AK warnt vor neuem Direktvertrieb von Energydrinks

Arbeiterkammer (AK) und Jugendbetreuer sind besorgt über den Einstieg von Jugendlichen in den Direktvertrieb von Getränken. Konkret seien Jugendliche von der dänischen Firma „b:hip Europe“ angeworben worden, um Energydrinks in großem Stil zu verkaufen. Sie dürften das Geschäft mit größter Wahrscheinlichkeit jedoch gar nicht ausüben, so die AK.

Bei der AK Steiermark häufen sich derzeit die Anfragen zur Firma „b:hip Europe“. Der Direktvertreiber stellt Energydrinks her und hat seinen Sitz in Dänemark.

AK: Wie läuft es wirklich ab?

Für Bettina Schrittwieser, Leiterin der Konsumentenschutzabteilung der AK Steiermark, liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei dem Vertriebssystem der Firma um ein illegales Pyramidenspiel handelt: „Man muss sich die Bedingungen genau ansehen, nicht nur, wie sie beschrieben sind, sondern vor allem, wie sie in der Praxis gehandhabt werden.“

Auffällig sei, dass Personen, die sich hier beteiligen, nicht nur Produkte kaufen und andere Leute anwerben würden, sondern auch sehr vehement dafür eintreten würden, dass es sich um gesundheitsfördernde Produkte handle, so Schrittwieser. Ein Pyramidenspiel wäre es, wenn Gewinne nahezu ausschließlich dadurch erzielt werden können, dass neue Teilnehmer in das System Geld investieren.

Vorbild Energydrink-Hersteller Vemma

Wegen des Verdachts auf ein illegales Pyramidensystem musste 2015 der einst weltweit aktive US-amerikanische Energydrink-Hersteller Vemma seinen Betrieb stilllegen. Unter starken Auflagen gibt es das Unternehmen heute nur noch in den USA und Kanada. In Österreich sind seither verschiedene Nachahmer auf dem Markt.

bunt angezogene Jugendliche

Karin Fischer, help.ORF.at

Besorgnis über den Einstieg von Jugendlichen in den Direktvertrieb

Eine der besorgten Anfragen an die Arbeiterkammer Steiermark kam vom Grazer Jugendzentrum „Dietrichskeuschn“. Acht Jugendliche im Club hätten bereits Kontakt mit der Firma „b:hip“ gehabt, so Betreuer Martin Rettenbacher. Die angewendeten Methoden seien für ihn besorgniserregend und hätten „sektenartige Züge“. „Ich habe Angst um meine Jugendlichen. Man erreicht sie in einer instabilen Situation und nutzt sie aus“, so der Jugendbetreuer.

„Wie eine große Familie“

Eine 16-jährige Schülerin, regelmäßiger Gast im Club, erzählt, wie ihr volljähriger Freund vor zwei Monaten vom Unternehmen „b:hip“ in Graz angeworben worden sei. Seine Aufgabe sei es, möglichst viele Menschen dazu zu bringen, den Energydrink „Indigo“ zu trinken und selbst ins Geschäft einzusteigen. „Mein Freund hat mir davon erzählt, dass das ganz toll ist, um seine Persönlichkeit weiter zu entwickeln und sein Leben umzukrempeln“, so die Schülerin. Ihr Freund sei dazu angehalten worden, über Facebook bei jeder Anfrage 20 Menschen auf einmal anzuschreiben, mit der Bitte um Hilfe.

Wenn die Leute regieren solle man sie anrufen und zum Kauf von Produktproben in der Höhe von 40 Euro überreden. Mit dem Ziel, dass pro Person mindestens zwei Euro pro Tag konsumiert würden, so die Schülerin. Knapp 400 Euro hätte ihr Freund letzten Monat ins Geschäft investiert, Geld habe er noch keines verdient. Das sei nicht so schlimm, habe er ihr geantwortet. Er müsse schließlich sein Team finanzieren, das für ihn wie eine große Familie sei. Um dieses Gefühl zu erzeugen, würde von Seiten des Unternehmen viel unternommen, so die Schülerin: Tägliche, mehrstündige Working Groups, gesonderte Treffen jedes Wochenende, regelmäßige Fahrten nach Slowenien, Rumänien und Bangkok.

„Minderjährige schwindeln beim Alter“

Ein 18-jähriger arbeitsloser Besucher des Jugendzentrums berichtet, er sei bereits von drei seiner Freunde angerufen worden, die ihn zum Einstieg in den Betrieb bewegen wollten. Sie seien alle minderjährig gewesen und hätten begeistert von einer Werbeveranstaltung der Firmenchefin in Graz erzählt.

Auf die Frage von help.ORF.at, wie das Unternehmen mit Minderjährigen umginge, erzählen die Jugendlichen, eine 16-Jährige habe behauptet, sie sei volljährig. So sei es ihr gelungen, eine Zeit lang mitzuarbeiten. Die Mutter habe daraufhin Anzeige erstattet, worauf das Mädchen ihr investiertes Geld wieder zurückbekommen hätte.

AK: Direktvertrieb kein Job für Jugendliche

Das Unternehmen antwortet auf die Vorwürfe mit einer schriftlichen Stellungnahme an die Konsumentenredaktion: Man halte sich an die Regeln, nehme die Vorwürfe ernst und werde ihnen nachgehen. Konkret äußert man sich dazu aber nicht, sondern möchte stattdessen gerne wissen, wer genau sich beschwert habe. Weiters ist man der Ansicht, dass eine Berichterstattung unangenehm sei.

AK-Konsumentenschützerin Schrittwieser warnt besonders bei Minderjährigen vor Direktvertrieben aller Art. Eltern und Verwandte seien dazu aufgefordert, dem entgegenzuwirken. „Das ist auf keinen Fall ein Job, den Jugendliche ausüben sollen“, so Schrittwieser. In vielen Firmen brauche man außerdem einen Gewerbeschein. In diesem Fall würden Jugendliche das Geschäft mit größter Wahrscheinlichkeit gar nicht ausüben dürfen.

Jonathan Scheucher, help.ORF.at

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