Überfüllter US-Supermarkt, Menschen mit Einkaufswägen
AFP/DANIEL SLIM
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Consumer Science: Wie zukunftsfähiger Konsum erforscht wird

Vor zwei Jahren haben acht Institute der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) die Initiative Consumer Science (ICS) ins Leben gerufen. Im Zentrum steht die Frage, was man tun kann, damit Konsument:innen in Zukunft nachhaltiger und ökologischer einkaufen. Wie etwa können Bioprodukte verändert werden, damit sie bei Geschmackstests besser abschneiden? Oder warum boomt Second-Hand-Kleidung in Skandinavien deutlich stärker als in Österreich?

„Die Consumer Science hat sich erst in den letzten Jahren als eigene wissenschaftliche Disziplin entwickelt“, sagt Klaus Dürrschmid vom Institut für Lebensmittelwissenschaften der Universität für Bodenkultur. Dazu würden etwa Ernährungswissenschaften und Ernährungspsychologie zählen, sowie Marketing. In erster Linie handle es sich bei „Consumer Science“, auf Deutsch Konsumentenwissenschaften, aber um eine Disziplin angewandte Psychologie, so Dürrschmid.

Vor zwei Jahren hatte er die Idee, gemeinsam mit acht Instituten der BOKU, die sich alle mit Konsument:innen und Nutzer:innen beschäftigen, die „Initiative Consumer Science“ zu gründen: einerseits, um intensiver zusammenzuarbeiten, andererseits, um die Forschung in diesem Bereich in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Im Zentrum der Initiative steht die Frage, was man tun kann, damit Konsumentinnen und Konsumenten in Zukunft nachhaltiger und ökologischer einkaufen.

Der Liking-by-tasting-Effekt

Als typisches Beispiel seiner Forschung nennt Klaus Dürrschmid eine Blindverkostungen, bei der biologische mit herkömmlichen Lebensmitteln verglichen wurden: Tomaten, Gurken oder Milch. Die Ergebnisse zeigten, dass Biolebensmittel in der Regel etwas weniger gut schmecken als konventionell produzierten Lebensmittel. Dürrschmid spricht in diesem Zusammenhang vom Liking-by-tasting-Effekt, was bedeutet, dass man das mehr schätzt, was man kennt. Konventionell produzierte Lebensmittel würden weitaus mehr gegessen werden als Bioprodukte, so der Lebensmittelwissenschaftler.

Bei Biomilch habe man bei den Verkostungen gelegentlich Stallgeruch oder tierische Gerüche festgestellt. „Für manche mag das ein Zeichen von Authentizität sein, für sehr viele Konsumenten ist es unangenehm“, so Dürrschmid. In solchen Fällen empfiehlt er den Produzenten, sich zu überlegen, wie man solche Gerüche wegbekommen könne. Durch die Verwendung bestimmter Salzzusätze sei es etwa möglich, die Bitterkeit von Produkten zu reduzieren: „Das ist wichtig, weil tatsächlich für Konsumenten der Wohlgeschmack ein ganz wichtiger Aspekt ist“, so Dürrschmid.

Am Beispiel der Frischmilch

Neben dem Geschmack spielt bei der Beliebtheit von Lebensmitteln auch die Aufschrift, die auf der Verpackung angebracht wird, ein wesentliche Rolle, sagt Klaus Dürrschmid. Deutlich zeigte sich das bei der Verkostung von Frischmilch und Haltbarmilch. Während bei Blindverkostungen keine Präferenz für die Frischmilch bestehe, würde sich das schlagartig ändern, sobald die Verkosterinnen und Verkoster die Aufschrift „Frischmilch“ lesen: „Diese Information hat einen deutlichen Effekt auf die Beurteilung des Wohlgeschmacks bei den Tests“, so Dürrschmid. Daran könne man erkennen, dass in Österreich Milch bevorzugt wird, die möglichst wenig verarbeitet worden ist.

Anders als in der Schweiz, die als typisches Haltbarmilch-Land gilt, so der Lebensmittelwissenschaftler. In Österreich würde Frischmilch schon lange als die ideale Milch betrachtet werden, weshalb Konsumentinnen und Konsumenten eine starke emotionale Verknüpfung mit den Begriff hätten: „Bewusst kann man diesen Effekt einsetzen, indem man nach emotional positiven Geschichten sucht, um ökologisch sinnvoll produzierte Produkte mit diesen positiven Assoziationen zu versehen“, so Dürrschmid.

Verschwendung vermeiden durch Aufklärung zur richtigen Lagerung

Ein weiteres der acht Institute der Initiative Consumer Science ist das Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft, vertreten durch Gudrun Obersteiner. Mit der Forschung versuche man hier einerseits Lösungen für einen nachhaltigen Umgang mit Abfällen zu finden, andererseits aber auch die Abfallverursacher zu nachhaltigeren Handlungsweisen zu bewegen, so Obersteiner. Eines der zentralen Themen, mit denen sich das Institut auseinandersetzt, ist Lebensmittelverschwendung. Konsumentinnen und Konsumenten werfen allem voran Brot und Gepäck weg, gefolgt von Obst und Gemüse. Dagegen vorgehen könnte man vor allem mit Aufklärungsarbeit was die Lagerung betrifft, ist Obersteiner überzeugt.

Problematisch sei hierbei, dass die meisten Konsumentinnen und Konsumenten vor allem Obst gerne in Obstkörben lagern. Dabei werde das Obst aber deutlich schneller schlecht als im Kühlschrank. „Es ist immer noch in den Köpfen der Menschen verankert, dass Obst im Kühlschrank an Geschmack verliert“, so Obersteiner. Dabei würde sämtliches Obst, sobald es den Bauern verlässt, gekühlt gelagert werden. Die Befragungen hätten gezeigt, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten derlei Informationen möglichst nahe am Produkt wünschen. Obersteiner schlägt vor, etwa auf die Verpackung von Erdbeeren zu schreiben „Bitte, tu mich in den Kühlschrank“. Alternativ könne man im Supermarkt direkt über den Obst- und Gemüsesorten Tafeln anbringen.

Second Hand vs Vintage: Auf den Begriff kommt es an

Untersucht wird am Institut für Abfallwirtschaft der BOKU auch, warum etwa in Skandinavien Second-Hand-Kleidung deutlich beliebter ist als in anderen europäischen Ländern. In Österreich wird ein Kleidungsstück im Durchschnitt gerade einmal sieben bis acht Mal getragen, sagt Gudrun Obersteiner. Bei den Befragungen sei außerdem herausgekommen, dass der Begriff „Second Hand“ bei den meisten nicht beliebt ist, anders als „Vintage“, das positiv belegt sei. „Menschen kaufen gerne Vintage, weil’s halt cool ist, aber es sagt niemand gerne, dass er Second Hand kauft. Das ist tun mehr jene, die das ausschließlich aus Nachhaltigkeitsgründen machen“, so Obersteiner.

Soll der Second-Hand-Kauf angekurbelt werden, müsse man ihn in Zukunft anders nennen. Zudem vermutet die Forscherin, dass auch der Zugang zu Second-Hand-Kleidung ausgebaut werden müsse. „Wenn ich derzeit in irgendeiner Einkaufsstraße shoppen geh’, dann hab’ ich viele Geschäfte, die mir neue Kleidung anbieten. Die Second-Hand-Geschäfte muss ich nach wie vor suchen“, so Obersteiner. Auch wenn es inzwischen bereits online Second-Hand-Shops gebe, sollte es für Konsumentinnen und Konsumenten leichter sein, Second-Hand-Produkte einzukaufen. Das müsse das Ziel für die Zukunft sein, so Obersteiner.