnahmen getroffen und die Rückrufe veranlasst habe. Weiter heißt es: „Derzeit gibt es keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Listerienausbruch in unserer ungarischen Fabrik und Listerienerkrankungen der vergangenen Jahre.“

Ob die Firma Entschädigungen an Betroffene zahlen muss, werden wohl Gerichte zu klären haben. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) bietet erkrankten Personen jedenfalls Rechtsbeistand an, um Ansprüche gegenüber dem Hersteller geltend zu machen. Auf seiner Homepage schreibt Greenyard Frozen: „Keine einzige Erbse entkommt unserer Kontrolle. Die Qualität unseres Gemüses wird vom Feld bis auf den Teller genau geprüft.“

Karin Fischer, help.ORF.at

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