Assistenzsysteme: Hilfen oder Nervensägen?

Gut ausgestattete Neuwagen haben Assistenzsysteme mit an Bord, die die Fahrt sicherer und komfortabler machen sollen. Doch nicht alle Autofahrerinnen und Autofahrer kommen auf Anhieb damit zurecht. Manche schalten die Systeme dann ab, weil das Piepsen und Blinken nervt. Dabei können die cleveren Assistenten viel dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1.

Seit Jahren feilen Entwickler daran, das Autofahren mithilfe verschiedenster Assistenten, sicher und komfortabler zu machen. Waren die Systeme früher Autos der oberen Preisklasse vorbehalten, haben einige von ihnen nun auch den Weg in günstigere Mittelklassewagen gefunden.

Systeme werden oft aus Frust abgeschaltet

„Wenn aktive Systeme in die Fahrdynamik eingreifen und das Auto selbstständig lenken und bremsen, können Fahrer erschrecken“, so Roland Frisch, Chefinstruktor beim ÖAMTC. Oft würde die Hilfe des Assistenten zu Beginn auch als unangenehm empfunden. „Es besteht die Gefahr, dass das System dann abgeschaltet wird“, so der Experte.

Lenkrad und Armaturenbrett

ÖAMTC

Anfang ungewohnt, wenn das Auto selbst lenkt, bremst und Spur wechselt

Beim ÖAMTC können frischgebackene Neuwagenbesitzer in einem eintägigen Kurs gefahrlos ausprobieren, wie Assistenzsysteme im Fahrzeug funktionieren. Help.ORF.at unternahm einen Selbstversuch auf dem Trainingsgelände im niederösterreichischen Teesdorf, um herauszufinden, ob die Assistenten halten, was die Hersteller versprechen.

Der Test: Mit Tempo 100 auf das Stauende zu

Der erste Versuch betraf den Notbremsassistenten in einer sehr gut ausgestatteten Limousine. Der ÖAMTC-Trainer fuhr mit 100 Kilometern pro Stunde auf die Schaumstoffattrappe eines Fahrzeugs zu - ohne zu bremsen. Bei drei Durchgängen kam das Testauto jedesmal selbstständig und rechtzeitig knapp vor dem Hindernis zum Stillstand. Es wäre also auch nicht in ein Stauende auf der Autobahn gekracht.

Ein Auto knapp vor der Attrappe eines stehenden Fahrzeugs auf dem ÖAMTC-Trainingsgelände in Teesdorf

Karin Fischer/help.ORF.at

Der Notbremsassistent stoppte das Auto rechtzeitig vor dem Hindernis

Auch der Spurhalteassisten griff bei schlampiger Fahrweise sofort ein, warnte zuerst und lenkte das Fahrzeug dann sanft wieder zurück. Der Verkehrszeichenassistent - ähnlich einem virtuellen Polizisten, der neben einer 50er- oder 30er-Beschränkung steht - bremste das Fahrzeug automatisch auf die richtige Geschwindigkeit herunter. Der Abstandsregler verhinderte, dass das Auto zu knapp auf den Vordermann auffuhr.

Die Grenzen der cleveren Helfer

Diese Assistenzsysteme dienen der Sicherheit. Dazu gehört auch der Totwinkelassistent. Er hat da Augen, wo der Fahrer keine hat und erkennt Fahrzeuge, die beim Überholen im toten Winkel sind. Auch hier können clevere Assistenten den Fehler gleich selbstständig korrigieren. Leuchtet auf dem Armaturenbrett eine Kaffeetasse auf, hat der Müdigkeitsassistent erkannt, dass man dringend eine Pause braucht – dafür hat er zu Beginn ein Fahrerprofil erstellt, von dem er größer werdende Abweichungen registriert.

„Die cleveren Helfer sollen den Fahrer unterstützen, aber nicht ersetzen“, so Roland Frisch. Die Assistenten hätten auch ihre Grenzen. Zunächst überprüft das System, ob der Fahrer aktiv ist oder nicht. „Stellt der Assistent dann eine Aktivität wie Gas geben, Lenken oder Bremsen fest, kann es sein, dass das System aussteigt“, so der Experte. Dadurch sei es bereits zu Unfällen gekommen. Die Systeme können auch überstimmt werden - etwa, wenn man in einer 30er Zone aufs Gas steigt, obwohl der Verkehrszeichenassistent das Auto abgebremst hat. Die Letztverantwortung bleibt also beim Lenker.

Komfortabel: Einparken lassen

Einparksysteme fallen unter Komfort, ebenso Autoschlüssel, die längst nicht mehr wie richtige Schlüssel aussehen. „Keyless go“ heißt das System, bei dem sich das Fahrzeug automatisch versperrt, sobald sich der Lenker mit dem Schlüssel entfernt. „Im Kurs passiert es immer wieder, dass Teilnehmer überprüfen wollen, ob die Türen tatsächlich versperrt sind und sich dem Fahrzeug wieder nähern. Dadurch wird es wieder entriegelt und es entsteht der Eindruck, das Systeme sei defekt“, so der Trainer.

Bildschirm eines Fahrzeugs beim automatischen Einparken

Karin Fischer/help.ORF.at

Suchen, fahren, lenken, bremsen: Der Einparkassistent übernimmt alles

Top ausgestattete Autos können selbstständig Parklücken finden und das Fahrzeug einparken. Dabei legen sie den Gang ein, blinken, lenken, fahren und bremsen. Im Selbstversuch klappte es erst im dritten Anlauf tadellos, weil der Abstand beim Vorbeifahren an den geparkten Fahrzeugen zunächst zu groß war. Von Außen erkennt nur der Profi, ob ein Auto mit Sensoren, Radar und Kameras gespickt ist. „Flackern beim Fahren auf der Autobahn jedoch die Bremslichter eines voranfahrenden Fahrzeugs, dann kann man davon ausgehen, dass dessen Notbremsassistent aktiviert wurde und sollte selbst langsamer werden“, so Frisch.

Wo sich Geld sparen lässt

Einen generellen Tipp, über welche der vielen Assistenten ein Neuwagen verfügen sollte, hat der ÖAMTC-Experte nicht: „Da geht es wirklich darum, wo fahre ich meine Kilometer“. Wer viel auf Autobahnen unterwegs ist, sei mit Abstandsregelassistenten und Spurverlassenswarnern gut beraten. Wer vor allem auf Freilandstraßen fährt, dem würden diese Systeme weniger Vorteile bringen als eine Verkehrszeichenerkennung. Einparkhilfen nützen jene, die selbst schlecht einparken können oder sich von der Parkplatzsuche in der Stadt genervt fühlen. „Wer auf dem Land wohnt, der kann wahrscheinlich auf diesen Helfer verzichten und somit Geld sparen“, so der ÖAMTC-Experte.

Karin Fischer, help.ORF.at

Link:

Mehr zum Thema: