Kredit: Wie Kunden zu viel bezahlte Zinsen zurückholen

Zehntausende heimische Kreditnehmer bekommen Geld von ihrer Bank zurück. Seit die Geldmarktzinsen 2015 ins Negative gerutscht sind, wurden ihnen zu hohe Zinsen verrechnet. Das stellte der Oberste Gerichtshof (OGH) in mehreren Urteilen klar. Betroffen sind Kreditnehmer von variabel verzinsten Darlehen. Help.ORF.at erklärt, wie Kunden zu ihrem Geld kommen.

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Es geht um insgesamt 360 Millionen Euro, die die heimischen Banken ihren Kreditkunden zurückzahlen müssen. Hintergrund sind die so genannten Negativzinsen, ein Kuriosum der Geldpolitik. Seit einigen Jahren müssen Banken dafür bezahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) deponieren, statt Zinsen dafür zu bekommen - so eine Art Parkgebühren für Geld. Damit will die EZB die Banken motivieren, mehr Geld zu verleihen und so die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Maßnahme trifft bekanntermaßen die Sparer - sie bekommen weniger Zinsen für ihr Geld am Sparbuch - bringt aber Vorteile für Kreditkunden. Denn mit dem Leitzins, sinkt auch der Kreditzinssatz. Geld auszuborgen ist günstiger.

Kredite mit Zinsuntergrenze müssen Obergrenze haben

Viele heimische Banken haben diesen Vorteil aber nicht an ihre Kreditkunden weitergegeben. Zinserhöhungen sind laut den Verträgen zwar unbegrenzt möglich, Zinssenkungen aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Ein Mindestmaß an Zinsen muss immer bezahlt werden. Egal ob der Leitzins negativ ist oder nicht.

Private Kläger und der Verein für Konsumenteninformation reichten daraufhin Klage ein - mit Erfolg. Im Juni erklärte der OGH diese Praxis für nicht rechtens. Es könne nicht sein, dass die Konsumenten von unter null fallenden Zinsen nicht profitieren, aber sehr wohl das Risiko von unbegrenzt steigenden Zinsen tragen müssen, so das Urteil. Die Banken müssen zu viel verrechnete Zinsen zurückzahlen. Doch statt zu zahlen, sprachen diese angesichts der drohenden Millionenzahlungen anfangs noch von „Einzelentscheidungen“, die nicht die ganze Branche betreffen.

Fünf gleichlautende Urteile, ein Verfahren läuft noch

Inzwischen sind weitere Urteile dazugekommen. „Derzeit gibt es bereits fünf Urteile des Obersten Gerichtshofes, ein sechstes Verfahren läuft noch,“ so Juristin Beate Gelbmann, Leiterin der Abteilung Klagen im VKI. Es sei ein Problem der österreichischen Rechtsordnung, dass immer nur eine Bank geklagt werden könne und das Urteil auch immer nur für eine Bank gelte. Das Rechte gelte jedoch für alle gleich und so sei spätestens nach dem zweiten, dritten gleichlautenden Urteil zu erwarten, dass weitere Verfahren auch so ausgehen würden. „Wir verstehen daher nicht, warum die Banken sich da so lange geziert haben“, so Gelbmann.

Für die Konsumentenschützer drängte sich der Verdacht auf, dass die Banken auf Zeit spielen und die Rückzahlungen so lange hinauszögern würden, bis die Verjährung beginnt. Denn diese startet schon im kommenden Jahr. Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bankensparte in der Wirtschaftskammer Österreich, stellt das in Abrede: „Für die österreichischen Banken ist von Anfang an klar gewesen, dass sie sich selbstverständlich an die Urteile des Obersten Gerichtshofes halten.“ Daran habe nie ein Zweifel bestanden, es sei auch nie auf Verjährung gespielt worden. „Nur jede Bank, die in einem Verfahren Partei ist, möchte natürlich ihre Entscheidung abwarten, um die Details für ihre konkreten Kreditverträge zu kennen,“ so Rudorfer gegenüber help.ORF.at.

Negativzins muss abgezogen werden

Das OGH-Urteil betrifft Kreditverträge mit variablem Zinssatz, egal ob Fremdwährungs- oder Euro-Kredit. „Bei einem variablen Kredit wird ein objektiver Zinssatz wie zum Beispiel der Euribor (das ist der Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander Geld borgen) herangezogen und ein gewisser Zinsaufschlag (auch Marge genannt), etwa von einem Prozent, vereinbart, den die Kunden zu zahlen haben“, erklärt Gelbmann. Laut OGH-Urteil muss ein etwaiger negativer Euribor von diesem Aufschlag abgezogen werden.

Ein konkretes Beispiel: Liegt der Aufschlag ein Prozent über dem Euribor, und dieser rutscht auf minus 0,3 Prozent, dann müssen Kreditnehmer nicht das ganze Prozent, sondern nur 0,7 Prozent an Kreditzinsen bezahlen. So weit, dass private Kreditnehmer im Extremfall Zinsen für das Geldausborgen bekommen, geht es aber nicht, das hat der OGH ebenfalls klargemacht - mehr dazu in Bank muss keine Negativzinsen an Kreditnehmer zahlen

Bankenverteter: Bis Ende 2017 ist Rückzahlung erledigt

Wie viel der einzelne Kreditkunde nun zurückbekommt, muss für jeden Fall einzeln für den Zeitraum von 2015 (zu diesem Zeitpunkt rutschte der Leitzins ins Negative) bis heute berechnet werden. Je nach Kreditsumme können aber schnell einige hundert Euro zusammenkommen. Hatte ein Kreditnehmer etwa offene Kreditvoluta in der Höhe von 100.000 Euro und einen Fremdwährungskredit mit einer Marge von einem Prozent, dann zahlte der Kreditnehmer pro Jahr um 700 Euro zu viel an Zinsen. Ein Betrag, der sich über drei Jahre bereits auf 2.100 Euro summiert.

Wie kommt man nun an sein Geld? Laut Bankenvertreter Rudorfer, müssen die Kunden nicht selbst aktiv werden. „Die Banken schauen sich das an und schreiben den betreffenden Betrag ihren Kunden und Kundinnen automatisch auf das Kreditkonto gut“, so Rudorfer. „Ich gehe davon aus, dass Ende 2017 die Sache weitestgehend erledigt sein sollte.“

VKI rät Kreditnehmern bei Bank nachzufragen

Wir haben bei den großen heimischen Banken nachgefragt: Erste Bank, die Volksbanken, Bank Austria, Hypo NÖ und die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien bestätigten uns, ihren Kunden das Geld automatisch rückzuerstatten. An die BAWAG, die über die kürzlich übernommene Immobank betroffen ist, müssen sich Kunden hingegen selbst wenden. Eine automatische Berechnung sei aufgrund der Übernahme der Immobank-Daten in ein anderes IT-System nicht möglich.

Musterbrief zum kostenfreien Download

Konsumentenschützerin raten dazu, lieber immer auf Nummer sicher zu gehen und sich selbst an die Bank zu wenden. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass man sicher hier zur Sicherheit selber darum kümmern sollte“, so Gelbmann. Der VKI stellt einen entsprechenden Musterbrief bereit.

Ein besonderes Problem bestehe zudem bei Kreditnehmern, die ihren Vertrag in den letzten Jahren abgeschlossen, also zurückgezahlt, haben. Diese Kunden werden nicht mehr von den Banken aktiv informiert, da sie keine aktive Geschäftsbeziehung mehr haben. Der Anspruch auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Zinsen besteht aber auch in diesen Fällen. Diese Kunden müssen sich unbedingt selbst darum kümmern und die Bank aktiv anschreiben.

Beate Macura, help.ORF.at

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