Kehrtwende: Industrie will nun doch Nährstoffampel

Lange hat sich die Lebensmittelindustrie gegen eine Nährstoffkennzeichnung gewehrt, die den Gehalt an Fett, Zucker und Salz mit Ampelfarben bewerten sollte. „Rot“ wollten die Hersteller auf ihren Produkten nicht sehen. Jetzt schlägt die Industrie selbst eine Nährstoff-Ampel vor - allerdings in einer weichgespülten Variante, kritisieren Verbraucherschützer.

Der Vorschlag nicht neu - neu ist, von wem er gemacht wird: Lebensmittelkonzerne greifen ein altes Anliegen von Konsumentenschützern auf und möchten Zucker, Fett und Salz in ihren Produkten künftig mit den Ampelfarben Grün, Gelb und Rot bewerten. Das bestätigte der Lebensmittel-Multi Mondelez gegenüber der Deutschen Presseagentur. Beifall von Verbraucherschützern bleibt jedoch aus. Die deutsche Organisation Foodwatch moniert, der Vorschlag führe Verbraucher hinters Licht.

„Weiterentwickelte Farbkennzeichnung“: Vorbild Großbritannien

Mondelez, Coca-Cola, Mars, Nestle, Pepsi und Unilever hatten schon im März einen Vorstoß für eine „weiterentwickelte Farbkennzeichnung“ für Lebensmittel angekündigt. Grundlage ist die Ampelkennzeichnung, die in Großbritannien bereits verwendet wird. Sie zeigt in der Signalfarbe Rot auf der Packung an, ob ein Produkt viel Zucker, Fett oder Salz enthält. Denn diese Zutaten können bei Verzehr in großen Mengen Fettleibigkeit und Gesundheitsprobleme fördern.

Gegen die Einführung einer solchen Lebensmittelampel hatten sich Hersteller lange gewehrt, weil eine rote Kennzeichnung abschreckend wirke. Nun schlagen sie selbst eine Farbkennzeichnung vor. Mondelez erklärte, man wolle „Verbrauchern helfen, auf den ersten Blick eine gesündere Auswahl zu treffen“.

Industrievorschlag entschärft Kalorienbomben

Foodwatch kritisierte jedoch, das vorgeschlagene System sei weniger strikt und aussagekräftig als die Lebensmittelampel in Großbritannien. Es ziele darauf ab, möglichst wenige Produkte mit der Warnfarbe Rot zu kennzeichnen. Foodwatch nannte als Beispiel Frühstückscerealien der Marke „Nesquik“ (Nestle). Die Angabe zum Zucker sei in Großbritannien rot unterlegt, mit dem von der Industrie vorgeschlagenen System sei dasselbe Produkt mit derselben Zuckermenge aber nur noch gelb. Nutella (Ferrero) stehe nach dem britischen System bei Fett, gesättigten Fettsäuren und Zucker auf Rot. Mit dem Herstellervorschlag wäre indes alles gelb.

Foodwatch: Industrie führt Ampel „ad absurdum“

Ein Mondelez-Sprecher erklärte, das neue System basiere auf kleineren Portionen. Damit könnten sich einige Kennzeichnungen von Rot auf Gelb ändern. Das System gebe einen Anreiz für die Hersteller, auf kleinere Portionen umzustellen. Außerdem passe es besser für Lebensmittel wie Käse oder Olivenöl, die in kleineren Mengen als 100 Gramm verzehrt werden - diese Menge ist bisher Bemessungsgrundlage.

Foodwatch lässt das nicht gelten. Die sechs Lebensmittelriesen würden die Kriterien für eine Ampelkennzeichnung derart verändern wollen, dass die Ampel seltener auf „Rot“ springt. Das führe die Idee einer verbraucherfreundlichen Nährwertkennzeichnung „ad absurdum“.

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