Sammelaktion läuft - Cobin Claims klagt Volkswagen

Cobin Claims, eine österreichische Plattform für Sammelklagen, hat Volkswagen vor dem Handelsgericht Wien geklagt. Fahrzeuglenker, die vom Abgasskandal betroffen sind, können sich online der Klage anschließen. Ein finanzielles Risiko bestehe keines, sagt der Verein, die Prozesskosten seien vorfinanziert. Im Erfolgsfall gehen 35 Prozent des Schadenersatzes an den Prozessfinanzierer.

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Die Vorgeschichte ist gut dokumentiert: Seit September 2015 ist bekannt, dass der deutsche Automobilkonzern Volkswagen Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung verkauft hat. Allein in Österreich sind über 300.000 Fahrzeuge der Marken VW, Seat, Audi und Skoda betroffen. Für die Besitzer tickt die Uhr, denn Mitte September verjähren die Schadenersatzansprüche der österreichischen Konsumenten. Deutsche Autofahrer haben noch bis Dezember Zeit. Der Verein Cobin Claims hat nun Klage gegen VW vor dem Handelsgericht Wien eingebracht.

Für VW-Kunden tickt die Uhr

Betroffene können sich online bis zum 15. August der Klage anschließen, sagt der Rechtsanwalt Benedikt Wallner, er vertritt Cobin Claims in dem Verfahren. Man werde etwas Zeit benötigen, um die Daten der Teilnehmenden zu verarbeiten, so Wallner, der Jurist möchte alle Klagen aus Sicherheitsgründen bereits bis Ende August einbringen.

Justitia mit Waage - Symbolfoto

dpa/Frank Rumpenhorst

Bundesweite sollen mehrere Sammelverfahren geführt werden

Eine echte Sammelklage vor einem einzigen Gericht, wie das etwa in den USA möglich ist, gibt es in Österreich nicht. Cobin Claims wird daher zu dem Instrument der so genannten „Sammelklage österreichischer Prägung“ greifen. Dabei werden die Ansprüche einer großen Zahl von Betroffenen auf einen einzelnen Kläger, in diesem Fall auf den Verein Cobin Claims, vereint. Cobin Claims wird die Verfahren dann als „Zwei-Parteien“-Verfahren führen und verteilt im Erfolgsfall die erlangte Summe an die Betroffenen. Aufgrund unterschiedlicher juristischer Zuständigkeiten in Österreich werde man eine ganze Reihe von Verfahren zu führen haben, so Wallner.

Anwalt will „mehrere Eisen im Feuer haben“

Man könne ein Auto aus Vorarlberg nicht vor dem Wiener Handelsgericht einklagen, so Wallner. Man werde also Betroffene aus dem ganzen Bundesgebiet sammeln und deren Ansprüche dann jeweils vor dem zuständigen Landesgericht geltend machen. Cobin-Claims-Mitbegründer und Liste-Pilz-Klubobmann Peter Kolba ließ uns auf Anfrage telefonisch wissen, dass er ein einzelnes großes Massenverfahren etwa vor einem deutschen Gericht, zwar vorziehen würde, weil das Urteil eines großen Verfahrens einen höheren Stellenwert hätte, aus rechtlichen Gründen ist dem Verein der Gang vor ein deutsches Gericht aber verwehrt. Denn anders als etwa die Arbeiterkammer (AK) oder der Verein für Konsumentenorganisation (VKI) ist Cobin Claims nicht als klagslegitimierte Organisation anerkannt.

Cobin Anwalt Wallner kann aber auch mit der österreichischen Lösung recht gut leben. Vor allem, weil es im vorliegenden Fall noch kein höchstgerichtliches Urteil und somit keine stehende Rechtsprechung gebe. Ihm persönlich sei es hier sogar lieber, „auf der Klagsseite mehrere Wege gleichzeitig gehen zu können und mehrere Eisen im Feuer zu haben.“

Waage mit Euro- und Frankenmünzen in den Waagschalen

APA/KEYSTONE/Martin Ruetschi

Prozessfinanzierer Calunius Capital hat die geplante Aktion vorfinanziert

Britischer Prozessfinanzierer nimmt 35 Prozent

Der Klage anschließen können sich alle Besitzer von Fahrzeugen, die von dem Skandal betroffen sind, das sind Fahrzeuge der Marken VW, Seat, Audi oder Skoda, mit einem Motor vom Typ EA 189. Kostenrisiko bestehe keines, so Wallner, die Kosten werden von dem britischen Prozessfinanzierer Calunius Capital übernommen. Im Erfolgsfall erhält dieser 35 Prozent der erstrittenen Schadenssumme. Darüber hinaus würden natürlich Kosten ersetzt, die im Laufe des Verfahrens anfallen. Wie viel im Erfolgsfall für jeden Einzelnen, der sich der Klage anschließt, übrigbleibt, lässt sich in einer Beispielrechnung auf der Webseite dieselklage.at nachvollziehen.

Von heute auf morgen werde sich eine Angelegenheit dieser Größenordnung aber wohl nicht regeln lassen, so Wallner. Der Rechtsanwalt rechnet mit einer Prozessdauer von fünf oder sechs Jahren. Calunius Capital habe die Verfahren aber bereits vorfinanziert. Selbst wenn der Prozessfinanzierer im Laufe des Verfahrens zahlungsunfähig werden sollte, drohe dem einzelnen Prozessteilnehmer daher kein finanzieller Schaden, so Wallner. Die Gelder für alle derzeit geplanten Aktionen seien vorhanden. Im schlimmsten Fall könne es sein, dass zukünftige Maßnahmen nicht finanziert würden, etwa für den Fall, dass es zu einer Ausweitung des Verfahrens komme.

Auch Kleinunternehmer können sich melden

Für die Teilnehmer sei die Angelegenheit aber mit keinem großen Aufwand verbunden. Im Prinzip könne man gemütlich zu Hause sitzen und der Dinge harren, die da kommen. Natürlich könne es eventuell sein, dass man als Zeuge vorgeladen werde, der Konsumentenrechtsexperte Wallner rechnet aber nicht mit allzu zahlreichen Einvernahmen.

Neben Privatpersonen können sich übrigens auch Kleinunternehmer der Klage anschließen. Auch Fahrzeugflotten, Firmenkunden, Firmenfahrzeuge oder Einzelfahrzeuge von Unternehmern, die steuerlich abgesetzt wurden, können in das Verfahren mit aufgenommen werden. „All das, wo eine klassische Verbraucherorganisation sagen muss: Stopp, das kann ich nicht übernehmen, das macht aber Cobin mit“, so Wallner. Mittlerweile haben sich etwa 600 Personen der Klage angeschlossen.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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