Videochat-Programme im Praxistest

Videokonferenzen sind an sich nicht neu. Durch Lockdown und Homeoffice nutzen nun aber auch weniger technikbegeisterte Menschen dieses Kommunikationsmittel. Die deutsche Stiftung Warentest und der Verein für Konsumenteninformation (VKI) haben Videochat-Programme unter die Lupe genommen. Die ersten beiden Plätze gingen an Microsoft. Aber auch ein Open-Source-Programm konnte die Tester überzeugen.

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Im gemeinsamen Test von Stiftung Warentest und dem VKI standen Benutzerfreundlichkeit, Datenschutz und die Übertragungsqualität im Vordergrund. Zwölf Videochat-Programme wurden von den Testern bewertet. Dominiert haben Softwarelösungen von Microsoft. Auf dem ersten Platz landete das Programm „Teams“, ein Videokonferenz-Tool, das primär für den Bürobereich gedacht ist. Das wohl bekannteste Videochat-Programm „Skype“, das sich seit 2011 ebenfalls im Besitz von Microsoft befindet, kam auf Platz zwei. Beide Produkte wurden mit „gut“ bewertet.

Installation auch für Anfänger problemlos

Für Privatanwender sei „Skype“ an sich ausreichend, meint Gernot Schönfeldinger, Technikredakteur beim VKI-Magazin „Konsument“. Da das bislang kostenpflichtige „Teams“ nun aber auch in einer abgespeckten Gratisversion verfügbar sei, könne man beide Programme selbst ausprobieren und anschließend eine Wahl treffen.

Videochat bei Teams

Microsoft

Im Rennen gegen „Skype“ hatte „Teams“ knapp die Nase vorn

Die Installation aller getesteten Programme sollte auch ungeübten Anwendern kaum Probleme bereiten, sagt Schönfeldinger. Die Webseiten der Anbieter waren leicht zu finden, die entsprechenden mobilen Anwendungen sind im Apple-Appstore und dem Google Playstore verfügbar. Für die Installation muss in der Regel ein Benutzerkonto angelegt werden. Große Ausnahme war hier die freie Software „Jitsi-Meet“. Das Open-Source-Programm hat in der Coronavirus-Pandemie viele Anhänger gefunden und landete im Test auf Platz drei.

Open-Source-Software „Jitsi“ unter den Favoriten

Bei „Jitsi“ muss kein Benutzerkonto angelegt werden. Dadurch müssen keine persönlichen Daten an den Anbieter übermittelt werden. Es genügt, ein Pseudonym auszuwählen, über dieses erhält man dann einen Einladungslink, den man mit anderen Anwenderinnen und Anwendern teilen kann. Um zu verhindern, dass Unbefugte Zugriff erhalten, sollte dieser Name möglichst fantasievoll gewählt werden. Es empfiehlt sich außerdem, ein sicheres Passwort zu wählen, um das anonyme Konto zusätzlich abzusichern.

Videochat bei der Open-Source-Software Jitsi

Jitsi.org

Die Open-Source-Software „Jitsi“ punktete bei der Privatsphäre

Was den Datenschutz betrifft, gilt „Jitsi“ daher für viele als Vorbild. Auch der bekannte US-Hacker Jacob Appelbaum empfiehlt die Software. Stiftung Warentest und der VKI haben das Programm trotzdem abgewertet - und zwar ausgerechnet beim Datenschutz. Hier habe es das Problem gegeben, dass die Jitsi-Datenschutzbestimmungen nur in englischer Sprache verfügbar waren und außerdem auf der Webseite schwer auffindbar gewesen seien, so VKI-Technikexperte Schönfeldinger. Dies widerspreche der geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU, weshalb gemäß der Testkriterien eine Abstufung um einen ganzen Notengrad notwendig war.

Wenn man über ausreichende Englischkenntnisse verfügt, ist das Programm aber jedenfalls empfehlenswert, sofern einem der Schutz persönlicher Informationen wichtig ist. Auch dann, wenn „Jitsi“ im Bereich Privatsphäre aufgrund der Testkriterien nur mit „durchschnittlich“ bewertet wurde. Grundsätzlich zähle der Umgang mit Benutzerdaten aber auch bei Videochat-Programmen zu den großen Baustellen, sagt Schönfeldinger. Umständliche Datenschutzbestimmungen, nicht selten in Romanlänge, machen es Anwenderinnen und Anwendern keineswegs leicht.

Datenschutzbestimmungen als Stolperstein

In der Praxis habe man hier aber ohnehin keine Wahl. Letztlich müsse man die Bestimmungen akzeptieren, die der Anbieter vorlegt. Die einzige Alternative wäre, auf Internetdienste generell zu verzichten, so Schönfeldinger. Der Experte rät dennoch dazu, Datenschutzbestimmungen diverser Anbieter zumindest zu überfliegen und abzuspeichern, um dann einen Anbieter wählen zu können, dem man sein Vertrauen schenkt.

Videochat bei Skype

Microsoft

Freunde treffen in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, mit Hilfe von „Skype“

Ein Programm, das im Zuge der Coronavirus-Krise zunächst großen Zuspruch erfahren hatte, ist „Zoom“. Doch der Anbieter musste kürzlich heftige Kritik in Sachen Datenschutz einstecken. Unter anderem deshalb, weil Fremde die Chats abhören konnten. Diese Sicherheitslücken habe „Zoom“ aber mittlerweile geschlossen, versichert Schönfeldinger.

Schwere Sicherheitsbedenken bei „Mikogo“

Dass die Anbieter selbst Gespräche abhören oder aufzeichnen, bezweifelt der Experte. Zwar gebe es in manchen Punkten natürlich Verbesserungsbedarf, wirkliche Sicherheitslücken habe man aber eigentlich kaum gefunden. Die große Ausnahme war hier das Programm „Mikogo“, das mit "nicht zufriedenstellend“ bewertet wurde.

Dieser letzte Platz für „Mikogo“ komme nicht von ungefähr, so Schönfeldinger. So wurden Namen und Passwörter der Chaträume nicht immer verschlüsselt. Angreifer könnten Gespräche und Textnachrichten abhören, so die Sorge der Tester. „Mikogo“ erlaubt laut Stiftung Warentest zudem Passwörter, die nur aus einem einzigen Zeichen bestehen, was klarerweise keine Sicherheit gewährleistet. Außerdem biete „Mikogo“ gar keine Videotelefonie an, auch wenn die Webseite trotz Intervention der Tester nach wie vor anderes suggeriere.

Gratisprogramme in der Regel ausreichend

Videochat-Programme gibt es kostenlos oder auch als kostenpflichtige Aboversionen. Für die kostenpflichtigen Varianten des Testsiegers „Teams“ zahlt man je nach Ausstattung zwischen vier und 20 Euro im Monat. Eine Bezahlversion sei für die meisten Anwenderinnen und Anwender aber nicht notwendig, sagt Schönfeldinger. Die Ausstattung ist unterschiedlich, manche bieten Clouddienste an, um etwa Dokumente übermitteln zu können, andere bieten Kalenderfunktionen.

Bei vielen Programmen kann man außerdem auch über das Telefon an einer Videokonferenz teilnehmen. In so einem Fall können natürlich Gebühren anfallen, die je nach Telekomanbieter unterschiedlich hoch sein können. Schönfeldinger rät daher, sich beim Telekomanbieter über die Tarife zu informieren, bevor man dieses Service nutzt.

Mit der verfügbaren Internetbandbreite gehen die meisten Produkte sparsam um. Wenn die Bildverbindung trotzdem wackelt, was vor allem dann passieren kann, wenn man eine mobile Internetverbindung nutzt, sollte die Videofunktion vorübergehend deaktiviert werden.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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