Digitalpianos im Test

Digitalpianos kommen dank ausgefeilter Technik klanglich ihren hölzernen Vorbildern immer näher. Die deutsche Stiftung Warentest hat zehn aktuelle Modelle zwischen 1.000 und 2.400 Euro genauer unter die Lupe genommen. Drei Geräte wurden mit „Gut“ beurteilt.

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Wer einen fleißigen Klavierspieler in der Nachbarschaft hat, braucht starke Nerven. Denn bis ein Stück sitzt, steht ständiges Üben der immer gleichen Stolperstellen auf dem Programm - das kann nicht nur für den Pianisten, sondern auch für die Zuhörer zermürbend sein.

Kopfhörer schonen die Nachbarn

Ein elektronisches Klavier kann hier Abhilfe schaffen. Wer gerne nachts spielt oder hellhörige Wände hat, dreht das E-Piano einfach leise oder übt gleich mit Kopfhörern. Anfangs wegen des künstlichen Klangs belächelt, arbeiten die Hersteller der Digitalpianos mit immer ausgefeilteren Techniken daran, diese als günstige Alternative zum Klavier zu etablieren. Gute Geräte bekommt man ab etwa 1.000 Euro. Ein Preis zu dem ein klassisches Klavier neu nicht zu bekommen ist. Die deutsche Stiftung Warentest hat zehn Digitalpianos unter die Lupe genommen.

Die beiden Kontrahenten: Das Digitalpiano steht neben dem Flügel, beide sind schwarz

Beate Macura/help.ORF.at

Das Yamaha Clavinova CLP-645 neben dem Feurich-Flügel Mod. 218 Concert I

Aufgezeichnete Original-Flügeltöne werden abgespielt

Ein Digitalpiano sehe rein optisch aus wie ein Pianino und verfüge mit 88 Tasten über eine komplette Tastatur, so Testleiter Markus Bautsch von der Stiftung Warentest. Es sei aber mehr als hochspezialisierter Computer mit Aufnahmemöglichkeit, USB-Anschluss, Bluetooth- und MIDI-Schnittstelle zu sehen. Auch zusätzliche Sounds wie Cembalo, Vibrafon, Orgel und Streicher können abgespielt werden. Im Zentrum steht aber die Königsdisziplin: der klassische Flügel.

Um dem Original möglichst nahe zu kommen, basieren Digitalpianos auf einer ausgereiften Sample-Technologie. Der Klang eines oder auch mehrere echter Konzertflügel wird Ton für Ton in einem hochwertigen Studio mit speziellen Mikrofonen aufgezeichnet und digital abgespeichert. Auf Tastendruck des Spielers werden diese Samples dann wiedergegeben. „Als würde der Pianist an einem großen Konzertflügel sitzen, nur sitzt er in Wirklichkeit an einem kleinen Digitalpiano“, so Bautsch.

Yamaha und Kawai vorne

Drei Digitalpianos wurden von den Testern mit „Gut“ bewertet, sie stammen von den traditionellen Klavierbauern Yamaha und Kawai. Beide Hersteller kommen aus Japan und blicken auf eine über 100 Jahre währende Tradition des Musikinstrumenten- und des Klavierbauers zurück. „Die wissen wie Pianisten ticken und wie sich eine Tastatur anfühlen soll“, so Bautsch. Testsieger wurde das Yamaha Clavinova CLP-645 um 2.400 Euro, und auch beim Preis-Leistungsverhältnis konnte ein Modell von Yamaha, das Arius YDP-163 um 1.150 Euro, überzeugen.

Dirigent Lorenz Aichner sitzt an einem Flügel

Volksoper Wien

Volksopern-Dirigent Lorenz Aichner hat für help.ORF.at in die Tasten gegriffen

Leichterer Transport möglich

Help.ORF.at hat einen Profi um seine Einschätzung gebeten. Lorenz Aichner ist Dirigent an der Volksoper Wien, spielt seit seinem fünften Lebensjahr Klavier und gab schon als Schüler Konzerte im In- und Ausland. „Nachdem ich mit dem Luxus eines echten Klaviers aufgewachsen bin, fällt es mir natürlich schwer dem Digitalpiano etwas abzugewinnen“, so Aichner. Ein Vorteil sei sicher, dass die Kosten mit der Anschaffung abgeschlossen seien, und dass das regelmäßige Stimmen der Klaviersaiten wie bei einem akustischen Klavier nicht nötig sei. Auch lässt sich ein Digitalklavier leichter transportieren, da es nur in etwa so viel wiegt wie eine Waschmaschine. Zum Vergleich: Ein kleines Pianino beginnt bei 200 Kilogramm, Flügel sind bis zu 600 Kilogramm schwer.

In der „Klaviergalerie“ im 7. Bezirk in Wien hat Dirigent Aichner für help.ORF.at den Klang des Digitalpiano-Testsiegers, mit dem eines klassischen Flügels anhand des lateinamerikanischen Klassikers „Tico Tico“ des Komponisten Zequinha de Abreu verglichen.

Digitalpianos klingen immer gleich

Für den Laien kaum zu unterscheiden, liegen für Profi Lorenz Aichner immer noch Welten zwischen den beiden Instrumenten. Das Digitalpiano klinge immer gleich, das könne für Anfänger zwar ein Vorteil sein, schränke aber gleichzeitig auch ein. Feine Nuancen im Ausdruck könnten etwa beim E-Piano nur sehr schwer oder gar nicht umgesetzt werden.

„Mir sind beim Spielen schon starke Unterschiede aufgefallen. Der gleiche Millimeter Tastenweg fühlt sich beim echten Klavier völlig anders an als beim Digitalpiano“, so Profi Aichner. Pianistisches Feingefühl sei hier fehl am Platze. Beim Digitalpiano schließe man einfach nur einen Stromkreis und dann spiele sich eine Aufnahme in einer gewissen Lautstärke ab. Nach dem Anschlag habe man keine Möglichkeit mehr, den Klang zu beeinflussen.

Feine Nuancen und Variationen nur schwer möglich

Bei einem echten Klavier hingegen könne man sogar nachdem der Ton entstanden sei, diesen noch beeinflussen, so der Volksopern-Dirigent. Und genau das mache das Musikmachen aus. Wer eine Pianistenlaufbahn anstrebe und differenzierter am Klang arbeiten wolle, Variationen hineinbringen und feine Nuancen herausarbeiten wolle, für den sei nach wie vor ein klassisches Klavier unumgänglich.

Beate Macura, help.ORF.at

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