Wie Bitcoin funktioniert

Seit etwa einem Jahr schießt der Kurs des Bitcoin in Höhen, von denen seine analogen „Großeltern“ wie Euro, Dollar und Pfund nur träumen können. Ist es an der Zeit, auf den Zug aufzuspringen und Bitcoins zu kaufen? Ist der Bitcoin das Digitalgeld der Zukunft oder ein vorübergehender Trend, der seine Anhänger zurücklassen wird wie das Magnetbandverfahren Betamax die Videofans der 80er Jahre?

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Obwohl oft als skurriles Nerdgeld belächelt, beschäftigt die mysteriöse Kryptowährung Bitcoin doch mittlerweile sogar oberste Notenbanker. Vor wenigen Tagen haben sowohl die chinesische als auch die österreichische Nationalbank vor der Währung aus dem Computer gewarnt. Kein echtes Geld, pure Spekulation, so der Tenor. Dabei ist die Idee durchaus verlockend. Geld, von Computern generiert, das wie eine E-Mail in Sekundenschnelle weltweit transferiert werden kann. Bei herkömmlichen Bankhäusern werden Überweisungen nicht in Sekunden, sondern wie zu Omas Zeiten in Geschäftstagen abgewickelt.

„Der Bitcoin wird die Welt verändern“

Der Bitcoin ist eine digitale Währung, die mit komplexen Algorithmen von einer Vielzahl von Computern errechnet wird, sagt Christoph Weiss, Fachredakteur beim ORF-Sender FM4. Die zugrunde liegende technische Basis ist ein Datenbanksystem, das als Blockchain (engl. für Blockkette) bezeichnet wird. Diese Technologie werde die Welt verändern, ist Weiss überzeugt: „Das Aufregende an der Bitcoin-Blockchain ist, dass sie grenzenlos, erlaubnislos und offen ist.“ Jeder könne an dem System teilhaben und beispielsweise Bitcoin-Software entwickeln, ohne um Erlaubnis zu fragen. Auch könne man Bitcoins besitzen, verwalten und verwenden, ohne etwa zwingend ein Bankkonto haben zu müssen.

Fan mit Bitcoin Medaille

YOSHIKAZU TSUNO / AFP

Der Bitcoin wurde 2009 als Antwort auf die Wirtschaftskrise entwickelt

Der Bitcoin sei ein dezentralisiertes Währungssystem, so Weiss. Es gebe weder eine Zentrale noch eine Bitcoin-Firma. Nirgendwo existiere eine Bitcoin-Bank oder eine Zentralbank, die die Server kontrolliere. Stattdessen handle es sich um ein weltweites Netzwerk, das aufgrund seiner Größe sehr robust und eigentlich nicht abzuschalten sei. Eine digitale Revolution, so Weiss, der Bitcoin sei das Internet des Geldes. Man sehe die Folgen zum Teil schon heute. In Schwellen- und Entwicklungsländern wie zum Beispiel in Kenia würden die Menschen die Möglichkeiten des Bitcoin verstärkt nützen, da sie häufig keinen Zugang zu einem Bankkonto hätten.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis

Ohne Einfluss von Währungshütern wird der Kurs des Bitcoin ausschließlich durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Tatsächlich ist die Zahl der Bitcoin-Transaktionen in letzter Zeit trotz erheblicher Kursschwankungen exponentiell gestiegen. War ein Bitcoin Anfang 2016 etwa 400 Euro wert, so muss man momentan schon über 8.500 Euro hinblättern.

Von Fans wird der Bitcoin gerne mit Gold verglichen. Das Erschaffen neuer Bitcoins wird daher auch als „Mining“, also als „Schürfen“ beziehungsweise als „Schöpfen“ bezeichnet. Bei diesem Vorgang stellt man die Rechenleistung eines Computers dem globalen Bitcoin-Netzwerk zur Verfügung. Da es sich um eine mathematische Größe handelt, kann man genau vorhersagen, wie viele Bitcoins es gibt beziehungsweise geben wird. Der komplizierte Algorithmus sorgt dafür, dass maximal 21 Millionen dieser virtuellen Münzen produziert werden können. Bisher wurden 16,36 Millionen geschöpft und befinden sich somit im Umlauf. Bis alle Bitcoins geschöpft sind, dürfte es aber noch über 100 Jahre dauern. Der Algorithmus legt nämlich fest, dass sich der Zuwachs alle vier Jahre halbiert.

Im Bitcoincafé in Vancouver

Deborah Jones / AFP

In einem Cafe in Vancouver (Kanada) kann mit Bitcoins bezahlt werden

In Österreich lohnt sich das Schöpfen von Bitcoins nicht

Grundsätzlich kann sich jeder an dem Schöpfen der Bitcoins beteiligen. Die Berechnungen werden jedoch immer energie- und somit kostenintensiver. Mittlerweile „schuften“ bereits zahlreiche extrem leistungsstarke Rechner in den „Bitcoin-Minen“. Die Aufrechterhaltung dieser Systeme ist derart energieintensiv, dass sich das Schöpfen nur noch in Weltgegenden rechnet, in denen Energie extrem günstig ist. Als Beispiel wird hier häufig Island genannt. In Österreich lohnt sich die Jagd nach dem digitalen Gold schon lange nicht mehr.

Wer sich in Österreich einen Bitcoin-Vorrat zulegen möchte, muss ihn kaufen und in einer analogen Währung wie etwa dem Euro bezahlen. Erwerben könne man das Kryptogeld bei spezialisierten Onlineplattformen wie dem österreichischen Unternehmen Bitpanda, so FM4-Redakteur Weiss. Bei Bitpanda könne man über Sofortbanking, mittels Kreditkarte und mit Hilfe verschiedener Zahlungsdienstleister Bitcoins beziehen. Die Transaktion dauere nur wenige Sekunden. Natürlich könne man die erworbene Kryptowährung auch wieder in klassisches Geld, sogenanntes Fiatgeld, zurück wechseln.

Wer anonym bleiben will, zahlt hohe Spesen

Mit Hilfe der digitalen Wallet, also einer Geldbörsen-App auf dem Smartphone, kann man den Bitcoin auch unterwegs handeln. Mittels eines QR-Codes können die Transaktionen ebenfalls innerhalb weniger Sekunden durchgeführt werden. Wer allerdings bei solchen Währungsbörsen einkaufen möchte, muss sich aufgrund der bestehenden Geldwäschegesetze mit einem Reisepass oder einem anderen Ausweisdokument registrieren lassen. Häufig wird auch ein Foto verlangt sowie ein Dokument aus dem die Adresse ersichtlich ist. Anonymer läuft der Vorgang in Bitcoin-Cafes und bei speziellen Bitcoin-Automaten ab. Dort werden aber saftige Gebühren fällig. Zwölf Prozent und mehr sind keine Seltenheit.

Was tun, wenn ein Bitcoin verloren geht?

Wenn man Bitcoins besitzt, sind diese mit einem kryptographischen Schlüssel versehen – daher auch der Ausdruck Kryptowährung. Sollte ein Smartphone, in dessen Wallet ein Bitcoin gespeichert ist, verlorengehen, oder ein entsprechender PC defekt werden, ist das digitale Geld damit noch nicht automatisch verloren. Wichtig ist aber, dass man den „Private Key“, der etwa in der Datei „wallet.dat“ der digitalen Geldbörse gespeichert ist, ausgeben kann. Ist der „Private Key“ verloren, wird es de facto unmöglich, seinen Bitcoin unter den über 16 Millionen im Umlauf befindlichen Coins wiederzufinden.

Bitcoinautomat

STEPHANE DE SAKUTIN / AFP

Mit QR-Code am Smartphone werden am Bitcoin-Automaten oft Gebühren fällig

Obwohl sich der Kurs des Bitcoin verglichen mit herkömmlichen Währungen durchwegs erstaunlich entwickelt hat - ein durchgehender Weg nach oben war es keineswegs. Während seiner kurzen Geschichte war die Notierung des Bitcoin immer wieder erheblichen Schwankungen unterworfen. Der Ruf als Hackerwährung schadet dem digitalen Aufsteiger. Im Zuge der „Wanna Cry“-Trojanerattacke haben Cyberkriminelle erst kürzlich ein Lösegeld zahlbar in Bitcoins gefordert. Die Tatsache, dass Bitcoins von Drogenhändlern im Darknet quasi als Standardwährung eingesetzt werden, schadet sowohl dem Ruf als auch der Kursentwicklung.

Experte: Bitcoin nicht für Kriminalität verantwortlich

Dennoch könne man weder Bitcoin-Fans noch den Bitcoin an sich für organisierte Internetkriminalität verantwortlich machen, meint der Finanzexperte vom Verein für Konsumenteninformation (VKI), Bernd Lausecker. Ebenso gut könnte ein Hammer dazu genutzt werden einen Mord zu begehen, ohne dass man deshalb einem Handwerker eine potenzielle Sympathie für Totschläger unterstellen könne. Ähnlich wie der Hammer sei auch der Bitcoin ein Werkzeug, mit dem man sowohl Gutes als auch Böses bewirken könne, so Lausecker.

Vor allzu großer Goldgräberstimmung warnt der Finanzexperte jedoch. Denn obwohl immer mehr Unternehmen, wie beispielsweise Microsoft, den Bitcoin akzeptieren würden, sei er als Zahlungsmittel, was er ja eigentlich sein will, noch lange nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, so Lausecker: „Im Augenblick fungiert der Bitcoin weniger als Geld, weil man kauft damit nicht ein, oder man zahlt nicht damit, sondern er ist mehr oder weniger ein Anlageobjekt, wo jeder sagt: Toll wie sich der Kurs entwickelt.“

Als Zahlungsmittel derzeit nur bedingt einsetzbar

Langfristig werde sich der Bitcoin nur dann halten können, wenn er diesen Sprung zu einem breit anerkannten Zahlungsmittel bewältigt, meint Lausecker. Denn im Gegensatz zum Bitcoin habe man bei einem gesetzlichen Zahlungsmittel wie dem Euro nun mal die Garantie, dass er vom Handel angenommen und gegen Waren getauscht werden muss. Der Bitcoin an sich habe keinen Wert und müsse auch nicht akzeptiert werden, warnt Lausecker: „Das heißt, Sie müssen jemanden finden, der Ihnen dafür Waren oder Euros gibt.“

Die dezentrale Struktur des Bitcoin, also letztlich das Fehlen von Banken und Währungshütern, mache den Bitcoin zwar immun gegen Währungsmanipulationen und somit einerseits wertstabil, dieser Umstand berge aber auch Gefahren. Da der Bitcoin unreguliert sei und ausschließlich von der Crowd des Netzwerks verwaltet werde, gebe es keine zentrale Stelle, die in jedem Fall einen Rücktausch garantiert oder an die sich Kunden bei Problemen wenden können.

„Bitcoin könnte Spekulanten anlocken“

Die Tatsache, dass man immer präzise weiß, wie viele Bitcoins momentan im Umlauf sind, könnte die Währung darüber hinaus zum Ziel von Spekulanten machen. Theoretisch könnten finanzstarke Gruppen große Mengen an Bitcoins kaufen, um damit den Preis in die Höhe zu treiben. Sollte so etwas einmal der Fall sein, gebe es eben keine Nationalbank, die die Notenpresse in Gang setzen könnte, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen.

Der grundlegenden Technologie hinter Kryptowährungen, der Blockchain, wird von vielen Experten bescheinigt, dass sie die Finanzwelt als auch das Internet nachhaltig beeinflussen werde. Das erkennen mittlerweile auch einige Währungshüter an. Der Präsident der Österreichischen Nationalbank Ewald Nowotny hat angekündigt, dass man in den kommenden Jahren eine eigene Kryptowährung entwickeln wolle.

In zehn Jahren 100.000 Dollar wert?

Der Bitcoin selbst ist aber nur eine von vielen Kryptowährungen. Ob er bei den derzeitigen Unsicherheiten langfristig als Anlageprodukt empfohlen werden kann, sei daher derzeit nicht seriös vorherzusagen, so VKI-Finanzexperte Lausecker. Viele Fachleute sind der Ansicht, dass der Hype bald ein Ende finden wird, die Blase platzt und der Bitcoin von anderen Kryptowährungen in die Bedeutungslosigkeit geschickt wird. Andere, wie der Analyst Kay Van-Petersen, sind der Ansicht, dass der Bitcoin in zehn Jahren an die 100.000 Dollar wert sein könnte. Schließlich vereine der Bitcoin eine interessante Idee mit einem mittlerweile starken Netzwerk. Und wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass sich die Investition von ein paar Schilling in Aktien eines kleinen Unternehmens mit dem skurrilen Namen Google jemals rechnen würde.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

(aktualisiert am 29.11.17)

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