Sparen ohne eigenes Geld: Der Fall Mag. Johannes Steiner

Unter dem Motto „Sparen ohne Eigenmittel“ bot der Anlageberater Mag. Johannes Steiner kreditfinanzierte Lebensversicherungen an. Durch Wertsteigerung der Polizzen sollten die Kredite bedient werden und Gewinne für die Kunden übrig bleiben. Doch manche Kunden stehen jetzt mit Schulden da.

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Von vielversprechenden Geldanlagen möchte Bettina Kellermann (Name geändert) in nächster Zeit wohl nichts mehr hören. Zu sehr laboriert die Wienerin noch an den Folgen einiger Anlageentscheidungen, die sie vor gut zehn Jahren getroffen hat. Im Jahr 2007 wurde sie von einer Freundin zu einem Vortrag des Vermögens- und Anlageberaters Mag. Johannes Steiner eingeladen. Das Thema: Lukrative Investmentmöglichkeiten. Bei der Präsentation sei Informationsmaterial ausgegeben worden, und man konnte ankreuzen, ob man sich für Geldanlagen, Kredite oder andere Sparformen interessiert, erzählt Kellermann. In weiterer Folge sei man zu einem persönlichen Beratungsgespräch eingeladen worden.

Auf Kredit finanzierte Lebensversicherungen

Im Zuge dieses Beratungsgesprächs sei ihr von einer Mitarbeiterin Steiners ein Geldanlageprodukt präsentiert worden. Sie vereinbarte mit der Beraterin, 100 Euro im Monat zu veranlagen. Im ersten Jahr erhielt sie dafür auch Zinsen - zunächst war alles in Ordnung. Einige Zeit später habe man ihr ein weiteres Angebot unterbreitet. Diesmal sei es um eine spezielle Sparform gegangen. Das Motto habe gelautet: „Sparen ohne eigenes Geld“, so Kellermann. Man würde einen Versicherungsvertrag abschließen, die Kreditprämien würden fremdfinanziert und am Ende der Laufzeit aus der Wertsteigerung refinanziert.

500-Euro-Geldscheine

APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Der Traum vom vielen Geld wurde zum Schuldentrauma

Die Idee des Sparens ohne Eigenmittel klang für die Wienerin verlockend. Nicht Frau Kellermann selbst, sondern ein fremder Geldgeber würde also das Geld einzahlen. Dieses Geld werde in eine Lebensversicherung investiert, die ihrerseits im Wert steigen soll, so dass der fremde Geldgeber sein Geld plus Zinsen zurückbekommt und auch noch ein Gewinn für Frau Kellermann übrigbleibt.

VKI-Jurist: Man hat eine Geldmaschine versprochen

Aus der Sicht des Leiters der Rechtsabteilung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) Thomas Hirmke ein fragwürdiges Konzept. Man habe den Leuten quasi eine Geldmaschine versprochen. Die Idee, dass Anlagegewinne derart üppig ausfallen, dass man damit einen Kredit inklusive Zinsen abzahlen und auch noch Profit machen könne, lasse in jedem Fall auf ein hochriskantes Finanzprodukt schließen. So etwas könne in der Praxis eigentlich nicht funktionieren, meint Hirmke.

Die Jahresprämien der Versicherungsverträge wurden über Privatkredite finanziert. Der Anlageberater Johannes Steiner vermittelte die Verträge und erhielt dafür Provisionen. Tatsache sei aber, dass das System nur so lange funktioniert habe, solange kontinuierlich Privatkreditgeber dazugestoßen seien.

Steiner-Kundin: Auf dem Papier sah alles gut aus

Was zur Folge hatte, dass Frau Kellermann letztlich, wie sie sagt, insgesamt elf Kreditgeber hatte, die ihre Versicherungsprämien bezahlt hatten. Letztlich müssen diese Kredite auch bedient werden, sodass sie nun mehreren Menschen Geld schuldet. Dass es aber beim Sparen ohne Eigenmittel um Kreditverträge gegangen sei, die sie zurückzahlen werde müssen, sei ihr nicht bewusst gewesen, sagt Kellermann. Das habe bei den Verkaufsveranstaltungen noch ganz anders geklungen.

Das Modell sei nun mal unter dem Motto „Sparen ohne eigenes Geld“ vermarktet worden, so Kellermann. Es sei der Eindruck erweckt worden, dass man nichts zu zahlen habe und sich um gar nichts werde kümmern müssen. Von Rückzahlungen mit Zinsen sei keine Rede gewesen, es sei gesagt worden, dass alles am Ende der Laufzeit gegengerechnet werde. Es sei darüber hinaus eine detaillierte Berechnung vorgelegt worden, „wo sich das dann auch wirklich unterm Strich alles ausgegangen ist.“

Steiner-Anwalt: Im Einzelgespräch alle Risiken erklärt

Wir haben Mag. Johannes Steiner um eine Stellungnahme gebeten. Dieser erklärte über seinen Anwalt, dass zwischen einem Vortrag in einer Publikumsveranstaltung einerseits und Einzelberatungen andererseits strikt zu unterscheiden sei. Das Motto „Sparen ohne Eigenmittel“ sei nur als Slogan bei Präsentationsveranstaltungen verwendet worden: „Selbstverständlich wurde in den Einzelberatungen immer und unmissverständlich dargelegt, dass die Berechnungsmodelle auf Prognosen beruhen, die Schwankungsbereiche nach oben oder unten aufweisen.“

VKI-Jurist Thomas Hirmke ist von der Aufklärungsarbeit der Berater weniger überzeugt. Den Kunden sei nicht bewusst gewesen, dass sie diese Kreditsummen auch zurückzahlen mussten, so Hirmke. Erst später hätten sie bemerkt, dass die Versicherungsverträge nicht so gut laufen, dass man tatsächlich Schulden aus den Gewinnen würde decken können. Johannes Steiner bestreitet, dass seine Kunden nicht gewusst hätten, worauf sie sich einlassen. Über seinen Anwalt lässt er ausrichten: „Das Gegenteil ist der Fall, denn nur der Tragweite ihres Handelns bewusste Kunden sind solche, auf deren Weiterempfehlung als beste Art der Kundenwerbung gehofft werden darf.“

Steiner ließ Blanko-Kreditverträge unterschreiben

Um die große Zahl an eventuell notwendigem Kreditgebern lukrieren zu können, seien auch Blankoverträge ausgefüllt worden, sagt VKI-Jurist Hirmke, die Namen neuer Kreditgeber und die entsprechenden Geldbeträge seien im Nachhinein von Steiner und seinen Mitarbeitern eingefügt worden. Viele dieser Formulare seien den Kunden später „auf den Kopf gefallen“, so Hirmke. Anlageberater Mag. Johannes Steiner räumt über seinen Anwalt ein, dass es Blankoverträge gegeben habe: „Auch das ist vorgekommen, sofern und soweit dies gewünscht war und Ermächtigungen zur Vervollständigung der Formulare vorlagen. Sobald alle Daten eingesetzt waren, ergingen schriftliche Verständigungen an die jeweiligen Kunden.“

Ein Opfer der Finanzkrise?

Im Endeffekt haben sich die Gewinnerwartungen nicht erfüllt. Auch Johannes Steiner räumt das ein, sieht die Ursache dafür aber vor allem in der Finanzkrise von 2008 begründet. Über seinen Anwalt erklärt der Anlageberater: „Dass die Performance einzelner Vertragsabschlüsse bedingt durch die Weltfinanzkrise 2008 hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, muss leider als unabänderliches Faktum erscheinen und generiert naturgemäß Unzufriedenheit auf Kundenseite, die aber durch äußere Einflüsse verursacht wurde."

Steiner-Kunden klagen sich gegenseitig

Unzufriedene Steiner-Kunden gibt es nun auf beiden Seiten. Einerseits Kreditgeber, deren Raten nicht bedient werden, weil die Schuldner diese nicht aufbringen können, und andererseits die Kreditnehmer, die eben Kreditschulden haben. Eine Auseinandersetzung, die mittlerweile auch die Gerichte beschäftigt, weil Kreditgeber ihre Schuldner klagen. Bettina Kellermann wurde von drei Personen geklagt. Die Klagssumme liege in der Regel unter 5.000 Euro, sagt Kellermann, da ab diesem Streitwert Anwaltspflicht besteht. Aber die Masse macht’s, und so kämen auf die Steiner-Kunden nun laufend Klagen zu.

Johannes Steiner selbst musste sich mittlerweile in einigen Zivilverfahren vor Gericht verantworten. Der VKI konnte zwei Urteile gegen den Anlageberater erwirken. So entschied etwa der Oberste Gerichtshof im Rahmen eines Musterprozesses, dass Steiner seinen Kunden Gewinne zugesichert habe, die nie eintraten. In dem Spruch des OGH heißt es: „Die Frage, ob die Wertentwicklung der Versicherungsguthaben ausreicht, um die Kredite abzudecken, kann erst in Zukunft beurteilt werden.“

Kundin blitzte vor Gericht ab

Auch Bettina Kellermann zog gegen Steiner vor Gericht, sie hat das Verfahren allerdings verloren. Der Richter wollte ihr nicht glauben, dass sie von den Kreditgeschäften nichts gewusst habe. Tatsächlich gibt es mehrere von ihr verfasste handschriftliche Dokumente, in denen von Krediten und Versicherungsprämien die Rede ist. Diese Dokumente seien ihr allesamt von einer Beraterin diktiert worden, sagt Kellermann. Den Richter konnte sie damit nicht überzeugen. Ihre Klage wurde abgewiesen, sie musste Anwalts- und Gerichtskosten zahlen. Insgesamt wurden etwa 50.000 Euro fällig. Was folgte, war die Exekution. Man habe zunächst ihre Konten geleert und dann versucht, ihr Auto zu versteigern, so die Wienerin.

Kreditnehmerin durfte Vertrag nicht auflösen

Bettina Kellermann versuchte ihre Lebensversicherungspolizze aufzulösen, um ihre Verfahrensschulden zu bezahlen. Dies erwies sich als schwierig, da die von Steiner vermittelten Verträge zugunsten eines der Kreditgeber vinkuliert waren. Auf den Verträgen lastet also eine Zahlungssperre, wodurch es Kreditnehmern nicht möglich ist, die Versicherungsverträge aufzulösen und die Erlöse etwa an alle Kreditgeber zu verteilen, um die Schulden zu bedienen. Bettina Kellermann gibt an, dass ihr Vertrag selbst dann noch zugunsten eines Kreditgebers gesichert war, als die Verbindlichkeit bereits getilgt war. Johannes Steiner bestreitet das. Die Vinkulierung bedeute nur die Verpflichtung zur Befriedigung des jeweiligen Vinkulargläubigers. Das über dessen Ansprüche hinausgehende Guthaben stehe zur freien Disposition des Versicherungsnehmers, wie es in der Stellungnahme heißt.

Staatsanwaltschaft: Vorwurf des schweren Betruges

Das wiederum bestreitet Bettina Kellermann. Sie habe schließlich den Vertrag auflösen wollen, um damit die Gerichtskosten zu begleichen, und konnte vorlegen, dass der Vinkulargläubiger bereits befriedigt worden war. Dies sei aber nicht anerkannt worden, so Kellermann. Man habe ihr mitgeteilt, dass man eine schriftliche Genehmigung des Vinkulargläubigers benötigen würde. Erst ein Jahr später sei die Vinkulierung, sehr zu Kellermanns Überraschung, plötzlich aufgehoben worden.

Zwei der Gläubigerverfahren gegen Frau Kellermann sind derzeit unterbrochen, ein drittes läuft noch. Ihren Versicherungsvertrag konnte sie letztlich auflösen, um einen Teil der Gerichtskosten zu begleichen. Gegen Johannes Steiner ermittelt seit mittlerweile sieben Jahren die Staatsanwaltschaft wegen der Vorwürfe des schweren Betruges, der Untreue und des Pyramidenspiels. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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