iFixit – Reparaturhilfe als Millionengeschäft

Das US-Unternehmen iFixit bietet auf seiner Webseite kostenlose Reparaturhandbücher für alle erdenklichen Geräte an. Das häufig benötigte Spezialwerkzeug zum Öffnen von Markenelektronik liefert das Unternehmen gleich mit. Die Initiative zweier US-Studenten hat sich binnen kurzer Zeit zu einem Millionenunternehmen entwickelt.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1.

Jetzt auch als Podcast.

Wenig erfreulich, wenn ein Notebook auf den Boden kracht - für die US-Studenten Kyle Wiens und Luke Soules war es die Initialzündung für eine profitable Geschäftsidee. Sie wollten das Notebook selbst reparieren, fanden aber keine Anleitung im Netz. Da Markenhersteller heute einen nicht unerheblichen Teil ihres Gewinns mit Reparaturdienstleistungen einfahren, ist die Bereitschaft, ambitionierten Bastlern unter die Arme zu greifen, eher gering. Wiens und Soules, die Gründer von iFixit, nahmen das Notebook also auseinander, um zu erkunden, wie man das Gerät reparieren kann.

„Nachfrage nach Reparaturanleitungen war enorm“

Das Ergebnis ihrer Recherche haben die beiden Schritt für Schritt dokumentiert und im Internet publiziert, erzählt Matthias Huisken, Geschäftsführer von iFixit Europe. Über den großen Bedarf an unabhängigen Reparaturanleitungen und die damit verbundene Resonanz seien die beiden verblüfft gewesen.

Zerlegtes MacBook Pro

iFixit

Ein defektes Notebook war die Initialzündung für die Reparaturhandbücher

iFixit wurde im Jahr 2003 im im US-Bundesstaat Kalifornien gegründet. Seit 2013 verfügt iFixit in Deutschland über eine europäische Niederlassung, von der aus 30 Länder mit eigens produzierten Spezialwerkzeugen beliefert werden. Man wolle einerseits dabei unterstützen, Geld zu sparen, und andererseits dafür sorgen, dass möglichst wenige elektronische Produkte auf dem Müll landen, so Huisken.

Reparieren hilft, giftigen Elektroschrott zu verringern

„Elektronikprodukte sind sehr ressourcenintensiv in der Herstellung“, so Huisken. Man benötige bei der Produktion viel Energie, eine große Menge an Rohstoffen und mitunter auch sehr seltene Materialien. Gleichzeitig seien die Geräte sehr gefährlich bei der Entsorgung. Alte Röhrenfernseher, die nach wie vor in zahlreichen Recyclinganlagen zu finden sind, enthalten große Mengen an Blei und Quecksilber. Quecksilber ist auch in Leuchtstoffröhren vorhanden. Dies sei auch ein Grund, warum man bei iFixit die Reparatur und Weiterverwendung dem Recycling vorziehe, so Huisken.

Teardown offenbart Innenleben von Markenelektronik

Besondere Popularität erlangte iFixit damit, dass neue Produkte gleich nach ihrem Markteintritt auf ihre Reparaturfreundlichkeit und die Qualität der verwendeten Einzelteile überprüft werden. Man habe hier ein eigenes Format entwickelt, das als Teardown (engl. für Abbruch oder Abriss) bezeichnet wird, erzählt Huisken. Beim Teardown würden populäre Produkte komplett in ihre Einzelteile zerlegt: „Auf diese Weise können wir in Erfahrung bringen, wie die Geräte aufgebaut sind und wie kritische Komponenten, die im Laufe eines Produktlebens kaputtgehen können, leicht ausgetauscht werden können.“

Dem MacBook Pro auf den Zahn gefühlt

Jüngstes Beispiel ist der Teardown von Apples neuem MacBook Pro. Das Gerät ist mit einer so genannten Butterfly-Tastatur ausgestattet. Diese Tastatur wies in der Vergangenheit erhebliche Schwächen auf. Anschläge wurden nicht registriert oder auch doppelt ausgeführt. Apple gelobte Besserung, und iFixit überprüfte, ob der Konzern dieses Versprechen hielt. Zahlreiche Teardown-Videos, die häufig auch Einschätzungen unabhängiger Fachleute enthalten, können auf der Webseite aufgerufen werden. Die Videos sind in der Regel nur in englischer Sprache verfügbar, sie werden aber häufig mit deutschen Untertiteln versehen.

MacBook Pro Tastatur im iFixit Test

iFixit

Im Teardown wurde die Butterfly-Tastatur von Apples MacBook Pro getestet

Neben den Teardown-Videos stehen den Nutzerinnen und Nutzern mittlerweile 52.247 Reparaturhandbücher zu 14.526 Geräten kostenlos zur Verfügung - vom Auto über Elektrogeräte bis zum Tablet (Stand vom 12. Juni 2019). Die Anleitungen sind mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden gekennzeichnet. Damit sei ersichtlich, ob der erforderliche Reparaturaufwand auch von einem Anfänger zu bewältigen sei, so Huisken. Als Beispiel nennt er den Tausch eines Smartphone-Akkus. Dies sei eine verhältnismäßig einfache Operation, die auch einem Einsteiger gelingen könne.

Neue Anleitungen werden auf Qualität überprüft

Neue Anleitungen können von allen registrierten Nutzerinnen und Nutzern selbstständig erstellt werden. Die Beiträge würden im Anschluss von einem internen Content-Team und freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf ihre Qualität überprüft, bevor sie online gehen, so Huisken. Im Laufe der Zeit können registrierte Mitglieder der iFixit Online-Community Erfahrungspunkte sammeln. Populäre Inhalte, die sehr häufig abgerufen werden, können nur von besonders erfahrenen Nutzerinnen und Nutzern bearbeitet werden, denen das Unternehmen zuvor die entsprechenden Privilegien zuerkannt hat.

Samsung Smartphone zerlegt

iFixit

Der Tausch eines Smartphone-Akkus ist eine verhältnismäßig einfache Prozedur

Eine Anleitung allein reicht aber heutzutage in der Regel nicht aus, um das Smartphone eines Markenherstellers selbstständig reparieren zu können. Anders als noch vor zehn Jahren würden Hersteller heutzutage viel Energie investieren, um unabhängigen Reparateuren das Leben schwer zu machen. Etwa durch die Entwicklung spezieller Schraubenzieher und Schrauben, die eine Reparatur außerhalb lizenzierter Vertragswerkstätten erschweren. Auch seien Ersatzteile kaum zu bekommen, sagt Huisken.

Spezialwerkzeuge bescheren Millionenumsatz

Für diese Fälle bietet iFixit komplette Reparaturkits an, die neben den erforderlichen Spezialwerkzeugen auch die benötigten Ersatzteile enthalten. Ersatzteile und Reparatursets können online und bei Partnerhändlern von iFixit bezogen werden. Sie kosten zwischen zehn und 70 Euro. Für die Gründer des Unternehmens macht sich das durchaus bezahlt. Was mit zwei Studenten und einem gecrashten Notebook begann, entwickelte sich mittlerweile zu einem Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 30 Millionen Euro.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

Mehr zum Thema: