Private Claim-Firmen nutzen staatliche Schlichtungsstelle

Die staatliche Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (APF) soll Fluggästen helfen, die nach Verspätungen und Ausfällen nicht entschädigt wurden. Das ist kostenlos und größtenteils öffentlich finanziert. Immer häufiger wenden sich auch Klagsportale an die APF. Diese Claim-Firmen lassen die Schlichtungsstelle kostenlos für sich arbeiten und behalten einen Teil der Entschädigung. Bei der APF ist man alarmiert.

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Prinzipiell steht Konsumenten bei Verspätungen ab einer gewissen Länge Entschädigung zu, bis zu 600 Euro. Zahlt die Fluglinie nicht freiwillig, müssen Konsumenten das Geld einfordern.

Da gibt es einerseits kommerzielle Flugrechtsfirmen, so genannte Claim-Firmen. Sie machen viel Werbung, sind im Internet sehr präsent und vertreten Konsumenten bei ihren Entschädigungsforderungen, notfalls auch vor Gericht. Dafür verlangen Sie einen Teil der Entschädigung, meisten an die 30 Prozent.

Kostenlos vertreten werden Konsumentinnen und Konsumenten bei der staatlichen Schlichtungsstelle APF, der Agentur für Passagier und Fahrgastrechte. Allerdings nicht vor Gericht, sondern in einem Schlichtungsverfahren. 2016 hat die APF rund 1.500 Verfahren zu Flugbeschwerden bearbeitet, bei 80 Prozent konnte man sich mit der Fluglinie einigen, betont Maria-Theresia Röhsler, Geschäftsführerin der APF.

Steigende Anfragen von Claim-Firmen seit Jahresanfang

Dieser Erfolg spreche sich herum, so Röhsler. Zum Leidwesen der APF aber nicht so sehr bei Konsumenten, denn für Werbung kann die APF nicht annähernd so viel Geld ausgeben wie Claim-Firmen. Sondern vor allem bei den Claim-Firmen selbst, sagt Röhsler. Vor einem Jahr seien noch relativ wenig Anfragen bei der Schlichtungsstelle von kommerziellen Flugrechtsfirmen gekommen. Seit Jahresanfang bemerke man aber eine wachsende Anzahl an Fällen, die von Claim-Firmen eingebracht werden, und nicht von Konsumenten selbst. „Mittlerweile sind 15% der Fälle, die wir bearbeiten, von Claim-Firmen“, so Röhsler. Welche Firmen das sind, darf die APF aus rechtlichen Gründen nicht sagen, österreichische Unternehmen seien aber nicht darunter.

Alles in allem hat die APF seit Anfang des Jahres 426 Verfahren abgeschlossen, 63 davon kamen von Firmen, die zwar von ihren Kunden Geld für die Bearbeitung der Fälle verlangen, bei der APF aber nichts bezahlen müssen. Denn die Schlichtungsstelle wird zu 60 Prozent aus staatlichen Geldern finanziert. Die anderen 40 Prozent zahlen die Fluglinien, bei denen eine Schlichtung notwendig ist: für jeden Fall 78 Euro. Das ist auch als zusätzlicher Anreiz gedacht, es in Zukunft gar nicht so weit kommen zu lassen.

Konsumenten oft im Unklaren

Staatliche Förderung für kommerzielle Anbieter? Andreas Sernetz Geschäftsführer von der österreichischen Claim-Firma Fairplane, betont dass Fairplane keine Hilfe staatlicher Schlichtungsstellen in Anspruch nehme. Ein Problem hätte er damit aber nicht: „Hinter jedem Fall steht ein Konsument und die Schlichtungsstelle hat sich verpflichtet, dem Konsumenten diese Anliegen zu schlichten.“ Die Frage sei aber, was Claim-Firmen ihren Kunden dafür verrechnen sollen, dass sie den Fall an eine Schlichtungsstelle weiterreichen. Bei Fairplane würde man nicht den vollen Rechnungssatz verlangen, sondern nur eine Bearbeitungspauschale, betont Sernetz.

Bei der EU-Kommission beobachtet man die Entwicklung. Zu den Pflichten der Claim-Unternehmen gibt es außerdem ein Infoblatt der EU-Kommission.
Infoblatt (PDF)

Ob sich die Claim-Firmen, die ihre Fälle kostenlos von der APF erledigen lassen, an diese Empfehlung halten, kann die APF nicht überprüfen. Dort weiß man auch nicht, ob Kunden der Claim-Firmen überhaupt davon erfahren, dass ihr Anliegen kostenlos von der APF gelöst wurde. Mitunter gäbe es sogar Probleme, weil Claim-Firmen bis zuletzt keine unterschriebene Einverständniserklärung ihres Mandanten vorlegen könnten, so Röhsler. Die sei vor allem wichtig, weil viele Claim-Firmen die Entschädigungszahlung zunächst auf ihr Konto überweisen lassen, damit sie die Provision gleich abziehen können. Erst dann wird das Geld an den Konsumenten weitergereicht. Rechtens sei das aber nur mit einer Einverständniserklärung des Konsumenten, so Röhsler: „Es hat schon Fälle gegeben, wo wir ein positives Schlichtungsergebnis hatten, aber die Summe konnte nicht ausbezahlt werden, weil wir von der Claim-Firma keine Einverständniserklärung des Konsumenten hatten.“

Direkter Kontakt zum Konsumenten fehlt

Abweisen könne man Claim-Firmen jedenfalls nicht, sagt Röhsler. Jeder habe das Recht, sich von einer Vertrauensperson vertreten zu lassen, das könne auch eine Claim-Firma sein. Wichtig sei aber, dass Konsumentinnen und Konsumenten vorab eine informierte Entscheidung treffen. Wenn die Claim-Firma eine Schlichtungsstelle einschaltet, sollten Betroffene darüber informiert werden, erst recht, wenn die Schlichtung das Problem kostenlos lösen könne.

Röhsler gibt auch zu bedenken: Gerade wenn sich Konsumenten von einem kommerziellen Flugrechts-Unternehmen vertreten lassen, werde das Verfahren mitunter schwieriger. „Es ist oft so, dass die Sachverhalte sehr komplex sind. Häufig müssen wir telefonisch nachfragen. Aber das können wir nicht, wenn wir Verfahren bearbeiten, die von Claim-Firmen eingebracht wurden, denn dann haben wir keinen direkten Kontakt mit dem Beschwerdeführer.“

Praktisch alle Konsumenten würden besser aussteigen, wenn sie sich zuerst direkt an die APF wenden, anstatt über eine Claim-Firma, so Röhsler. Und sie rät Konsumenten, erst dann zu einer Claim-Firma zu gehen, wenn ein Verfahren bei einer Schlichtungsstelle keinen Erfolg gebracht hat.

Alexandra Siebenhofer, help.ORF.at

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