Hundehaftpflicht: Der Kampf ums Schmerzengeld

Haftpflichtversicherung sind in manchen Bundesländern in Österreich vorgeschrieben. Damit sind die mitunter hohen Folgekosten eines Bisses abgedeckt - zumindest in der Theorie. In der Praxis können Geschädigte trotz Versicherung manchmal viel Geduld, Geld und anwaltliche Hilfe brauchen, um zu ihrem Recht zu kommen.

Die Niederösterreicherin Christine S. hat bis heute mit den Folgen eines Hundebisses zu kämpfen. Dabei hatte die Hundehalterin den Labrador-Mastino-Mischling als brav beschrieben „das ist ein ganz Lieber, der tut nichts“. Die Attacke kam unvermittelt, der Hund biss die 56jährige mehrmals in die Wange. Die Wunden mussten mit acht Stichen genäht werden.

Die Attacke passierte im Mai 2015, im August verstarb die Hundehalterin, im September erklärte sich ihre Haftpflichtversicherung bereit, die Kosten für den entstandenen Schaden zu tragen. Bis heute, eineinhalb Jahre nach dem Biss, kämpft die Verletzte um entsprechenden Schadenersatz.

Wange mit genähten Bisswunden

Privat

Bisswunden an der linken Wange

Nach dem Biss arbeitslos

Christine S. war bis zur Hundeattacke Heurigenkellnerin in Niederösterreich. Ein Monat lang war sie im Krankenstand und litt unter starken Schmerzen im Gesicht. Auf Hunde reagierte sie mit Angst und Schweißausbrüchen. „Nicht einmal meinen eigenen Hund konnte ich sehen“, so die 56jährige. Ihre Arbeit beim Heurigen verlor sie, weil sie Gäste mit Hunden nicht mehr bedienen konnte. „Ich konnte nicht vorbei gehen, da hat es mir alle Haare aufgestellt“.

In der Klinik empfahl man ihr aufgrund des traumatischen Ereignisses eine Psychotherapie. Christine S. wurde mehrmals stationär aufgenommen, ging regelmäßig in Psychotherapie und war im Sommer 2016 mehrere Wochen in einer Rehaklinik in Niederösterreich.

Panikattacken „keine Folge der Bisse“

Die Haftpflichtversicherung der Hundehalterin gab zwei Gutachten in Auftrag, um mögliche Dauerfolgen abzuklären. Die Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie kam zum Schluss, dass die Panikattacken und psychosomatischen Beschwerden „keine Folge des Bisses sind“, so die Versicherung. Wörtlich heisst es im Gutachten: „Die Angaben der Versicherten, seit Juni an Panikattacken zu leiden, sind nicht nachvollziehbar“.

Gutachten „nicht schlüssig“

Kritik am Gutachten kam von Barbara Beclin, Professorin für Zivilrecht am Juridicum Wien. Das Gutachten sei widersprüchlich, wichtige Fragen würden darin nicht beantwortet, es fehle der psychiatrische Befund. Die geschädigte Niederösterreicherin habe die Möglichkeit, mit einem Gegengutachten zu antworten. Doch die 56jährige fühlte sich dazu kaum in der Lage, sie sei finanziell und psychisch am Ende. „Es geht seinen Weg, hat es geheißen, und jetzt stehe ich da, mit einem hässlichen Gesicht und weiß nicht ein noch aus“.

Die Haftpflichtversicherung indessen zahlte das, was die Sachverständigen berechnet haben, insgesamt rund 5.700 Euro für Fahrt-, Therapiekosten und Schmerzengeld. Auf Nachfrage von help.ORF.at bot die Versicherung eine Entschädigung für die Verunstaltung an: 2.500 Euro für die sichtbaren Narben und die Asymmetrie des Gesichts. Für Frau S. war das ein schwacher Trost, „Mich hat ein Hund ins Gesicht gebissen, keine Stechmücke“.

Sonja Hochecker, help.ORF.at

Mehr zum Thema:

Link: