Konsumentenschützer fordern mehr Einsatz der EU

Mit erstem Dezember wird die neue EU-Kommission ihr Amt antreten. Auch der Konsumentenschutz fällt in ihre Aufgabe. Der europäische Verbraucherverband (BEUC) hat der designierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits einige Forderungen gestellt – von Einschränkungen gefährlicher Chemikalien, Regulierung künstlicher Intelligenz (KI) bis hin zu mehr Möglichkeiten für das Reparieren von Geräten.

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Von der Leyen versprach bei der Präsentation ihrer neuen Kommission den europäischen „Grünen Deal“, ein Programm, das Klima- und Umweltschutz fördern soll. Das betrifft auch den Konsumentenschutz. Die zukünftige EU-Kommission legte jedoch noch keine konkreten Pläne für den Konsumentenschutz vor. Als neuer Konsumentenschutzkommissar ist der Belgier Didier Reynders bestellt, der zugleich Justizkommissar wird.

Neuer EU-Kommissiar noch ohne konkrete Pläne

„Vertrauen, Einbindung der Konsumenten und Fairness prägen meinen Zugang zu Konsumentenschutz“, so Reynders bei seinem Hearing im EU-Parlament. Sein Portfolio zu Konsumentenschutz sei noch sehr vage gehalten, kritisiert Ursula Pachl, stellvertretende Direktorin von BEUC. Die Wunschliste der Verbraucherschützerin ist lange: Es brauche gesicherten Zugang zu günstigen Medikamenten, ein Ökolabel, das Verbraucher und Verbraucherinnen erkennen lasse, ob ein Produkt nachhaltig sei sowie eine Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln.

Didier Reynders, Konsumentenschutzkommissar im Kabinett von der Leyen

Europäische Union 2019/ Aurore Martignoni

An Didier Reynders, den neuen Konsumentenschutzkommissar, haben europäische Verbraucherschützer hohe Erwartungen

Pachl: Geräte sollten reparierbar sein

Die geplante Obsoleszenz, also die absichtlich beschränkte Lebensdauer von Produkten, „ist ein leidiges Thema“, so Pachl. Die Konsumentenschützerin fordert, dass Kunden und Kundinnen schon beim Kauf eines Produktes Informationen über seine zu erwartende Lebensdauer erhalten. Das gelte auch für Sicherheitsupdates von Geräten, die mit dem Internet verbunden sind. Unter Kritikern und Kritikerinnen gibt es etwa häufig Bedenken, dass es theoretisch möglich sei, smarte Küchengeräte zu hacken. Hersteller sollten Pachl zufolge angeben, für welchen Zeitraum sie Sicherheitsupdates für Geräte bereitstellen, sodass diese gefahrlos benutzt werden können.

Ursula Pachl, stellvertretende Direktorin BEUC

ORF Brüssel

BEUC-Vizedirektorin Ursula Pachl

Geräte sollen auch leichter zu reparieren sein, fordert die Verbraucherschützerin. Dafür gelte es Richtlinien zu überarbeiten. „Viele Produkte kann man gar nicht reparieren, weil sie vom Design her schon so gebaut sind, dass sie nicht repariert werden können“, kritisiert Pachl. Bei Lautsprechern kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein kaputtes Kabel nicht einfach ausgetauscht werden kann. Bei neu gekauften Produkten, so fordert BEUC, sollen deshalb zukünftig Anleitungen für Reparaturen beiliegen und Ersatzteile leicht und günstig zu kaufen sein.

Problematischer „Cocktaileffekt“ bei Chemikalien

Ein weiterer Bereich, indem Pachl akuten Handlungsbedarf sieht, sind gefährliche Chemikalien in Alltagsgegenständen - etwa in Plastikartikeln und Reinigungsmitteln. „Es gibt viel zu viele besorgniserregende Chemikalien in Verbraucherprodukten“, so die Konsumentenschützerin. Die derzeitigen Regulierungen würden nur die Wirkung einzelner Chemikalie berücksichtigen.

Verbraucher und Verbraucherinnen seien im täglichen Leben jedoch einer Vielzahl von Chemikalien ausgesetzt. Dieses problematische Zusammenspiel - der „Cocktaileffekt“ - werde in den derzeitigen Regulierungen nicht beachtet. Schon die scheidende EU-Kommission Jean-Claude Junckers habe, anders als vor fünf Jahren angekündigt, zu wenig Augenmerk auf Chemikalien in Produkten gelegt, so Pachl.

Kontrolle für künstliche Intelligenz gefordert

Von der Leyen kündigte an, Regulierungen im Bereich KI in den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit umsetzten zu wollen. Pachl begrüßt dieses Vorhaben, denn sie erwarte einen immer größeren Einfluss von KI im täglichen Leben von Verbrauchern und Verbraucherinnen. „Es wird sehr viele automatisierte Entscheidungen geben“, so Pachl. Sie erwarte vermehrt personalisierte Preise, wie man sie bereits bei Flugbuchungen kennt, wo sich Preise je nach Buchungszeitpunkt unterscheiden können.

„Wir gehen davon aus, dass sich Märkte individualisieren werden“, analysiert Pachl. Für Kunden und Kundinnen sei es schwer nachzuvollziehen, wie ein Algorithmus funktioniere und auf welcher Datenbasis Preisentscheidungen getroffen würden – also warum eine Person für das gleiche Produkt mehr zahle als eine andere.

Verbraucher und Verbraucherinnen seien besorgt, dass bei Algorithmen „keine staatliche Kontrolle mehr möglich sein wird“, so Pachl. Es sei wichtig, dass Behörden Einblicke in Algorithmen erhielten, um kontrollieren zu können, ob diese rechtskonform programmiert sind. „Hier brauchen wir sicher eine Modernisierung des Verbraucherrechtes“, fordert die Verbraucherschützerin.

Uploadfilter „natürlich ein Flop“

Die stellvertretende Direktorin von BEUC zieht auch über die Arbeit der scheidenden EU-Kommission im Bereich Konsumentenschutz Bilanz. Es seien einige Meilensteine für Konsumenten und Konsumentinnen erreicht worden - beispielsweise die Abschaffung der Roaminggebühren, das Datenschutzgesetz und das erneuerte Gewährleistungsrecht. Dieses erlaubt Verbrauchern und Verbraucherinnen Produktmängel innerhalb von zwei Jahren zu beanstanden. Auch im Bereich Digitales habe die Kommission Junckers Konsumentenrechte gestärkt - etwa beim Einkaufen im Internet.

Schwere Kritik kommt von der Konsumentenschützerin jedoch für das neue Urheberrecht. „Die neue Novelle, die auch in den Medien viel diskutiert worden ist, ist aus Verbraucherschutzperspektive natürlich ein Flop“, sagt Pachl. Mit der Novelle des Urheberechts wurden nämlich Uploadfilter eingeführt. Große Internetplattformen wie YouTube müssen zukünftig Videos und Bilder auf urheberrechtlich geschütztes Material prüfen. Pachl erwartet, „dass Benützer des Internets hier Einschränkungen erleben werden“, da voraussichtlich nicht mehr alle privat aufgenommen Videos ins Internet geladen werden könnten.

Allgemein stellt die Verbraucherschützerin der Kommission Jean-Claude Juckers eine mittelmäßige Note aus. An die Kommission von der Leyens habe sie deshalb „große Erwartungen“.

Julia Schönherr, ORF Brüssel

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