Wunderpflanze? Was Aloe Vera wirklich kann

Im Internet werden wahre Wunderdinge über die heilende Wirkung der Wüstenpflanze Aloe Vera berichtet. Sie soll Besenreiser und Cellulite wegzaubern, Migräne bekämpfen, Diabetes mildern und das Immunsystem stärken. Aktuelle Untersuchungen zeigen: Wissenschaftliche Belege für all diese Verheißungen gibt es nicht. Nur für wenige Anwendungsgebiete ist der Nutzen wissenschaftlich belegt.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1

Schon Kleopatra soll als Gesichtsmaske darauf geschworen haben, und Christoph Columbus hatte der Legende nach immer einen „Arzt im Blumentopf“ mit an Bord: die Aloe-Pflanze. Weltweit gibt es mehrere hundert Aloe-Arten, genutzt wird vor allem Aloe Vera, die echte Aloe.

Aloe-Vera-Plantage

Getty Images/Feifei Cui-Paoluzzo

Die genügsame Aloe Pflanze gedeiht überall dort, wo es heiß genug ist

Der Anbau der graugrünen Pflanze mit ihren dicken stacheligen Blättern ist ein lukratives Geschäft – riesige Plantagen im Mittelmeer-Raum, Südamerika und den USA liefern die Aloe. Industriell weiterverarbeitet wird vor allem das Fleisch der Pflanzenblätter. Aus dem Wasserspeichergewebe der Blätter, das eine schleimige Konsistenz hat und zum größten Teil aus Wasser besteht, sowie verschiedene Zucker, Vitamine und Aminosäuren enthält, wird das Aloe-Gel gewonnen.

Keine medizinische Wirkung nachgewiesen

Bernd Kerschner, Projektleiter der Plattform Medizin-Transparent.at, hat sich für help.ORF.at die wissenschaftlichen Studien zur medizinischen Wirkung der Wüstenpflanze - etwa bei Neurodermitis, Schuppenflechte und chronischen Wunden - genauer angeschaut. Das Ergebnis: „Die bisher vorliegenden Studien sind von schlechter Qualität und nicht aussagekräftig“, so Kerschner. „Es gibt bisher keine medizinische Wirkung der Aloe, die nachgewiesen werden konnte.“

Bei ernsthaften Erkrankungen sollten daher unbedingt bewährte konventionelle Behandlungsmethoden gewählt werden. Aber wie sieht es mit Aloe Vera als Nahrungsergänzung aus? Von Aloe-Vera-Joghurts, Aloe-Vera-Nektar bis zu Aloe-Kapseln werden im Handel und im Internet allerlei Produkte angeboten, die dem Körper innerlich Gutes tun sollen.

Aloe-Vera-Pflanze

Getty Images/Nenov

Das durchsichtige Wasserspeichergewebe wird als Gel zum Auftragen benutzt

Auch kein Nutzen bei innerer Anwendung

„Wir raten nicht dazu, Aloe Vera als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, weil es einfach keinen belegbaren Nutzen gibt“, so Bernhard Matuschak, Experte für Medizin und Gesundheit beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Grundsätzlich sollten Nahrungsergänzungsmittel nur eingenommen werden, wenn ein Bedarf besteht, das heißt, wenn ein Mangel an Spurenelementen oder Vitaminen besteht, der ärztlich attestiert wurde. Auch von der Verwendung von Aloe Vera für Getränke und Smoothies rät der Gesundheitsexperte ob einer fehlenden Wirkung ab.

Positiver Effekt zur Kühlung bei Sonnenbrand

Positiv fällt die Aloe-Bilanz nur bei einigen Anwendungen für die Haut aus. So hat das Gel einen kühlenden und befeuchtenden Effekt, der zum Beispiel bei leichten Verbrennungen wie einem Sonnenbrand zur Linderung beitragen kann. Wer sich ein Produkt gegen Sonnenbrand zulegen möchte, sollte aber genau darauf achten, wie viel Aloe tatsächlich drin steckt.

Drei Frauen sonnen sich am Strand, eine davon ist schon ganz rot auf der Haut

dpa/Jörg Carstensen

Bei einem Sonnenbrand kann die kühlende und befeuchtende Wirkung des Aloe-Gels helfen

Cremes, Duschgels: Aloe drauf, aber kaum Aloe drin

Die deutsche Verbraucherzentrale Hamburg (VZ HH) hat Hautcremes, Duschgels und Deos aus der Drogerie auf ihren Aloe-Gehalt überprüft. Während Bilder der Aloe-Pflanze bis zu 50 Prozent der Fläche auf der Verpackung ausmachten, betrug der Anteil im Produkt häufig nur wenige Prozent. Bei einer Feuchtigkeitsmilch und einer Pflegecreme war es jeweils lediglich ein Prozent. „Wie viel Aloe ein Drogerie- oder Kosmetikartikel tatsächlich enthält, ist für Verbraucher nicht ersichtlich“, so Silke Schwartau von der VZ HH. Auf der Verpackung fänden sich keinerlei Angaben dazu.

Wenn eine Creme nur so wenig Aloe enthält, kann es da überhaupt irgendeine Wirkung geben? „Bei diesen wenigen Prozenten, die wir gefunden haben, kann man kaum davon sprechen, dass überhaupt eine Wirkung auftreten kann“, so Schwartau gegenüber help.ORF.at. „Es wird so getan, als wäre es ein grünes, ein gesundes und umweltfreundliches Produkt, aber tatsächlich ist es einfach nur ein Etikettenschwindel.“

Aloe-Vera-Pflanze

Getty Images/Solveig Faust /Eyeem

Aloe-Vera-Pflanzen haben relativ kurze und schwere Blätter

Pflanze zu Hause im Topf als Aloe-Quelle

Mit der ursprünglichen Aloe haben die teuren Cremes in ihren hübschen Tiegeln also nichts mehr zu tun. Wer ein Aloe-Gel kauft, sollte auf einen möglichst hohen Gehalt von mindestens 90 Prozent an Aloe-Blattmarkgel achten, so die Expertin. Manche Hobbygärtner halten die Pflanze kurzerhand selbst im Topf, um möglichst frisch und möglichst kostengünstig an das kühlende Gel zu kommen. Bei der Herstellung ist aber Vorsicht geboten. „Bei der Eigenherstellung von Aloe-Vera-Präparat muss man darauf achten, dass der gelbliche Saft, der aus dem Blatt austritt, entfernt wird“, so Biologe Matuschak vom VKI.

Der Saft enthalte Anthrachinone, einen Schadstoff, der insbesondere bei innerer Anwendung für Komplikationen sorgen könne. Wer sein Aloe-Gel selbst herstellen möchte, muss daher das Blatt nach dem Abschneiden senkrecht halten, damit der gelbliche Saft mit dem Schadstoff abfließen kann. Danach kann die Blattrinde mit einem Messer vom glibbrigen Gelinneren abgetrennt werden. Das durchsichtige Gel, das danach heraustropft, kann man verwenden, um die Haut bei einem Gelsenstich oder einem Sonnenbrand zu kühlen. Doch auch hier kann es zu Hautreizungen und Allergien kommen, daher sollte die Verträglichkeit immer zuerst an einer kleinen Stelle getestet werden.

Beate Macura, help.ORF.at

Links:

Mehr zum Thema: